28.05.2019

Schawinski vs. Balthus

Mehrere Medien brechen die Sperrfrist

Beim Ombudsmann ist der Ärger gross. «Ich bin stinksauer», so Roger Blum. Denn jetzt komme die Eigenleistung der Medien zu kurz. «Alle übernehmen einfach die SDA, die nicht den ganzen Schlussbericht, sondern vor allem das Fazit spiegelt», so Blum.
Schawinski vs. Balthus: Mehrere Medien brechen die Sperrfrist
Bei Keystone-SDA in Bern Wankdorf entstehen Nachrichten, die später auf fast allen Schweizer Newsportalen zu lesen sind. Dass alle Medien diesen Text übernehmen und dabei Eigenleistung zu kurz kommt, kritisiert Ombudsmann Roger Blum (links). (Bilder: zVg.; Keystone/Alessandro della Valle)
von Edith Hollenstein

«Schawinski verletzte Menschenwürde von Talkgast Balthus», meldeten am Dienstag mehrere Schweizer Onlinemedien. Diese News hätten sie eigentlich erst am Freitag verkünden dürfen. Doch weil Keystone-SDA ein kleiner Fehler unterlief, den sie trotz Bemühen nicht mehr rückgängig machen konnte, wurde diese Meldung drei Tage zu früh bekannt – noch bevor Salomé Balthus und die Beanstander über den Entscheid des Ombudsmanns informiert waren.

Bereits am Montagabend verschickte SRG-Ombudsmann Roger Blum seinen Schlussbericht zum Fall «Schawinski Balthus». Zehn Beanstandungen waren gegen die Sendung mit der Prostituierten eingegangen. Blum schrieb in seiner Mail in fetter und unterstrichener Schrift: «Sperrfrist Freitag, 31. Mai, um 14 Uhr».

Den Hinweis auf «Freitag» hatte die Schweizerische Depeschenagentur in ihrer Meldung an die Redaktionen schlicht vergessen. Nach Hinweisen versuchte sie, ihre Meldung zurückzurufen respektive zu stoppen (siehe Screenshots unten). Doch das gelang nicht.

Schlussbericht kommt per Post

Bluewin und Tagblatt.ch publizierten die entsprechende SDA-Meldung am Dienstag kurz nach 14 Uhr als erstes, löschten diese jedoch kurz darauf wieder. Doch das genügte, dass auch «Blick» und die NZZ sich entschieden, die Sperrfrist zu brechen – anschliessend weitere Medien, darunter auch persoenlich.com.


Beim Ombudsmann ist der Ärger gross. «Ich bin stinksauer», schreibt er auf Anfrage von persoenlich.com. Denn der Schlussbericht sei jetzt öffentlich, mehrere Tage bevor ihn die Beanstanderinnen und Beanstander in den Händen halten. Blum verschickt seinen Schlussbericht jeweils per Post.

Enttäuscht ist der Ombudsmann zudem, weil seine Rechnung mit der Sperrfrist nicht aufgegangen ist: «Was mich noch viel mehr stört, ist, dass wegen des Bruchs der Sperrfrist die Eigenleistung der Medien zu kurz kommt: Alle übernehmen einfach die SDA, die nicht den ganzen Schlussbericht, sondern vor allem das Fazit spiegelt», so Blum.

Keystone-SDA entschuldigte sich noch am Dienstag via Twitter für den Lapsus.



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Kommentare

  • Giuseppe Scaglione, 29.05.2019 10:12 Uhr
    Die Meldung hätte erst am Freitagnachmittag, zwischen Auffahrt und Wochenende veröffentlicht werden sollen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...Tja, dumm gelaufen! Aber für SRF wäre das jetzt eigentlich der richtige Zeitpunkt, diese überflüssige Sendung abzusetzen. Besser wird's nicht.
  • Klaus Bonanomi, 29.05.2019 07:50 Uhr
    Meine Wahrnehmung, zur Ehrenrettung der Medien: doch, Sperrfristen werden üblicherweise eingehalten. Insbesondere wenn sie wie im vorliegenden Fall begründet sind (Parteien haben Entscheid noch nicht bekommen). Wer wiederholt Sperrfristen von Behörden, Gerichten etc bricht, hat bald ein Problem.
  • Robert Weingart, 29.05.2019 07:04 Uhr
    In einet Zeit, in der Schnelligkeit und Klickzahlen bei gewissen Medien offenbar mehr zählen als Qualität braucht sowas nicht zu wundern.
  • Rodolfo Keller, 28.05.2019 17:48 Uhr
    Ein Vorgang, bei dem man nicht weiss, ob Peinlichkeit oder Naivität überwiegt. Dass bei einer Nachrichtenagentur in der zeitlichen Hetze Fehler passieren, ist normal. Nicht entschuldbar, aber eben normal. Wenn sich aber Redaktionen herausreden, wegen dem fehlenden «Freitag» in der Datumsvorgabe den Text trotz klarer Datumsangabe veröffentlicht zu haben, dann wird es peinlich. Sind diese Redaktoren nur fähig, ein Datum zusammen mit dem explizit genannten Wochentag zu verstehen? Ich wage die These (die mir sicher viel Kritik eintragen wird): Diesen Redaktionen ist die Vorgabe einer Sperrfrist schnurzegal. Ist nicht neu, gibt es, seit ich mich erinnern kann. Und das ist lange her. Aber jetzt gibt es noch den Absender der Nachricht: Roger Blum. Der ist noch etwas älter als ich, also eigentlich auch etwas klüger. Dass er trotzdem an die Einhaltung von Sperrfristen glaubt, lässt doch erheblichen Zweifel an seiner kommunikatorischen Kompetenz aufkommen. An Sperrfristen haben sich seriöse Medien (fast) immer gehalten – aber von denen gibt es nicht mehr so viele. Sollte Roger Blum diese Entwicklung entgangen sein, sollte er sich vielleicht mal einen Kommunikationsberater holen. Kluge Entscheide eines klugen Gremiums sind gut – aber sie müssen auch klug kommuniziert werden.
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