18.02.2004

Tages-Anzeiger

Solidaritätsbrief für verklagte Korrespondentin

Gabriele Lesser soll der Mund verboten werden.

In der Debatte um das geplante "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin soll eine Journalistin, die sich in einem Kommentar zum Thema äusserte, vor Gericht gebracht werden. Nun gibt es Solidaritätsbekundungen für Gabriele Lesser, die auch Korrespondentin des Tages-Anzeigers ist. Mit einem offenen Brief in der angesehenen katholischen Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny solidarisieren sich polnische Politiker und Intellektuelle mit der deutschen Lesser.

Mit dem Brief reagieren diese Personen auf eine Ende des Monats anstehende Klage des deutschen Bundesverbands der Vertriebenen (BdV) und seiner Präsidentin Erika Steinbach. Sie verlangt von der Journalistin die Unterlassung von Textpassagen eines Kommentars über das "Zentrum gegen Vertreibungen". In ihrem Text hatte die in Warschau lebende Journalistin die Haltung des BdV in der Diskussion um das Zentrum scharf kritisiert.

Mehr Mut verlangt

"Wenn also Erika Steinbach darauf besteht, Gabriele Lesser vor Gericht zu bringen, soll sie den Mut haben, auch uns zu verklagen. Denn auch wir stehen den BdV-Aktivitäten, die die deutsch-polnischen Beziehungen in zunehmendem Masse schädigen, sehr kritisch gegenüber", heisst es in dem am Mittwoch in der aktuellen Ausgabe der Tygodnik Powszechny veröffentlichten Schreiben. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören unter anderen die ehemaligen polnischen Aussenminister Wladyslaw Bartoszewski und Bronislaw Geremek, der frühere Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki, die ehemaligen Botschafter Janusz Reiter und Jerzy Kranz, Marek Edelman, der letzte noch lebende Kommandant des Warschauer Ghetto-Aufstands, sowie zahlreiche prominente Journalisten und Wissenschafter.

Wird ein Exempel statuiert?

In ihrem offenen Brief betonen sie, sie könnten sich des Eindrucks nicht erwehren, dass mit der Klage gegen Lesser ein Exempel statuiert werden solle. "Nicht nur ihr soll der Mund verboten werden, sondern allen potenziellen Kritikern, die einen Zusammenhang zwischen dem Holocaust-Mahnmal in Berlin und dem ebenfalls in Berlin geplanten 'Zentrum gegen Vertreibungen' sehen wollen, und die der Meinung sind, dass der Bund der Vertriebenen zuerst seine eigene Rolle in den deutsch-polnischen Beziehungen kritisch überprüfen sollte."


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren