24.07.2018

Affäre Giroud

SRG sieht Pressefreiheit eingeschränkt

Die Erörterungen des Bundesgerichts könnten die journalistische Arbeit erheblich behindern. Nun gelangt die SRG in der Affäre um den Walliser Winzer Dominique Giroud an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Affäre Giroud: SRG sieht Pressefreiheit eingeschränkt
Am 22. Januar 2015 strahlte das Westschweizer Fernsehen eine Sendung über den Winzer Giroud und die mangelnde Kontrolle in der Schweizer Weinherstellung aus. (Bild: Screenshot rts.ch)

Die SRG ruft in der Affäre um den Walliser Winzer Dominique Giroud den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an. Sie ist nicht zufrieden mit einem Urteil des Bundesgerichts, das ihrer Ansicht nach die Pressefreiheit einschränkt.

Das Urteil werfe wichtige Fragen auf, die in den Bereich der Medienfreiheit im Sinne von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) fallen würden, teilte die SRG am Dienstag mit. Sie wolle deshalb dem EMGR die Einschätzungen des Bundesgerichts zur Prüfung vorlegen. Die Erörterungen des Bundesgerichts könnten der SRG zufolge die journalistische Arbeit erheblich behindern.

Das Westschweizer Fernsehen RTS hatte im Januar 2015 in der Sendung "Temps Présent" einen Beitrag über den Winzer Giroud und die mangelnde Kontrolle in der Schweizer Weinherstellung ausgestrahlt. Nach der Reportage folgten zwei weitere Beiträge in anderen Gefässen zu den neusten Entwicklungen rund um Giroud.

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hiess eine Beschwerde des Wallisers und des Unternehmens Giroud Vins bezüglich der Sendung gut (persoenlich.com berichtete). Die Mehrheit des Gremiums war der Meinung, dass die Reportage die notwendige Ausgewogenheit vermissen liess. Die restlichen Rügen wies die UBI jedoch ab. Diesen Entscheid zog das Westschweizer Fernsehen weiter ans Bundesgericht.

«Nicht objektiv»

Die Lausanner Richter wiesen die Beschwerde von RTS ab. In seinem Urteil bestätigen die Lausanner Richter die Sicht und den Entscheid der UBI. Sie hielten fest, dass der Bericht nicht objektiv gewesen und Giroud im umstrittenen Beitrag negativ dargestellt worden sei (persoenlich.com berichtete).

Insbesondere weisen sie darauf hin, dass einer in der Kritik stehenden Person die Möglichkeit gegeben werden müsse, ihre Sicht der Sache darzustellen. Mache dies die Person nicht, müsse der Journalist dafür sorgen, dass deren Standpunkt ausreichend aufgezeigt werde.

Das Bundesgericht führt weiter aus, dass die Sendung zu stark auf die religiösen Überzeugungen des Walliser Winzers fokussiert habe und auf dessen Meinung zum Thema Abtreibung und Homosexualität.

Es sei nicht klar geworden, welche Rolle dies bezüglich der mangelnden Kontrolle bei der Schweizer Weinherstellung spiele. Das Bundesgericht kritisiert in seinem Entscheid auch die Verlinkung der religiösen Überzeugung Girouds mit dessen Steuerdelikten.

Giroud zufrieden

Giroud zeigte sich gegenüber der Agentur Keystone-SDA erfreut über die Ankündigung der SRG. Sie sei aus zwei Gründen eine gute Nachricht, liess Giroud durch seinen Sprecher Marc Comina verlauten.

«Erstens weil die SRG den Zuschauern in der Westschweiz endlich sagt, was sie seit sechs Monaten vor ihnen verbirgt, nämlich dass Temps Présent von ihrer  Aufsichtsbehörde sehr scharf gerügt wurde», sagte Comina. «Zweitens weil das Bundesgericht zum Schluss kam, dass RTS gegen den Ethikkodex verstossen und den Ruf meines Klienten absichtlich beschmutzt hat.»

Wirbel um Weinhändler

Wegen Steuerhinterziehung muss Giroud eine Busse von rund 7 Millionen Franken bezahlen. Das Bundesgericht hatte vergangenen April den Entscheid der kantonalen Vorinstanz weitgehend bestätigt. 

Der Winzer ist noch an weiteren Justizverfahren beteiligt. Wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte verklagte der Weinhändler RTS und einen ehemaligen RTS-Journalisten auf Schadenersatz in Millionenhöhe.

Zudem wird sich Giroud wegen mutmasslicher Hackerangriffe auf Computer von zwei Journalisten vor dem Genfer Polizeigericht verantworten müssen. Die Anklage lautet auf Anstiftung zu Datendiebstahl. Neben Giroud richtet sich dieses Verfahren auch gegen einen Privatdetektiv, einen ehemaligen Mitarbeiter des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) und gegen einen professionellen Hacker. (sda/eh)

 

 



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