19.07.2018

SRF-Radios

Lateinische Schweiz findet wenig Beachtung

Die Deutschschweizer Radiosender von SRF haben im letzten Jahr kaum über die anderen Landesteile berichtet. Dafür spielten die Sender so viel Schweizer Musik wie noch nie in den letzten zehn Jahren. Dies zeigt eine Programmanalyse von Publicom im Auftrag des Bakom.
SRF-Radios: Lateinische Schweiz findet wenig Beachtung
Durchzogenes Zeugnis für die SRF-Radios. Im Bild: Radiostudio Brunnenhof in Zürich. (Bild: SRF/Danielle Liniger)

Fünf der sechs SRF-Radiosender konzentrierten sich in ihren Beiträgen im letzten Jahr fast ausschliesslich auf die deutsche und rätoromanische Schweiz. Ereignisse in den anderen Sprachregionen hätten dort praktisch keine Beachtung gefunden, schrieb Publicom in einer Programmanalyse im Auftrag des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom), die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

So stagniere die Aufmerksamkeit für die lateinische Schweiz seit 2014 bei einem Anteil von gerade einmal zwei Prozent der Gesamtinformationen. Nicht einmal die Wahl des Tessiners Ignazio Cassis zum Bundesrat habe dieses tiefe Niveau aufzubessern vermocht, weil gleichzeitig die Berichterstattung aus der Romandie zurückging.

Zwar habe durch die Bundesratswahl die «ansonsten weitgehend ignorierte italienische Schweiz» 2017 bei allen Programmen an Beachtung gewonnen. Doch da in der untersuchten Woche auch das Filmfestival Locarno zu Ende ging, bleibe abzuwarten, ob ein Trend bevorstehe.

Eine Ausnahme habe der Informationssender SRF 4 mit vier Prozent gebildet. Dort gebe es auch ein Sendegefäss, das sich den beiden lateinischen Sprachregionen widme.

Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor Radio SRF, ist anderer Meinung: «Die Berichterstattung aus der Romandie und der italienischen Schweiz ist für uns zentral. Beide Landes- und Sprachregionen kommen mehrmals wöchentlich in unseren Primetime-Sendungen ‹Echo der Zeit›, ‹Rendezvous›, ‹Info3› oder ‹Heute Morgen› vor. Ebenso in der Sendung ‹Regional-Diagonal›, die bewusst geschaffen wurde, um regionale Informationen (auch aus den Deutschschweizer Regionen) einem nationalen Publikum zu vermitteln», sagt er gegenüber persoenlich.com.

Trotzdem fügt er an: «Wir achten verstärkt darauf, welche nationalen und bundespolitischen Themen sich eignen, an Anschauungsbeispielen aus der Westschweiz oder der italienischen Schweiz dargestellt zu werden.»

Kulturauftrag erfüllt

Bei der «Förderung der kulturellen Identität» erhalten die SRG-Radios hingegen gute Noten. Publicom stuft die Programmleistung dort als «hoch, wenn auch uneinheitlich» ein. Über ein Viertel der gespielten Musik in den SRF-Radioprogrammen stammte 2017 aus der Schweiz. An der Spitze steht SRF Musikwelle: Auf dem Volksmusiksender war jeder zweite gespielte Musikbeitrag ein Schweizer Song.

Einen grossen Sprung nach vorne machten in dieser Hinsicht gemäss Publicom die beiden Musiksender SRF 3 und Virus mit mittlerweile fast einem Drittel Schweizer Musik. Kritisiert wird hingegen, dass sich die beiden Sender bezüglich der Musikformate mittlerweile kaum noch unterschieden.

Robert Ruckstuhl, Programmleiter Radio SRF, sagt gegenüber persoenlich.com: «Wir setzen uns seit vielen Jahren für die Förderung der Schweizer Musikszene ein und haben in dieser Zeit auch den Anteil an Schweizer Musik stetig erhöht.»

Auf SRF 1 und SRF 2 stammte gemäss der Publicom-Programmanalyse zwar nur rund jeder zehnte Song aus Schweizer Produktion. Dafür spiele die Schweizer Kultur im Wortprogramm von SRF 2 eine wichtigere Rolle als früher, hiess es weiter. SRF 2 und SRF 3 nahmen in diesem Punkt eine Vorreiterrolle ein.

