19.05.2022

Qualität im Journalismus

Lösungen für Finanzierungsfrage diskutiert

Wie können sich Presserat, MAZ oder Keystone-SDA künftig finanzieren? Auf einem Panel wurden Lösungen diskutiert. Es ging auch um Qualitätssicherung. «Kurzfristige Daten wie Klicks und Konversions wurden vielleicht überbewertet», sagte TX-Group-Chef Pietro Supino.
Qualität im Journalismus: Lösungen für Finanzierungsfrage diskutiert
Diskutierten im Q-Club vom QuaJou (v.l.): Nicole Meier, Chefredaktorin Keystone-SDA, Pietro Supino, TX-Group-Verleger und Verlegerpräsident, Martina Fehr, MAZ-Direktorin und Stiftungsratspräsidentin vom Presserat, sowie Nicolas Pernet, RTR-Direktor und SRG-Geschäftsleitungsmitglied. (Bilder: Goran Basic)

Nach dem Nein zum Mediengesetz im Februar stellt sich die Frage, wie Qualitätsjournalismus in der Schweiz künftig gesetzlich geregelt und finanziert werden soll. Bereits wurden erste Vorstösse lanciert, um die Unterstützung von Medieninstitutionen wie dem Presserat, der Medienschule MAZ oder der Nachrichtenagentur Keystone-SDA möglich zu machen. Die Vertreterinnen dieser drei Organisationen sprachen auf einem Podium des Vereins QuaJou (Qualität im Journalismus) am Mittwochabend über ihre finanzielle Situation und mögliche Lösungsansätze. 

Neben Nicole Meier, Chefredaktorin Keystone-SDA, und Martina Fehr, die in der Doppelrolle als MAZ-Direktorin und Stiftungsratspräsidentin des Presserats auf dem Panel sass, nahmen Pietro Supino, TX-Group-Chef und Präsident des Verlegerverbands Schweizer Medien, und Nicolas Pernet, RTR-Direktor und SRG-Geschäftsleitungsmitglied, an der Diskussion im Gebäude der TX Group an der Zürcher Werdstrasse teil.

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«Wo tut die finanzielle Lücke richtig weh?», fragte Moderatorin und QuaJou-Mitglied Josefa Haas die Panelistinnen und Panelisten. Mit dem aufgesetzten Presserat-Hut sagte Martina Fehr: «Unsere Geschäftsstelle ist unterfinanziert. Wir brauchen die Zusage von 100'000 Franken bis Ende Mai für den laufenden Betrieb, wie Sie vielleicht gelesen haben.» Im Hinblick auf das MAZ erklärte Fehr: «Die Institution erhält Geld für eine Dienstleistung, hier ist die Situation eine andere. Wir haben per se keine finanziellen Schwierigkeiten, aber wir spüren die finanzielle Situation der kleinen und mittleren Verlage.» Diese könnten sich die Ausbildung ihrer Volontärinnen und Volontäre teils gar und teils nur noch alle zwei Jahre leisten. Früher sei der Diplomstudiengang mit 60 Plätzen besetzt gewesen, heuer komme man noch auf 22. Je kleiner die Klassen, desto weniger Austausch zwischen den Medienhäusern in den verschiedenen Regionen gebe es. Die Vernetzung der Branche leide, die Ausbildung verliere an Attraktivität. Zudem gehe es nicht nur um die Aus-, sondern auch um die Weiterbildung. «Wir sorgen dafür, dass Leute, die im Job bleiben und hier pensioniert werden wollen, beruflich fit bleiben.»

Nicole Meier sagte dazu: «Keystone-SDA liefert objektive, neutrale und verifizierte Fakten. Mit dem Krieg in der Ukraine gibt es keinen besseren Zeitpunkt, um auf die Wichtigkeit dieser Dienstleistung hinzuweisen. Wir sind quasi das Gegenstück von Fake News.» 

Rückblickend auf das Nein zum Mediengesetz sagte Pietro Supino: «Es ist unglücklich, dass so viel Verschiedenes in einer Vorlage vermischt wurde. Der Verlegerverband hat sich für die indirekte Presseförderung eingesetzt. Dieses Geld wäre nicht an die Verleger, sondern in die Infrastruktur gegangen, damit die gedruckten Zeitungen an die Leute gelangen.» Noch sei es so, dass sich Leserinnen und Leser eher in gedruckten Titeln vertieft informierten, nicht im Digitalen. Diese Infrastruktur sei wichtig – nicht nur für die Medienhäuser, sondern für unsere Demokratie. «Das haben wir dem Stimmvolk zu wenig rübergebracht. Da müssen wir uns an der Nase nehmen», fügte er an. 

