Ein solches Interviewformat kennt man vor allem aus Hollywood. Stars laden regelmässig Journalistinnen und Journalisten ein, um ihren neuen Film zu promoten. Die Gespräche finden einzeln oder gruppenweise in einer Hotel-Suite statt. Die einzelnen Medienschaffenden haben dabei wenig Zeit, um sich mit den Stars zu unterhalten.
Im Jargon nennt sich das «Press Junket». In der Schweiz kommen sie selten vor. Umso bemerkenswerter ist es, wenn an einem Tag in vielen Medien Interviews mit denselben Personen erscheinen.
Hazel Brugger schwärmt von Sandra Studers Küche
So geschehen am Montag. Die drei ESC-Moderatorinnen waren praktisch flächendeckend in den Medien mit Interviews präsent. Im Blick zum Beispiel verraten Sandra Studer, Michelle Hunziker und Hazel Brugger den Namen ihrer WhatsApp-Gruppe. In den Tamedia-Titeln blicken sie auf besondere Auftritte des Eurovision Song Contests zurück. Bei CH-Media schwärmt Hazel Brugger von Sandra Studers Küche. Auch SRF 3 und die Nachrichtenagentur Keystone-SDA haben am Montag Interviews mit dem Trio veröffentlicht. Die SDA-Meldung wurde von anderen Medien wie auch von persoenlich.com übernommen.
Auf Anfrage von persoenlich.com erklärt ESC-Sprecher Edi Estermann, dass die Interviews letzten Montag in Form von sogenannten «Round Table Slots» stattgefunden haben. «Wir haben in den vergangenen Wochen sehr viele Interviewanfragen für die drei Main Hosts erhalten und diese aus Termingründen schliesslich gebündelt», so Estermann. Von 9 bis 13.30 Uhr hätten Hunziker, Studer und Brugger zur Verfügung gestanden.
Insgesamt 18 Interviewanfragen seien im Vorfeld eingegangen. Neben den Schweizer Redaktionen waren auch internationale Medien dabei: AP London, Süddeutsche Zeitung und Badische Neueste Nachrichten. Die Tamedia-Titel haben schliesslich das Interview der Süddeutschen Zeitung, ihr Kooperationspartner, übernommen.
Vorgaben und Enttäuschungen
Für die Interviews, die über Videoanruf stattgefunden haben, gab es einige Vorgaben. Die Journalisten teilten sich die Slots zum Teil mit Kolleginnen und Kollegen von anderen Medien. Video-Ausschnitte aus dem Gespräch durften nicht verwendet werden. Wie üblich bei Interviews mussten die schriftlichen Zitate zur Freigabe vorgelegt werden. Zudem wurde eine Sperrfrist für vergangenen Montag um 6 Uhr festgelegt.
Einige Medien, die eine Interviewanfrage gestellt hatten, waren über das gewählte Format enttäuscht. «Exklusive Inhalte sind aus unserer Sicht die ideale Form eines Interviews», schreibt Ringier auf Anfrage. Blick hat an der Medienrunde trotzdem teilgenommen, weil es die einzige Möglichkeit war, mit den drei Moderatorinnen zu sprechen.
Bei CH Media bedauert man ebenfalls die Form des Videoanrufs. «Wir hatten uns erhofft, die Moderatorinnen in der Schweiz persönlich treffen zu können», schreibt Julia Stephan, Teamleiterin Kultur.
Keystone-SDA hatte ursprünglich eine Interviewanfrage für Michelle Hunziker gestellt. «Der Einfluss der Kommunikationsverantwortlichen ist eine Tatsache. In diesem Fall waren wir der Meinung, dass wir dieses Thema unter Einhaltung unserer journalistischen Standards umsetzen konnten», erklärt Chefredaktor Federico Bragagnini.
Einige Absagen
Und so hängen die meisten Medien den Kontext des Interviews nicht an die grosse Glocke. Wenn überhaupt, kommt es in einem Nebensatz vor. Transparent erwähnen Watson und die CH-Media-Titel in ihrem gemeinsamen Interview, dass es sich um einen Videoanruf handelte. Das Gratisportal von CH Media bedauert auch, dass es kein Bild vom Anruf gibt und beschreibt die Hintergründe bei den Moderatorinnen.
Der streng vorgegebene Rahmen kam für gewisse Medien aber nicht infrage. «Einige wenige haben wegen der Round-Table-Form abgesagt», so Edi Estermann. Kein Interview hat die NZZ publiziert. Auf Anfrage schreibt die Medienstelle, dass die Zeitung zwar seit mehreren Monaten in Kontakt mit der ESC-Organisation stehe. «Bei der Publikation unserer Artikel lassen wir uns aber nicht von anderen Medien, sondern von eigenen journalistischen Überlegungen und Kriterien leiten.»