21.02.2018

Förderung von Medienkompetenz

So bringt man Kinder zum Zeitung lesen

Wie kann man der jungen Generation den Wert von Information beibringen? Das Beispiel «Kleine Kinderzeitung» aus Österreich zeigt, wie bei den Jüngsten das Interesse an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geweckt werden kann.
Förderung von Medienkompetenz: So bringt man Kinder zum Zeitung lesen
Kindgerecht aufbereitete Beiträge zum Alltagsgeschehen: die «Kleine Kinderzeitung» aus Graz. (Bild: persoenlich.com/Edith Hollenstein)
von Edith Hollenstein

Journalisten sollen als Lehrer wirken und so beitragen, dass die Leute im Land kompetenter mit Medien umgehen und unterscheiden lernen, welchen Informationen sie vertrauen können. Diesen Vorschlag machte Verlegerpräsident Pietro Supino anlässlich der Verlegertagung Anfang Jahr in Zürich (persoenlich.com berichtete). Darüberhinaus macht sich die Wissenschaft seit längerer Zeit Sorgen um die Informationsgrundversorgung der nachwachsenden Generation. «31 Prozent des Schweizer Medienpublikums verwenden nur wenig Zeit, um sich über Nachrichten zu informieren. Und wenn sie es tun, greifen sie auf Gratisangebote oder Social-Media-Kanäle zurück», heisst es 2016 in den Hauptbefunden des «Jahrbuchs Qualität der Medien». Seither dürfte sich die Situation nicht wesentlich verbessert haben. 

Wie man Kinder dazu bringen kann, dass sie später, wenn sie erwachsen sind, den Wert von Qualitätsjournalismus schätzen, zeigt die «Kleine Kinderzeitung» aus Österreich. Das 16-seitige Blatt erscheint jeden Samstag, kostet 5.90 Euro pro Monat für Abonnenten der «Kleinen Zeitung» und richtet sich an Kinder zwischen acht und zwölf Jahren. 2011 gegründet, wird das Blatt vom Erfolg überrollt. Mittlerweile erscheint es in einer Auflage von 20'000 Exemplaren.

Wertfreie Information in klarer Sprache

Die Leserbindung ist so hoch, dass die Redaktion regelmässig Besuch von Schulklassen hat. Es gibt Reportercamps, wo Kinder während einer Ferienwoche im Sommer das nötige Rüstzeug für Interviews oder Recherchen vermittelt erhalten. «300 Kinderreporter zählt unsere Datenbank mittlerweile», erklärt die «Kleine Kinderzeitung»-Leiterin Petra Prascsaics gegenüber persoenlich.com.

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Sie will die jungen Leserinnen und Leser möglichst stark miteinbeziehen. So waren seit Beginn rund 5200 Kinder zu Besuch auf der Redaktion. «Mein wichtigstes Ziel ist, dass die Kinder meine Zeitung auch tatsächlich lesen. Deshalb frage ich die Schüler, die wöchentlich bei unseren Redaktionssitzungen mit dabei sind, immer genau was sie gelesen haben und was sie in der nächsten Ausgabe gerne lesen würden». Daneben hievt Prascsaics Themen ins Blatt, die ihr wichtig sind, so etwa die Wahlen – nicht nur in Österreich, sondern auch in Frankreich oder Deutschland. 

«Für mich war von Beginn weg klar, dass es eine inhaltlich hochstehende Zeitung werden soll, also wertfreie Information, verpackt in einen spannenden Text. Ich wollte auch über den Arabischen Frühling oder die EU berichten, über Aktuelles, das in der Welt passiert und auch in der Erwachsenen-Zeitung ein Thema ist», erklärt sie. 

«Hauptsache, sie lesen»

Vom Wert für die Medienkompetenz ist sie überzeugt. Zudem sei ein solches Projekt eine Chance, den Kindern und vor allem auch den Lehrern zu zeigen, wie man eine Zeitung macht. Denn nicht nur die Kinder, auch viele Lehrer wüssten zu wenig über Meinungsfreiheit, den Ursprung von Nachrichten oder journalistische Qualitätskriterien.

«Als Kind bereits Zeitung lesen ist wie mit gesundem Essen aufwachsen. Dann kann man vorübergehend – etwa in Studentenzeiten – anders auskommen, aber irgendwann findet man wieder dazu zurück», so Prascsaics. «In Leserbriefen erzählen uns Eltern sehr oft, dass die Kinder später beginnen die ‹Kleine Zeitung› zu lesen und nach den vielen Jahren ‹Kinderzeitung› sei klar zu sehen, dass ihr Interesse an Politik, Wirtschaft, Natur, usw. geweckt ist».

Prascsaics hat vor allem ein Anliegen: «Kinder sollten auf diesem Weg lernen, dass die Qualität der Information wichtig ist und dass man gute Informationen braucht, um sich eine eigene Meinung bilden zu können». Es sei ganz egal, welche Zeitung sie später einmal lesen, ob gedruckt oder digital, ob «Kleine Zeitung» oder eine andere Qualitätszeitung. «Hauptsache sie lesen und holen sich Informationen», sagt sie. 

Werbekunden wollten mitmischen

Herausgeberin ist die 1904 gegründete «Kleine Zeitung», eine regionale Tageszeitung mit Hauptsitz in Graz. Zur Gründung war es das Ziel, über die Kinderzeitung Abonnemente für die reguläre «Kleinen Zeitung» verkaufen zu können. Im Fokus dabei: Familien. Mittlerweile ist daraus ein Überflieger geworden, denn das Blatt wurde zum attraktiven Träger für Werbekunden, zudem häuften sich Anfragen für monothematische Ausgaben, etwa zu «Bahnverkehr», finanziert von der Österreichischen Bundesbahnen, die Post oder die Landwirtschaftsverbände. «Gegen gewisse Werbekunden, die nachweislich ungesunde Produkte vermarkten, konnte ich mich wehren. Aber das ist ein täglicher Kampf: Ich muss das Produkt hochhalten, indem ich das Leserinteresse in den Mittelpunkt stelle. Und gleichzeitig muss ich die Begehrlichkeiten des Verlages abwehren», sagt Prascsaics. 



Sie habe sich immer wieder um Akzeptanz bemühen müssen und dafür, dass sie ausgebildetes Personal einstellen kann statt Praktikanten. «Ich musste mehrmals deutlich sagen: Das ist ernsthaft hier, ich bin nicht die kleine Kindertante».


Lesen Sie dazu den Blog-Beitrag «Wie man Kindern Journalimus lehrt» von persoenlich.com-Redaktionsleiterin Edith Hollenstein.



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