15.02.2024

SRF

So beurteilt Karpi die neuen KI-Guidelines

Die Publizistischen Leitlinien zum Thema künstliche Intelligenz hätten früher kommen sollen, kritisiert Patrick Karpiczenko. Grundsätzlich findet er die neuen Regeln «gewissenhaft und vernünftig». Der Satiriker und KI-Experte hat für persoenlich.com die Leitlinien unter die Lupe genommen.
SRF: So beurteilt Karpi die neuen KI-Guidelines
«Grundsätzlich wirken die Richtlinien und Handlungsanweisungen sehr gewissenhaft und vernünftig», so Autor und Satiriker Patrick «Karpi» Karpiczenko, hier letzte Woche am Communication Summit. (Bild: Stefan Weiss)

SRF hat die Publizistischen Leitlinien um ein neues Kapitel ergänzt: Neu wird der Umgang mit der künstlichen Intelligenz (KI) geregelt. Ergänzend dazu gibt es auch spezifische Handlungsanweisungen, die regelmässig aktualisiert und weiterentwickelt werden sollen (persoenlich.com berichtete). «In der Erarbeitung wurden bereits veröffentlichte KI-Prinzipien anderer Unternehmen untersucht und Fachleute von SRF einbezogen. So wurde eine für ein öffentliches Medienhaus sinnvolle Regelung erstellt», heisst es bei SRF auf Anfrage.

Zwar ändere sich aufgrund der neuen Regeln nichts an den grundlegenden journalistischen Prozessen und Haltungen. «Da das Thema KI aber noch relativ neu ist im journalistischen Alltag, braucht es eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema – und hierfür bieten die KI-Handlungsanweisungen eine gute Orientierung», so die SRF-Medienstelle.

Satire geniesst einen «Sonderstatus»

Für persoenlich.com hat sich Autor und Satiriker Patrick Karpiczenko intensiv mit den neuen Publizistischen Leitlinien und den KI-Handlungsanweisungen auseinandergesetzt. Karpi, wie er in der Öffentlichkeit vor allem bekannt ist, befasst sich schon seit Jahren mit künstlicher Intelligenz und wird immer wieder als Speaker gebucht. Auch ist er Teil des Advisory Boards von AlgorithmWatch Schweiz. Die Menschenrechtsorganisation setzt sich dafür ein, dass Algorithmen und künstliche Intelligenz Gerechtigkeit, Demokratie und Nachhaltigkeit stärken. An der Ausarbeitung der SRF-Leitlinien hat er nicht mitgearbeitet.

«Grundsätzlich wirken die Richtlinien und Handlungsanweisungen sehr gewissenhaft und vernünftig», findet Karpi. Aber: «Schade ist, dass die neuen Richtlinien erst jetzt kommen. Alle Punkte wären bereits vor anderthalb Jahren absehbar gewesen.»

Bereich Video folgt erst noch

Dass der Bereich Video und der Einsatz von KI für fiktionale Inhalte wie Filme oder Serien noch komplett ungeregelt sei, wundert Karpi. Bei SRF heisst es hierzu auf Nachfrage: «Die Handlungsanweisungen decken heute noch nicht alle Themen ab, die wir dereinst behandeln möchten. Wir haben uns aber bewusst dazu entschieden, nicht mehr länger zu warten und das Dokument bereits jetzt mit den Themen Text, Bild und Audio zu publizieren. Weitere Themen wie zum Beispiel Video werden wir bald hinzufügen.»

Hingegen begrüsst Karpi, dass sogar der Umgang mit Sonderfällen – wie Fotos, die mit KI nur bearbeitet oder modifiziert wurden – sinnvoll geregelt werde. Und: «Dass Satire und Experimente einen Sonderstatus geniessen, begrüsse ich. Ich hätte es nicht besser schreiben können.» Tatsächlich heisst es in den Handlungsanweisungen wörtlich: «Satire ist eine Darstellungsform, mit welcher insbesondere Personen, Ereignisse oder Missstände in überspitzter Form durch Über- oder Untertreibungen ins Lächerliche oder Absurde gezogen werden. Als Kunstform gelten für sie gemäss den Publizistischen Leitlinien von SRF besondere Regeln.» Es sei denkbar, dass zu den bisherigen Möglichkeiten wie Karikaturen, Bild- und Fotomontagen Bildmontagen mit KI-Unterstützung zum Einsatz kommen können. Sofern die Bilder klar überspitzt dargestellt würden, müssten diese auch nicht speziell gekennzeichnet werden.

