22.08.2001

Schawinski gibt auf

Wenn die Einladung zur Medienkonferenz gerade mal zwei Stunden vor Termin bei den Redaktionen eintrifft, hat das seinen Grund: Nach monatelangen Verhandlungen gibt die Tamedia (im Bild VR-Präsident Hans-Heinrich Coninx l. und CEO Michel M. Favre r.) die Übernahme von TeleZüri und Radio 24 von Roger Schawinski (M.) bekannt. Für die 100-prozentige Akquisition der Belcom Holding AG blättert die Tamedia netto 92 Millionen Franken hin. Auf der Strecke bleiben rund 80 Stellen – hauptsächlich beim nationalen Fernsehen Tele 24 –, das den Betrieb Ende November einstellen wird. Die Details:
Schawinski gibt auf

Roger Schawinski schliesst – wie er selber sagt – ein Kapitel ab und verkauft zusammen mit der Credit Suisse First Boston (CSFB) Private Equity sämtliche Aktien der Belcom Holding AG für 92 Millionen Franken an die Tamedia. Diese übernimmt damit Radio 24, die TeleZüri AG, die Belcom AG (Werbeakquisition) und die Takeoff-Communications AG – vorbehältlich der Zustimmung der Wettbewerbskommission und des Bundesamts für Kommunikation (Bakom). Zumindest laut Michel M. Favre, CEO der Tamedia, dürfte das Formsache sein: "Wir gehen davon aus, dass die nötigen Entscheide in Bern und Biel rasch und bestimmt gefällt werden", erklärt er an der Medienkonferenz und betont, dass sich die Tamedia von Anfang an ausschliesslich für TeleZüri und Radio 24 interessiert habe. Weiterhin bei Schawinski bleiben damit die Marken Tele 24 und Money 24.

Dem Zürcher Medienpionier steht die Belastung ins Gesicht geschrieben, 22 Jahre nach dem Start auf dem Pizzo Groppero, sieben Jahre nach TeleZüri und ziemlich genau drei Jahre nach dem Anfang von Tele 24 sein Lebenswerk zu verkaufen. Er führt wirtschaftliche, politische und persönliche Gründe an, welche diesen folgenschweren Schritt ausgelöst haben.

Hans-Heinrich Coninx, VR-Präsident der Tamedia, tröstet Schawinski vor versammelter Presse: "Roger, Du hast heute einen wichtigen Schritt gemacht, in dem Du uns Dein Werk verkauft hast. Ich bin dankbar für diesen Entscheid. Wir werden dem, was Du aufgebaut hast, grosse Sorge tragen." Radio 24 sei, so Coninx, sehr profitabel, bei TeleZüri könne mindestens der Break-even erreicht werden. Nichtsdestotrotz sind laut Schawinski rund 80 Belcom-Stellen, die hauptsächlich auf den Bereich von Tele 24 fallen, vom Deal betroffen. Der Sender werde Ende November seinen Betrieb einstellen. Wenigstens 68 Vollstellen sichert die Tamedia. Aus dem Verkaufserlös bezahlen Schawinski und die CSFB Private Equity - letztere habe mit ihrem Engagement einen Gewinn realisieren können - die Schliessungskosten. Zudem lässt Schawinski seine Mitarbeitenden, die teils enorme Arbeitspensen leisten mussten, am Erlös beteiligen und bezahlt pro Dienstjahr 4000 Franken oder für die insgesamt rund 200 Angestellten einen Totalbetrag von vier bis fünf Millionen Franken.

Selbstverständlich sei die Belcom auch bereit, bei der Suche nach Arbeitsplätzen zu helfen. Ob ein Teil der Angestellten bei TV3 landen könnte, entscheidet eine kurzfristig einberufene Arbeitsgruppe um Kurt W. Zimmermann und TV3-Boss Jürg Wildberger. Schawinski schliesst ein Comeback sowohl als Talkmaster als auch als Financier nicht aus. Rückblickend spricht er davon, dass es "nicht ganz einfach" war, gleichzeitig vier bis fünf Mal pro Woche eine Talk-Sendung und 200 Mitarbeiter zu führen. Enttäuscht meint er: "Obwohl Tele 24 eine Million Zuschauer pro Tag hatte, respektiere ich den Entscheid der Tamedia, den Sender nicht zu übernehmen. Damit fällt die Schweiz ins Informationsmonopol der SRG, was ich zutiefst bedauere. Die Rechte der Marken Money 24 und Tele 24 bleiben bei mir, und falls das RTVG 2004 für die Privaten eine faire Bedingung schafft, bin ich bereit, Tele 24 neu zu lancieren. Ein Grossteil des Verkaufserlöses habe ich dafür reserviert." Der 56-Jährige nützt denn auch die Medienpräsenz aus, um erneut auf die Problematik bei der Revision zum RTVG hinzuweisen und ist überzeugt: "Im regionalen Fernsehbereich gibt es andere Sender, die viel mehr Probleme als wir haben. Vielleicht bin ich der Anfang einer Welle von Schliessungen, weil ziemlich schwierige Zeiten auf uns zukommen werden." Er selbst werde – ist die Transaktion abgeschlossen – zusammen mit seiner Familie ein paar Monate ins Ausland gehen. Nach wie vor sei er auch bereit, für eine liberale Medienordnung zu kämpfen und werde dazu vor allem mit bürgerlichen Parteien sprechen. Medienminister Leuenbergers lakonischer Kommentar zur jüngsten Entwicklung auf SF DRS 1: "Das habe ich vorauskommen sehen."



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