Am Dienstag gelangte ein neues Social-Media-Regelwerk für ORF-Mitarbeiter an die Öffentlichkeit, wie «Der Standard» berichtet. Irrtümlicherweise – der Stiftungsrat bekommt es erst am Donnerstag zu sehen.
Der Entwurf will, dass sich die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Meinungsäusserungen distanzieren. Wörtlich heisst es: Auf «öffentliche Äusserungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äusserungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und ‹Polemik› gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind», sei zu verzichten – auch im privaten Umfeld. Als Meinungsbekundung werden dabei nicht nur direkte Meinungsäusserungen gewertet, sondern auch Likes, Dislikes oder Retweets. Unterzeichnet ist es von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.
Reaktionen in den sozialen Medien liessen nicht lange auf sich warten. Viele Journalisten zeigten sich über den Entwurf empört. So twitterte etwa der oftmals polarisierende Nachrichtenmoderator Armin Wolf einen Auszug aus der europäischen Menschenrechtskonvention betreffend Meinungsfreiheit.
— Armin Wolf (@ArminWolf) 26. Juni 2018
Auch Anita Zielina, ehemals Leiterin digitale Produkte bei der NZZ äusserte sich sehr kritisch.
Neben der 1) juristischen Unhaltbarkeit und 2) dem absoluten Unverständnis von Social Media und 3) dem politischen Beigeschmack erstaunt mich 4) die Chuzpe, zu glauben, Arbeitnehmer seien Leibeigene die incl. ihre freien Zeit Firmeneigentum sind. #orf https://t.co/uem1MF49qm
— Anita Zielina (@Zielina) 26. Juni 2018
Satiriker Jan Böhmermann machte Generaldirektor Alexander Wrabetz darauf aufmerksam, dass er sich selbst nicht an diese Guidelines halte.
Wenn @ORF Generaldirektor Dr. Alexander @wrabetz mitbekommt, wie @ORF Generaldirektor Dr. Alexander @wrabetz mit seinen politischen Privatmeinungsretweets gegen die neuen @ORF „Social Media Regeln“ verstößt, gibts bestimmt Ärger von @ORF Generaldirektor Dr. Alexander @wrabetz! pic.twitter.com/iksVV3lXMb
— Jan Böhmermann (@janboehm) 26. Juni 2018
Wrabetz wiederum verteidigte den Entwurf mit Verweisen auf ähnliche Social-Media-Guidelines von BBC und «New York Times».
„... News staff should not:advocate support for a particular political party;express views for and against any policy which is matter of current party political debate;advocate any particular position on an issue of current public controversy or debate“BBC Editorial Guidelines
— Alexander Wrabetz (@wrabetz) 26. Juni 2018
Mit den Social-Media-Guidelines sollen Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen journalistischen Arbeitens garantiert werden, heisst es im Entwurf weiter. Forderungen in diese Richtung kommen von ÖVP und FPÖ seit Jahren, wie «Der Standard» schreibt.
Nun scheinen sich die rechtskonservativen Vertreter im Stiftungsrat um Präsident Norbert Steger (FPÖ) durchgesetzt zu haben – zumindest vorläufig. Denn Anweisungen dieser Art seien gegenstandslos, solange sie nicht mit dem dem Zentralbetriebsrat – der Belegschaftsvertretung – besprochen und verhandelt wurden, wie dessen Chef Gerhard Moser gegenüber dem «Standard» sagt. Er bezeichnet den Entwurf als «Kniefall» des Generaldirektors Wrabetz vor ÖVP und FPÖ. (maw)