"Ich fass es nicht! Habe diverse Termine wegen dir verschoben. Paul.“ Die letzte SMS, die ich von Paul Sahner vor wenigen Tagen erhielt. Weil ich nicht zu ihm kommen konnte, nach Marquartstein im Chiemgau. Genau zu dem Paul Sahner, dem Star-Interviewer des denkenden, belesenen, ironisch-amüsierten Boulevard-Journalismus.
Und jetzt soll Paul tot sein. Der Mann, der jede Woche mit Verleger Hubert Burda Tennis spielte – mit dem ich gerade noch blödelte: "Paul! Ich spielte mit Hubert immer Doppel – und wir gewannen!“ Pauls obligate Antwort: "Und ich schlug Hubert! In Offenburg.“ Ich: "Dann warst Du aber weg – aus Offenburg!“ Er: "Und Du? In Zürich!“ Dann wieder Paul: "Hubert hat uns geliebt. Uns, uns Journalisten!“, sagte Paul in seiner unglaublich tiefen Stimme.
Geht doch nicht. Dass Paul jetzt tot sein soll. Wollten uns doch diese Woche treffen. In Marquartstein. Für ein Porträt zu Sahners 70. Geburtstag am 21. Juni. Und für mein neues Buch über Udo Jürgens. Paul kannte Udo aus der Zeit, als der sich von kreativen Wiener Kollegen in München Texte wie "17 Jahr, blondes Haar“ abluchste – ich schrieb mit Udo Jürgens dessen Bestseller-Autobiographie "Unterm Smoking Gänsehaut“. Irgendwie dachten Paul und ich, es sei an der Zeit mal die Wahrheit in Sachen Udo Jürgens zu wagen – nicht gemeinsam, ich dank Paul nicht einsam.
Paul Sahner – aus anderem journalistischem Holz geschnitzt. Einst in München, als Ringier-Verleger Michael Ringier bei Michael Graeter das Handwerk lernte, dem späteren "Baby Schimmerlos“ in der TV-Komödie von Helmut Dietl. Heute nur ein ironischer Quell spät-pubertärer Verwirrung. Obwohl: Paul Sahner trug damals bereits die grellen Schlaghosen plus Jupes à la Frank A. Meyer in Farben, die bis heute die Natur nicht vorsieht. Was unterscheidet: Nie hat Paul das Vertrauen von Verlegern, Stars, Prominenten, Möchtegerns, ja PolitikerInnen missbraucht.
Ich kann das schreiben. Ich weiss es. Was hätte Paul als Schlagzeilen verbraten können? Wie hätte er so manche Damen und Herren, die sich heute in der medialen Gülle sülzen, in den Orkus der Verschwiegenheit transportiern können? Nur: Es gab eine Grenze. Die er nie überschritt. Nie!
Nie war Paul PR-Boy, nie Geschäftsmann, nie Restaurant-Besitzer, nie Brezl- oder Weisswurst-Verkäufer für all die vielen Uli Hoeness, die es bis heute zuhauf gibt. Journalist – das reicht. Sein erstes Buch über die "Bee Gees“ schrieb Paul aus einem Grund: Geldmangel! Wir alle schrieben erste Bücher genau deshalb! Und erfolgreich!
Statt sich in irgendwelche pseudo-verlegerische Aktivitäten einbinden zu lassen – Paul blieb Paul. Nicht leicht, wenn einer wie Sahner die echten Geheimnummern der Stars kennt. Und die nie für Umfragen ausnutzte wie: "Welches Parfum haben Sie?“ oder "Neigen Sie im Sommer zu Achsel-Schweiss?"
Paul Sahner, der Boulevard-Journalist der Zeitschrift "Bunte", ist tot. Ach was? Der kann nicht tot sein. Wie er das tote Nackt-Magazin "Penthouse“ als Chefredaktor aus dem Schweizer Sumpf der Frey-Familie manövrierte – nachdem der hochbegabte Mathias Nolte sich dank Affären mit einer Verleger-Lady sowie einer Burgschauspielerin aus Zürich verabschiedete. Mit seinen Interviews hievte Sahner sein One-Man-Blatt in die Höhe. Weil Sahner neben Neugier auch Handwerk war.
Als Paul sein Buch über Karl Lagerfeld schrieb — basierend auf unzähligen Interviews, schrieb ich keine Eloge im Magazin des "SonntagsBlick". Warum auch? Sahners Worte genügten. Besser ist das nicht zu machen. Sahners Interviews in "Bunte" waren das, was Dominick Dunne bei "Vanity Fair" in Sätze und Annie Leibovitz in Bilder schafften: Klatsch ist Kunst – nicht künstlich!
Paul – Du lebst!
Dein Helmut-Maria*
*Helmut-Maria Glogger war 30 Jahre in Chefredaktionen tätig und ist Autor von verschiedenen Bestseller-Biografien wie Udo Jürgens. Glogger und Sahner wollten sich diese Woche treffen - für ein Buch, das beiden am Herzen liegt: "A bisserl mehr Wahrheit über Udo Jürgens".