55 Prozent Wiederholungen

Die SRG soll auch zur freien Meinungsbildung des Publikums beitragen. Dazu muss sie umfassende, vielfältige und sachgerechte Informationen liefern. Publicom lobt in diesem Zusammenhang die hohe Aufbereitungsqualität der Informationsbeiträge. Davon profitierten die «wortstarken» Programme SRF 1, SRF 2 Kultur und SRF 4 News.

Doch weil die tagesaktuelle Information zentral produziert werde, gebe es zahlreiche Redundanzen: 55 Prozent der ausgestrahlten Informationsinhalte auf allen Sendern bestünden aus Wiederholungen und Übernahmen anderer SRG-Programme.

Insgesamt werde das parteipolitische Spektrum auf allen Sendern «recht ausgewogen repräsentiert». SRF 1 und SRF 4 lieferten regelmässig thematische Zusammenhänge kontroverser Positionen. Die anderen Programme hingegen machten das «kaum häufiger als kommerzielle Privatradios».

In der Schweiz werden öffentliche und private Programmanbieter, die Konzessionsgelder beziehen, zu bestimmten Leistungen verpflichtet. Die Programmanalyse soll überprüfen, ob und in welchem Umfang diese Leistungen erbracht werden.

Dazu untersuchte Publicom die sechs Vollprogramme der Deutschschweiz während einer künstlichen Woche – je ein Wochentag zufällig ausgewählt zwischen Januar und Dezember 2017. Die Stichprobe umfasste insgesamt 798 Programmstunden. (sda/maw)



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

  • Roman Widmer, 19.07.2018 21:47 Uhr
    «Dafür spielten die Sender so viel Schweizer Musik wie noch nie in den letzten zehn Jahren.» Das ist leider kein Qualitätsmerkmal. Nichts gegen Schweizer Musik, aber insbesondere Radio SRF1 spielt immer den gleichen Brei: Oftmals mehrere Male Eliane pro Tag (da eine Medienpartnerschaft mit der Sängerin eingehalten werden muss), Gölä rauf und runter mit doppelten Salto auch noch rückwärts, Polo Hofer, Peter Reber, Philipp Fankhauser, Florian Ast, Michael von der Heide usw. usf. Immer ca. die gleichen zehn Verdächtigen... leider wird nach meinem Musikgeschmack SRF1 immer langweiliger, eintöniger, einfach zum Einschlafen. Es ist bekannt, dass SRF1 mindestens 10 Prozent Schweizer Musik spielen muss (wenn ich mich nicht irre, ist das sogar eine Verordnung des Bundesrats?). Also nebst den Zwangsgebühren wird uns auch Zwangsmusik verordnet. Wie gesagt, nichts gegen Schweizer Musik, aber bspw. Musik aus der Romandie und dem Tessin wird selten gespielt. Zudem gibt es so viele weitere Schweizer Musiker als immer nur Gölä, Polo und Eliane (bei denen ich jeweils umschalte, wenn die gespielt werden), viele kleine überraschende Musikperlen, die man zwar auf Youtube findet, aber von SRF1 schlicht nicht beachtet wird, ja, die nicht im Musikarchiv ist. Sehr oft müssen die Moderatoren des SRF1-Nachtexpress die Zuhörer vertrösten, weil dieses oder jenes Lied nicht im Archiv ist. Ist das Musikförderung? Ist das Berücksichtigung der lateinischen Schweiz? Leider ist es auch so, dass viele (nicht alle) Schweizer Musiker/innen zum Teil schwache Stimmen haben, oder eben einfach nicht so fägen....nach meinem Geschmack! Dies macht dann den Klangteppich auf SRF1 öde und langweilig. Und wenn internationale Songs gespielt werden, dann auch immer das gleiche. Ich höre SRF1 nur noch wegen den Informationssendungen, aber bestimmt nicht wegen der Musik. Die SRG könnte Geld sparen, wenn sie ein einziges nationales Musikarchiv für die ganze Schweiz hätte (und nicht jedes Radiostudio sein eigenes Archiv). Dies hätte den Vorteil, dass die Musikredaktoren auch auf Musik aus dem französischen und italienischen Sprachraum Zugriff hätten, und mehr interessante CH-Musik bringen könnten. Auch finde ich, dass die lateinische Schweiz viel zu wenig vorkommt. Man erfährt kaum was die Genfer, Fribourger und Lausanner bewegt.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240425