23.01.2025

Tamedia

Regierungsrat rügt BZ und Bund

Die Berner Kantonsregierung übt harte Kritik am Bund und an der Berner Zeitung. Sie sollen einen Polizeieinsatz in Bern wider besseres Wissen viel gefährlicher dargestellt haben als er gewesen ist. Die Regierung stuft die Berichterstattung in einem neuen Bericht als «irreführend und vorverurteilend» ein.
Tamedia: Regierungsrat rügt BZ und Bund
Rechtsanwalt Manuel Bertschi (links) und Regierungsrat Philippe Müller präsentieren in Bern die Expertise zur umstrittenen Medienberichterstattung über eine Polizeikontrolle. (Bild: Keystone/Alessandro della Valle)

Das schreibt die Regierung in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht, den das Kantonsparlament mit den Stimmen der bürgerlichen Mehrheit in Auftrag gegeben hatte. Die Berichterstattung in den Tamedia-Blättern hatte 2021 hohe Wellen geworfen.

Laut Regierung war sie in wichtigen Punkten «irreführend und vorverurteilend». Sie stützt sich dabei auch auf die Einschätzung des von ihr beauftragten Medienjuristen Manuel Bertschi.

Die Berichte drehten sich um eine Polizeikontrolle, bei der ein widerspenstiger Mann zu Boden geführt wurde. Zufällig anwesende Medienschaffende schilderten den Vorfall. Sie erinnerten dabei an den Fall George Floyd, der bei einem Polizei-Einsatz in den USA ums Leben kam (persoenlich.com berichtete).

Der Vergleich sei deplatziert, schreibt die Regierung. Im Berner Fall habe zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr bestanden. Die Zeitungen hätten unter anderem die kurze Dauer der Fixierung unterschlagen und das Archivzitat eines Experten in einen falschen Kontext gestellt. Zudem sei der betroffene Polizist ungenügend verpixelt worden.

Die Chefredaktion von Bund und BZ wies die Vorwürfe am Donnerstag erneut zurück. Eine unmittelbare Gleichsetzung mit dem Fall Floyd sei nicht gemacht worden. Beim Zitieren und Verpixeln habe man die handwerklichen Regeln eingehalten.

Problematische Leserkommentare

Ein Fehler sei die Freischaltung von teilweise problematischen Leserkommentaren gewesen. Dafür habe man sich bereits früher entschuldigt, schrieb die Chefredaktion in einer Stellungnahme, die der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegt.

Der Bericht der Regierung kommt im Juni im Grossen Rat zur Sprache. Der Schweizer Presserat hat sich nicht mit dem Thema befasst. Die bernische Sicherheitsdirektion hat die Beschwerdefrist ungenutzt verstreichen lassen. Während eines laufenden Strafverfahrens wäre dies grundsätzlich heikel, hiess es als Begründung.

Freispruch vor Gericht

Der Polizist, der den Mann zu Boden brachte, wurde mittlerweile rechtskräftig vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Tätlichkeit freigesprochen.

Zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz und Genugtuung hätte der betroffene Polizist geltend machen müssen. Darauf hat dieser verzichtet. Der Regierungsrat schreibt, er könne die Tamedia-Gruppe nicht zu einer persönlichen Entschuldigung zwingen. Er halte eine solche aber für angebracht.

Vor Obergericht hängig ist ein weiteres Strafverfahren gegen einen anderen Polizisten, der den Mann unsanft ins Polizeifahrzeug gebracht haben soll. Auch darüber berichteten die Zeitungen. Diesen Teil der Berichterstattung untersuchte die Regierung nicht, weil er keinen vergleichbaren Medienwirbel ausgelöst habe.

Vorgehen der Regierung «unüblich»

Bund und BZ betonen in ihrer Stellungnahme, sie hätten im Rahmen der Untersuchung alle Fragen umfassend beantwortet. Sie wollten zu einem besseren Verständnis der Medienarbeit beizutragen.

Der Regierungsrat handle unüblich und ohne gesetzliche Grundlage, wenn er die Arbeit eines privaten Medienunternehmens quasi aufsichtsrechtlich kontrolliere. Die Frage sei, ob das Vorgehen vereinbar sei mit der verfassungsmässig garantierten Medienfreiheit.

Die Regierung beruft sich darauf, einen Auftrag des Parlaments erfüllt zu haben. Die Richtigstellung sei im öffentlichen Interesse erfolgt, betonte Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) vor den Medien. Sie schütze auch den Polizisten, der zu Unrecht medial in die Nähe eines schweren Gewaltverbrechens gerückt worden sei. Der Kanton habe eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Angestellten.

Der Bericht der Regierung hat Kosten von maximal 40'000 Franken verursacht, wie Müller auf Anfrage sagte. Hinzu kommen für den Kanton Gerichtskosten von 20'000 Franken für den freigesprochenen Polizisten und ein etwas grösserer Betrag für die Prozesskosten des zweiten Polizisten.

SVP und FDP sehen Medien in der Verantwortung

Für die bernische FDP und die SVP steht aufgrund des Regierungsberichts fest, dass BZ und Bund tendenziös und vorverurteilend über einen Polizei-Einsatz berichtet haben. Das geht aus Communiqués der beiden Parteien vom Donnerstag hervor.

Die FDP-Grossratsfraktion forderte die beiden Redaktionen auf, ihre Fehler einzugestehen und Massnahmen zu ergreifen, um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Nur so könne die Presse ihre wichtige Rolle als Hüterin der Demokratie wahrnehmen.

Auch die SVP hofft, dass Tamedia die Lehren aus dem Vorfall ziehe und einseitiges Framing künftig vermeide. Sie begrüsste zudem die jüngsten Bemühungen der Redaktion, mehr Ressourcen für die Bearbeitung der Kommentare freizuspielen.

Es sei zu hoffen, dass damit auch in den Kommentarspalten wieder politische Ausgewogenheit und Fairness herrsche. Alle Meinungen, welche die Netiquette wahrten, sollten Platz haben. (sda/cbe)


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