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Mit Blick nach vorne sagte Supino: «Nun stellt sich die Frage, ob wir sagen: Das Volk hat entschieden. Wir akzeptieren das so. Oder, ob man die indirekte Presseförderung nochmals eigenständig anschauen möchte.» Auch die Unterstützung von Ausbildung oder Technologie wäre nach Meinung des TX-Group-Verlegers ein eigenständiges Paket wert gewesen. Zum dritten Teil des Medienpakets – der direkten Onlineförderung – sagte er: «Wir haben uns im Verlegerverband dazu geeinigt, das gesamte Paket zu unterstützen. Jetzt nach der Abstimmung kann ich sagen, dass ich kein Freund der direkten Medienförderung bin. Diese Form der Förderung ist nicht gut für die Unabhängigkeit des Journalismus.»

In Richtung Nicolas Pernet, RTR-Direktor und SRG-Geschäftsleitungsmitglied, sagte Supino: «Wir müssen uns mit der SRG dringend auf ein gemeinsames Verständnis von Service public einigen. Die Angebote von Privaten dürfen nicht von gebührenfinanzierten Angeboten untergraben werden.» 

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«Die SRG ist verpflichtet, das junge Zielpublikum zu erreichen. Diese schauen heute halt etwas weniger TV», antwortete Pernet. Und wenn man von Digital rede, müsse klar differenziert werden, wovon man spreche: von der Mediathek, der Streamingplattform oder von den Kanälen auf Social Media? Die SRG schränke sich hier auch ein. Zudem sei die schwierige finanzielle Situation der privaten Verlage grundsätzlich nicht mit der SRG zu begründen, sondern mit der Abwanderung der Werbeeinnahmen zu den Silicon-Valley-Unternehmen. «Ich glaube nicht, dass die Verlage mehr verdienen würden, wenn die SRG morgen weg wäre», sagte der RTR-Direktor und bezeichnete dies sogleich als «steile These». 

Nicole Meier brachte die Debatte auf ein anderes Thema. Um die Qualität der Medien zu sichern oder zu verbessern, sollte der Fokus ihrer Meinung nach stärker auf die Haltung in den Redaktionen selber gelenkt werden. Dabei gehe es um Fragen: Wie wird an Sitzungen diskutiert? Wen lässt man zu einem Thema recherchieren? Welche Verhaltensweisen von Journalistinnen und Journalisten werden belohnt? Und wie geht die Redaktion mit interner Konkurrenz um? Diese Firmenkulturen in den Redaktionen seien lange gewachsen und Veränderung passiere nicht von heute auf morgen. Aber hier sei sicher ein Hebel.

Supino ging auf das Thema ein und erzählte von einer kürzlich abgehaltenen Redaktionssitzung von Tamedia. «Aus der Diskussion mit der Redaktion habe ich mitgenommen, dass Daten wie Klicks, Leseminuten oder Konversions von einzelnen Artikeln übergewichtet werden», sagte er. Und das «ruhigere Qualitäten» vielleicht etwas zu kurz kämen. Die erwähnten Angaben seien interessant und kurzfristig auch wichtig. Aber es gelte auch, langfristige, hintergründige Qualitäten zu beachten. Darüber, wie man mit diesem Spannungsfeld umgehen soll, habe man sich vielleicht bisher zu wenig Gedanken gemacht.

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In der Schlussrunde ging es um mögliche Lösungsansätze für die Finanzierung der Branche. «Der Presserat habe viele Ideen, nun wollen wir mit Fundraising und Gönnerverein das Geld besorgen, um auf stabile Beine zu gelangen», sagte Martina Fehr. Um die Prozesse zu digitalisieren, sei man mit Stiftungen in Kontakt. Hier sehe es gut aus, fügte sie an. Supino äusserte sich klar: Kurzfristig sieht er die indirekte Presseförderung als mögliche Lösung. Längerfristig würde er auf die Förderung der Medienkompetenz setzen. Der Verlegerpräsident kritisierte, dass das Thema von Politikerinnen und Politiker zu wenig erkannt werde. Nicole Meier von Keystone-SDA erinnerte daran, dass im Parlament die Medienförderung Light, wo es um die Förderung von Medieninstitutionen gehe, diskutiert werde und noch immer auf Kurs sei.


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