29.05.2018

Umzug Radiostudio Bern

Politiker fordern Kompetenzzentrum in Bern

Mitglieder der Kantons- und Stadtregierungen der Hauptstadtregion haben sich am Montag vor den Medien klar gegen die Umzugspläne der SRG ausgesprochen und verlangen die Stärkung des Standorts Bern. Entschieden sei noch nichts, kontert die SRG.
Umzug Radiostudio Bern: Politiker fordern Kompetenzzentrum in Bern
Gelangen mit einer Forderung an die SRG: Bernhard Pulver, Regierungspräsident des Kantons Bern (r.) und Christophe Darbellay, Staatsrat Kanton Wallis (l.) während der Medienkonferenz im Rathaus in Bern. (Keystone/Peter Klaunzer)

Die Absicht der SRG, ihre Radioabteilung aus Spargründen von Bern nach Zürich zu verlegen, sorgt weiter für Unmut. Politiker aus Stadt und Kanton Bern sowie aus weiteren Kantonen der Hauptstadtregion kritisieren die Umzugspläne der SRG heftig. Gerade in Zeiten, von Konzentrationsbestrebungen privater Medienhäuser müsse die SRG ihre Stärke der Verankerung in allen Landesteilen ausspielen, betonte der bernische Volkswirtschaftsdirektor Christoph Ammann am Montag vor den Medien.

Regierungspräsident Bernhard Pulver befürchtete, dass ein Abzug des SRG-Radiostudios aus Bern «praktisch nur Verlierer hinterlässt». Leiden würde die Qualität der Medien, die Mitarbeitenden, Bern als Politzentrum, aber auch andere Sprachregionen. «Das Bewusstsein für unser mehrsprachiges und stark föderalistisch organisiertes Land ist in der Hauptstadtregion durch die sprachliche und kulturelle Vielfalt besonders ausgeprägt», betonte Pulver. Eine noch stärkere Konzentration des öffentlichen Medienhauses in Zürich sei nicht im Sinne der föderalistischen Schweiz und widerspreche dem Service-Public-Gedanken und der vielzitierten «Idée Suisse».

Mitten im Politgeschehen

Statt einer Konzentration in Zürich brauche es eine Stärkung des Standortes Bern, forderten Pulver und Ammann. Die SRG solle in der Bundesstadt ein Kompetenzzentrum Information inklusive Forschung und Entwicklung einrichten, analog zum Zentrum Fernsehen in Zürich und dem Zentrum Kultur in Basel. Schützenhilfe erhielten die beiden Berner Regierungsräte vom Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried, vom Freiburger Ständerat Beat Vonlanthen, vom Walliser Staatsrat Christophe Darbellay und vom Freiburger Stadtammann Thierry Steiert.

Im Abstimmungskampf gegen die No-Billag-Initiative sei die Verankerung der SRG in allen Landesteilen ein starkes Argument gewesen, sagte Vonlanthen. Durch das deutliche Nein der Stimmbevölkerung zur Initiative sei eine weitere SRG-Konzentration in Zürich ein «no go». «Die SRG stand bisher für fundierte redaktionelle Recherchen aus der Deutschschweiz - und nicht für zentralistische Denkweise. Das wurde von der Stimmbevölkerung entsprechend unterstützt», betonte Vonlanthen, der auch Co-Präsident der parlamentarischen Gruppe Hauptstadtregion Schweiz ist.

Nationaler Zusammenhalt

Der Freiburger Stadtammann hob die Bedeutung der Hauptstadtregion als Brücke zwischen den Sprachregionen hervor. «Die SRG hat einen politischen Auftrag, die sprachliche und kulturelle Vielfalt zu berücksichtigen (...)», betonte Steiert. Beim Verbleib des Radiostudios in Bern gehe es nicht um eine reine Standortfrage, sondern um eine Frage des nationalen Zusammenhalts.

Staatsrat Christophe Darbellay befürchtete, dass durch eine Konzentration der Information am Standort Zürich die Berichterstattung über entferntere Landesteile hinten anstehen müsste. «Bern ist für uns Walliser das Tor zur 'Üsserschwiiz'», sagte Darbellay. Eine Konzentration der Informationsabteilung in Zürich würde zu einer Nivellierung und Verarmung des SRG-Journalismus führen, befürchtete der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried. Es drohe die Gefahr, dass auf allen SRG-Kanälen gleiche Inhalte gesendet würden.

Stadt und Kanton Bern bekräftigten einmal mehr ihr Angebot, mit der SRG nach einem Standort in Bern zu suchen, der genügend Platz bietet. Die SRG hat heute in Bern zwei Standorte: die Generaldirektion an der Giacomettistrasse und das Radiostudio an der Schwarztorstrasse. Im Raum Schwarztorstrasse wäre eine Konzentration der beiden Standorte möglich, sagte von Graffenried.

Nebst einschneidenden Folgen für das Personal sprächen auch wichtige publizistische und politische Gründe gegen einen Umzug der Radioinformation von Bern nach Zürich, schreiben die Gewerkschaften SSM und syndicom sowie der Berufsverband impressum - Sektion Bern in einer Mitteilung vom Montag. Eine Konzentration der nationalen Redaktionen auf den Standort Zürich stehe im Widerspruch zum Auftrag der SRG den föderalistischen und regionalen Realitäten in der Schweiz Rechnung zu tragen.

Die SRG hatte im April bekannt gegeben, sie erwäge aus Kostengründen die Verlegung des Radiostudios Bern nach Zürich. Dem Verein Hauptstadtregion Schweiz gehören die fünf Kantone Bern, Neuenburg, Freiburg, Solothurn und Wallis sowie zahlreiche Gemeinden an. Der Verein will die Hauptstadtregion Bern als Politzentrum stärken und sie als gleichwertiger Raum zwischen den Metropolitanräumen Zürich, Basel und dem Genferseebogen positionieren. 

Noch nichts entschieden

Entschieden ist noch nichts. Die SRG führe momentan – wie angekündigt – eine «komplexe, aber auch sehr professionelle Analyse bezüglich Optimierung ihrer Standorte» durch, teilte die SRG-Medienstelle auf Anfrage mit. Diese Analyse ist noch im Gang. Das Thema beinhaltet laut SRG eine wirtschaftliche aber auch eine professionelle, berufliche Dimension. Einerseits muss die SRG 100 Millionen sparen. Dazu sollen die Ausgaben in den Bereichen Infrastruktur, Produktion, Verwaltungskosten, technische Investitionen, Vertrieb etc. reduziert werden. Auch Gebäude und Immobilien fallen in diese Kategorie. Aus diesem Grund untersuche das Unternehmen alternative Standorte und Optimierungsmöglichkeiten für seine Aktivitäten in allen Regionen, heisst es bei der SRG.

Bei der beruflichen Dimension verweist die SRG auf Produktionsprozesse, die sich laufend weiter entwickelten. So verschieben sich etwa die Grenzen zwischen den verschiedenen Medien (Radio, Fernsehen und Internet). Das Publikum habe heute andere Erwartungen und Ansprüche. Die SRG müsse sich auf diese Entwicklungen einstellen und ihre Organisations- und Produktionsmodelle zwischen Radio-, TV- und digitalen Angeboten überprüfen und optimieren, im ganzen Land und in allen Bereichen. Die journalistische Qualität, die regionale Verankerung und der Respekt für die Vielfalt blieben dabei essentiell für die SRG, teilte das Unternehmen weiter mit. Ende Juni soll im SRG-Verwaltungsrat eine erste Diskussion stattfinden. (sda/wid)



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