«Das ist fahrlässig»

Auch zu publizierende Texte, die mit Unterstützung von KI erstellt wurden, «müssen im Regelfallfall nicht deklariert werden», heisst es in den Publizistischen Leitlinien. Dies begrüsst Karpi: «Das widerspiegelt die Realität. Anders liesse sich gar nicht arbeiten, beziehungsweise müsste jeder Text irgendwann als ‹KI-Text› gekennzeichnet werden.»

Hingegen stört sich Karpi an der Tatsache, «dass KI-generierte Musik nicht gekennzeichnet werden muss und nicht als potenziell gefährlich bewertet wird». Dies sei fahrlässig. «In den nächsten Monaten werden wir via TikTok und Spotify überschwemmt von komplett KI-generierten Musikstreams. Und wenn SRF da nicht dagegenhält, werden mindestens die Schweizer Musikschaffenden ihre Probleme damit haben.»

Apropos Audio: In den KI-Handlungsanweisungen heisst es, dass künstlich generierte Stimmen «nicht als Ersatz für Moderator:innen, Sprecher:innen oder Redaktor:innen zum Einsatz» kommen. «Das ist löblich und strategisch spannend, auch in Anbetracht der kommenden Halbierungsinitiative – gerade weil private und ausländische Konkurrenten weniger Gewissensbisse haben und garantiert künstliche Stimmen einsetzen werden und damit weitaus günstiger senden können als die SRG», so Karpi. Wenn ausländische Medien plötzlich auf Schweizerdeutsch senden, werde es spannend.

Aufgefallen ist Karpi auch ein Punkt, der spezifische KI-Applikationen thematisiert. In den Handlungsanweisungen heisst es: Mit nicht geprüften KI-Anwendungen dürfen zu Publikationszwecken keine Bilder, Videos, Audios und Musikstücke generiert werden. Grund: Unkalkulierbares Haftungsrisiko wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen.» Als Beispiele für nicht geprüfte KI-Anwendungen werden ChatGPT, Google Bard, Jasper oder Midjourney aufgeführt. «Schade ist, dass nicht kommuniziert wird, welche Applikationen als ‹sicher› eingestuft wurden», so Karpi.

Personen- und Datenschutz ist wichtig

In den Publizistischen Leitlinien wird auch der Datenschutz geregelt. «Vertrauliche Informationen, interne Dokumente oder Personendaten dürfen nur in explizit durch SRF dafür genehmigte KI-Tools eingegeben werden», heisst es darin. In alle anderen KI-Tools dürfen nur öffentliche oder publizierte Informationen, Dokumente oder Personendaten eingegeben werden. Eine Regelung, die Karpi «richtungsweisend» findet: «Dass bei den publizistischen Richtlinien der Fokus auf Personen- und Datenschutz gelegt wird, macht Sinn.»

Der Satiriker hat in den KI-Handlungsanweisungen auch etwas zum Schmunzeln gefunden. Dort heisst es nämlich, dass «innovative Anwendungsfälle und beschränkte Experimente mit künstlich generierten Audios» erlaubt seien – dies gelte insbesondere bei digitalen Formaten. «Persönlich finde ich es lustig, dass den Hörerinnen und Hörern von Web- und Digitalradio mehr Medienkompetenz zugesprochen wird als dem Publikum von analog und linearen Inhalten», so Karpi. Er fragt sich: «Will man die alten Radiohörer:innen nicht mit KI verschrecken?».


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KOMMENTARE

werner schlaefli
15.02.2024 06:18 Uhr
… tipptopp, bei "Karpi" aber immer etwas unsicher, wann er es ernst meint, z.B.: "… Ich hätte es nicht besser schreiben können." ;-)
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