Herr Hagemann, glauben Sie, dass die Jean Frey-Titel bei der Swissfirst jetzt in besseren Händen sind als bei Ringier?
Es ist wichtig, dass Sie mir diese Frage stellen. Wir haben jetzt hier ein Modell, das demjenigen der Neuen Zürcher Zeitung sehr ähnlich ist. Die NZZ ist eine Firma mit vielen Aktionären, aber ohne Mehrheitsbesitzer. Niemand kann entscheidenden Einfluss nehmen. Es gibt in der Person von Hugo Bütler einen publi-zistischen Kopf. Bei Jean Frey wird es jetzt gleich: Es wird, wenn der Plan klappt, verschiedene Aktionäre ohne bestimmenden Einfluss geben, und es gibt in der Person von Filippo Leuten-egger einen publizistischen Kopf. Ich sehe nicht, dass dieses Modell nicht gut wäre.
Das Aktionariat der NZZ ist historisch gewachsen, das bei Jean Frey wäre künstlich kreiert. Ist das Modell wirklich vergleichbar?
Das Modell ist vergleichbar. Wie es herauskommt, wird auch hier erst die Zeit zeigen.
Die NZZ ist ein grosser Verlag, die Jean Frey ist merklich kleiner. Kann die Jean Frey überhaupt im Alleingang überleben, oder wird Swissfirst gezwungen sein, dann doch an einen grösseren Verlag zu verkaufen?
Ich glaube, es gibt zwei Modelle, die funktionieren können. Das eine ist: Man bettet Jean Frey in die Struktur eines Grossverlags ein. Das andere: Man entlässt Jean Frey in die Unabhängigkeit und führt den Verlag ganz schlank. Es gibt vermutlich viel Spar-potenzial, zum Beispiel im Overhead. Wir waren in einer Zwitter-position. Zwischen einer regionalen Tageszeitung und nationalen Wochentiteln ergeben sich wenig Synergien. Trotzdem mussten wir einen teuren Overhead in Zürich unterhalten, weil wir ja noch ausbauen wollten.
Kann es auch sein, dass Swissfirst ganz einfach einen markant höheren Betrag anbot als Ringier?
Zum Kaufpreis äussere ich mich nicht. Aber es ist nicht so, dass wir einfach den maximalen Erlös generieren wollten. Dann hätten wir eine andere Strategie fahren müssen. Wir hätten dann die Weltwoche einstellen und die verbleibenden Titel einzeln verkaufen müssen. Und das möglichst mit ausländischen Beteiligten. So hätten wir am meisten verdient.
Herr Ringier, es scheint, dass Sie sich noch immer um Jean Frey bemühen. Versuchen Sie, die Firma wieder zu bekommen, bevor sie an die Swissfirst geht, oder danach von der Swissfirst zu kaufen?
Das sind jetzt Interna, aber natürlich, es ist eine spannende Phase, und wir werden alle unsere Möglichkeiten ausschöpfen. Ich glaube nicht, dass es den neuen Investoren bewusst ist, worauf sie sich einlassen.
Wo orten Sie denn konkret Defizite bei den neuen Investoren?
Ein Verlag basiert auf seiner Glaubwürdigkeit. Jedes Geschäft ist in sich eigen; jetzt gehört Jean Frey einer Bank, dann irgendwelchen Investoren, da fehlt meiner Meinung nach der Respekt vor dem Geschäft der anderen. Mir käme es nie in den Sinn, eine Bank führen zu wollen. Es wurde einfach viel zu leicht viel zu viel Geld verdient. Das betrifft auch irgendwelche Verwaltungsräte, die in verschiedenen Firmen sitzen und das Gefühl haben, sie wüssten Bescheid, aber das ist oft nicht so.
Das ist ein Rundumschlag gegen Verwaltungsräte.
Sicherlich ist es manchmal sinnvoll, ein Mitglied im Verwaltungsrat zu haben, das nicht aus der Branche kommt, aber wenn einer das Gefühl hat, er könne in zehn Verwaltungsräten in verschiedenen Branchen sitzen, dann überschätzt er sich masslos. Es gibt ja den Spruch: In guten Zeiten sind Verwaltungsräte nutzlos, in schlechten hilflos.
Warum wendete sich Ihrer Meinung nach die BMG so urplötzlich von Ringier ab?
Ich möchte mich nicht näher auf die BMG einlassen, doch es ist wohl eine Panik ausgebrochen, und wir haben die Psychologie unterschätzt. Herr Hagemann hatte wohl das Gefühl, dass es gleich laufen würde wie beim Verkauf der Druckerei Winterthur, als man einen Preis festlegte, diesen dann aber stark senken musste, weil Löcher auftauchten. Es gab Probleme bei der Immobilienbewertung. Die Jean Frey ist aber ein anderer Fall. Trotzdem mussten wir natürlich während der Due Diligence einige Punkte auflisten, die wir hätten diskutieren müssen. Irgendwie schien aber Herrn Hagemann die Zeit davonzulaufen. Man hätte die Angelegenheit auch anders lösen können.


