Die Bundesrichterinnen und Bundesrichter hielten fest, dass die SRG einen öffentlichen Auftrag des Staates hat und somit an die Grundrechte gebunden ist. Mit der Löschung des Kommentars habe die SRG in die Meinungsfreiheit der Betroffenen eingegriffen. Deshalb müsse ein Rechtsweg offenstehen, wie es die Rechtsweggarantie vorsehe. Die Ombudsstelle SRG muss darüber entscheiden, ob die Löschung eines Kommentars zu kostenlosen Corona-Tests auf dem Instagram-Account von SRF News rechtens war. Dies hat das Bundesgericht in einer öffentlichen Beratung entschieden. Nur so sei eine wirksame Rechtsweggarantie gewährleistet.
Im konkreten Fall schrieb eine Frau zum 2021 veröffentlichten SRF News-Beitrag «Deutschland schafft kostenlose Corona-Tests ab», dass sie sich das Gleiche für die Schweiz wünsche. Sie sei bisher gut ohne einen Test oder eine Impfung ausgekommen.
Die Redaktion löschte den Beitrag, weil sie der Auffassung war, dass er die Regeln für das soziale Kommunikationsverhalten verletze - die sogenannte Netiquette. Die Schreiberin beanstandete die Löschung zunächst bei der Ombudsstelle SRG. Diese fühlte sich jedoch nicht zuständig. Der gleichen Auffassung war die in der Folge angerufene Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI).
Das Bundesgericht musste vorliegend nicht über die Löschung des Kommentars oder dessen Inhalt entscheiden. Vielmehr ging es darum zu klären, ob die Ombudsstelle SRG gemäss dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) überhaupt zuständig für die Beanstandung ist oder ob die Beschwerdeführerin sich nicht an ein Zivil- oder Strafgericht hätte wenden müssen.
Die Mehrheit des Richtergremiums kam zum Schluss, dass vor einem Zivil- oder Strafgericht gar kein geeignetes Rechtsmittel geltend gemacht werden könne. Die Löschung eines Kommentars sei keine Persönlichkeitsverletzung und eine betroffene Person werde auch nicht in ihrer Ehre verletzt.
Das Bundesgericht schloss auf die Zuständigkeit der Ombudsstelle, auch wenn dies einer Auslegung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des RTVG bedurfte. Das Gericht hat den Entscheid der Vorinstanz - die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen aufgehoben und den Fall zur inhaltlichen Beurteilung an die Ombudsstelle zurückgewiesen. (sda/wid)
Kommentare
-
Volker Birk, 01.12.2022 14:27 Uhr
In einer Zeit, in der mehr und mehr Leute totalitären Ideen anhängen, dass sie alles gelöscht sehen möchten, was nicht ihrer eigenen Meinung entspricht, ist dieses Urteil wohltuend. Es geht ja nicht darum, ob die Antragstellerin inhaltlich mit ihrem Kommentar richtig liegt. Sondern es geht darum, dass es möglich sein muss, eine Diskussion zu führen, auch wenn die vorherrschende Meinung ist, die Antragstellerin sei etwa inhaltlich im Irrtum. Man muss auch eine andere Meinung aushalten können. -
Marco Vonthal, 30.11.2022 09:01 Uhr
Absurder geht fast nicht mehr. Jede:r findet seine Meinung so weltbewegend, dass auch noch ein Bundesgericht über "Nichts" befinden muss. Den Verursachern müsste man auch die Kosten überwälzen, damit solche Leerläufe vermieden werden. Und SRF wünsche ich, dass sie Regelverstösse weiterhin und ohne Gewissensbisse konsequent löscht.