Mitarbeitende von CH Media kritisieren in einem Brief die sehr überraschende Umsetzung bei der Einstellung der Today-Portale (persoenlich.com berichtete). Der Brief, der am Donnerstagabend an Geschäftsleitung und Verwaltungsrat ging und von rund 170 Mitarbeitenden unterzeichnet wurde, bemängelt insbesondere die fehlende Kommunikation im Vorfeld der Abschaltung.
«Dieser Brief bringt den Unmut der Unterzeichnenden zum Ausdruck, auf welche Art und Weise CH Media die Einstampfung der Today-Portale umgesetzt und kommuniziert hat», heisst es in dem Schreiben, das persoenlich.com vorliegt. Während Kaderpersonen erst einen Tag vor der Abschaltung informiert wurden, erfuhren die übrigen Mitarbeitenden von der Einstellung der Portale sogar erst am Dienstag während der laufenden Abschaltung. Dies zeuge von «fehlendem Vertrauen in die Arbeitnehmenden» und sei ein Vorgehen, das sich durch «keine zeitliche Dringlichkeit rechtfertigen lässt».
Keine Kritik an unternehmerischer Entscheidung
Die Unterzeichnenden betonen dabei ausdrücklich, dass sie nicht die unternehmerische Entscheidung an sich kritisieren. Vielmehr sehen sie einen Widerspruch zwischen dem Vorgehen und den erst kürzlich kommunizierten Unternehmenswerten. Ende Oktober hatte CH Media in einem Imagefilm unter anderem «Ehrlichkeit», «Respekt», «Offenheit» oder «Mut» als neue Werte verkündet. Mit der «unmittelbaren, unangekündigten Top-down-Abschaltung» habe die Geschäftsleitung all diese Werte verletzt, heisst es im Brief.
Die abrupte Vorgehensweise habe zudem praktische Folgen: Die verbleibenden Mitarbeitenden an den Standorten müssten nun einen «Scherbenhaufen» bereinigen – von der Zusammenarbeit zwischen den Geschäftsbereichen Publishing und Entertainment bis zur Bewirtschaftung von Telefon und TV-Webseiten. Weiter in die Details geht das Schreiben nicht. Doch: Diese Auswirkungen hätten sich «durch einen zeitlichen Vorlauf definitiv minimieren lassen».
Der Brief stellt keine konkreten Forderungen, appelliert aber an die Unternehmensführung: «Der erste Schritt für eine erfolgreiche unternehmerische Zukunft ist ein respektvolles Miteinander. Die Aktion am Dienstag war das Gegenteil davon.»
Einladung zum runden Tisch
Bereits am Donnerstagnachmittag verschickte Florian Wanner, Leiter Regionale Elektronische Medien, den Mitarbeitenden von TV Regional und Radio eine Einladung zu einem runden Tisch. «Der vergangene Dienstag war für uns alle ein belastender Tag, und die Entscheidung, die Today-Plattformen einzustellen, hat uns betroffen gemacht», heisst es in einer E-Mail.
Wanner zeigt darin Verständnis, dass durch die Schliessung «Fragen und Unsicherheiten» entstanden seien. An den Standorten Aarau, Bern, Luzern, Rotkreuz, Solothurn, St. Gallen und Zürich soll der Entscheid demnächst «gemeinsam» eingeordnet werden.
«Eklatanter Mangel»
Am Dienstag wurde bekannt, dass CH Media seine sechs regionalen Today-Portale per sofort einstellt, was zu 34 Kündigungen führte. Trotz steigender Reichweiten seien die notwendigen Umsätze nicht erreicht worden. Die Mediengewerkschaft Syndicom bezeichnete die geheime Konsultation als «No-Go» – im Brief wurde dieser Punkt ebenfalls aufgegriffen. Auch soeben gekündigte Mitarbeitende von verschiedenen Portalen, darunter PilatusToday und FM1Today, übten öffentlich scharfe Kritik am Vorgehen der Geschäftsleitung.
Am Donnerstag meldeten sich auch die Jungen Journalistinnen & Journalisten Schweiz (JJS) zu Wort. «Wenige Monate nach dem massiven Abbau bei Tamedia müssen junge Journalistinnen und Journalisten erneut miterleben, wie ihre Kolleginnen und Kollegen auf die Strasse gestellt werden», heisst es in einem LinkedIn-Post. Für JJS sei klar, dass unternehmerische Entscheide die Interessen des Branchennachwuchses berücksichtigen müssen. Sonst drohe bald ein «eklatanter Mangel an fähigen und motivierten» Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
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15.11.2024 08:32 Uhr