29.04.2015

Piratenradio.ch

"Mittlerweile geht es nur noch um Luft-Moderationen"

Gründerin Shiva Arbabi über "verbotene" Musik und gutaussehende Hörer.
Piratenradio.ch: "Mittlerweile geht es nur noch um Luft-Moderationen"

Frau Arbabi, Piratenradio.ch feiert am Donnerstag den 5. Geburtstag. Was ist das für ein Gefühl?
Man merkt einmal mehr, wie die Zeit vergeht! Unglaublich.
 
Sie haben das Internetradio gegründet – hätten Sie damals Jahren gedacht, dass der Sender heute da steht, wo er jetzt steht?
Ziel war es, dass wir niemals aufgeben, egal was passiert. Da wir keine Investoren im Rücken hatten, fehlte es uns am Startkapital, das ich aus meiner eigenen Tasche beisteuern musste. Damals gab es noch nicht all diese vielen Crowdfunding-Plattformen. Heute kann man damit schneller Aufmerksamkeit und Unterstützung für sein Projekt bekommen. Aber irgendwann ist auch diese Möglichkeit ausgeschöpft und man steht wieder alleine da. Deshalb ist es für mich ein Geschenk, dass wir auch nach 5 Jahren den Kampfgeist nicht aufgegeben haben.
 
"Wir kriegen euch alle!“, lautet der Slogan Ihres Senders. Was hat er zu bedeuten?
Wir fanden den Spruch damals einfach witzig. Die herkömmlichen Radios machen Versprechungen wie 'Abwechslung Hoch 3' oder 'Der beste Mist äh Mix'. Wir wollten mit unserem Spruch die Leute etwas irritieren und provozieren.
 
Piratenradios sind ja per Definition verboten. Was ist an Ihrem Sender illegal?
Dank dem Internet sind wir nicht illegal. Aber die Musik, die wir spielen, ist sozusagen 'verboten', weil sie sonst kein bekanntes UKW-Radio spielt. Deshalb nennen wir uns Piratenradio.ch, damit die Leute gleich wissen, dass wir das Gegenteil von den anderen sind. Schon damals war der erste Piratensender Radio Caroline eine Alternative zum Monopol BBC und verbreitete neue Pop- und Rockmusik, die der Staatssender nicht spielen wollte. Erst durch diesen Piratensender wurden Bands wie die Rolling Stones bekannt.
 
Guiseppe Scaglione mit "my105" ein neues Webradio angekündigt – eine App- und eine Desktopversion, genau wie Piratenradio.ch. Könnte er Ihnen Hörer streitig machen?
Hörer wird er uns bestimmt keine streitig machen, er wird sich höchstens wieder mit jemandem streiten (lacht).
 
Sie waren selbst bei mehreren Privatradios tätig und sind nun nach eigenen Aussagen froh, dort weg zu sein. Was ist so schlimm an der Arbeit dort?
Es war mir verboten, über Musik zu sprechen. Als Moderatorin durfte ich mich nicht einbringen. Auch konnte ich nichts an der Playlist ändern. Wehe man fingerte daran rum und veränderte den Ablauf, dann wurde man gleich zum Musikchef zitiert. Wo bitte soll man über Musik reden, wenn nicht im Radio? Ich dachte, dass gehöre zu meinen Aufgaben. Mittlerweile geht es nur noch um Staumeldungen, Wetter und heisse Luft-Moderationen. Auf das hatte ich einfach keinen Bock mehr.
 
Sie wollen sich musikalisch klar vom Mainstream abheben. Wie tun Sie das?
Mainstream geht mit der Masse. Wir folgen dem Geschmack und entdecken neue Musik oder spielen alte Klassiker wie Johnny Cash oder The Ramones. Im Vergleich zu früher gibt es heute viel mehr Musik. Es ist also ein Widerspruch, dass man am Radio ständig die gleichen Songs hört und als Hörer das Gefühl bekommt, es gebe nur eine Handvoll Musiker wie Rihanna oder David Guetta. Und weil diese sogenannten Musiker ständig mit den gleichen Komponisten arbeiten, klingen sie auch alle gleich.
 
100’000 Menschen hören im Monat Piratenradio.ch. Das ist ja schon fast wieder Mainstream.
Das zeigt nur, dass unsere Musik gehört werden will. Man vergisst, dass viele Leute gar kein Radio mehr hören, weil es ihnen so auf den Sack geht. Das zeigen auch die aktuellen Hörerzahlen. Wir konnten offenbar einige diese Leute ansprechen und ihnen ein Radio bieten, das sie nicht in den Wahnsinn treibt.
 
Am Donnerstag stossen Sie im Kinski auf das Jubiläum an. Was ist dort zu erwarten?
Zwei grossartige Bands: Tobey Lucas wird mit seiner Band für glasige Blicke unter den weiblichen Anwesenden sorgen. Der Mann aus Wiedikon, Tennesse bringt den Country nach Zürich. Fans von Ryan Adams oder Jack White werden begeistert sein. Und dann spielen noch Roy & The Devil‘s Motorcycle aus Bern, die zuletzt den Soundtrack zum Hell’s-Angels-Biopic 'Tino – Frozen Angels' eingespielt haben.
 
Auch eure Hörer sind eingeladen. Wie sieht der typische Hörer von Piratenradio.ch aus?

Lustigerweise werde ich tatsächlich nach unseren Partys jeweils darauf angesprochen, was wir für hübsche Hörer haben. Vielleicht macht ein guter Musikgeschmack sexy? Am besten gleich ausprobieren.
 
Wo steht Piratenradio.ch in fünf Jahren?
Ich heisse Shiva nicht Mike Shiva. Keine Ahnung wo wir dann stehen. Vielleicht auf dem Mond und senden von da aus. Unser Logo würde sich bei Vollmond übrigens sehr gut machen.

Interview: Michèle Widmer

BIld: Adrian Portmann



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