Die Bundesverwaltung ist per Gesetz zur Transparenz verpflichtet. Doch die Departemente und ihre Vorsteher haben Tricks entwickelt, um über wichtige Begegnungen zu schweigen: Sie protokollieren Treffen nicht mehr, wie SonntagsBlick schreibt. «Seit Einführung des Öffentlichkeitsgesetzes im Jahr 2004 können gewisse Akten sofort öffentlich werden, und die Beamten und ihre Chefs haben nun Angst, dass ihnen die Protokollierung eines Treffens schaden könnte», sagte Sacha Zala, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte.
Als aktuelle Beispiele werden in der Zeitung ein Treffen von Medienunternehmer Roger Schawinski mit Albert Rösti genannt, von dem kein Protokoll erstellt wurde. Und auch als die Bundesräte Karin Keller-Sutter, Guy Parmelin sowie der mittlerweile abgetretene Ueli Maurer den katarischen Finanzminister trafen, wurde laut Angaben der Behörden nichts protokolliert.
Öffentlichkeitsgesetz als Gefahr für Archivierungsgesetz
«Von einem Treffen mit einem ausländischen Finanzminister wäre früher ohne Frage ein offizielles, sehr detailliertes Protokoll erstellt worden», so Zala. Für ihn ist klar: Je mehr Journalisten gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Transparenz einfordern, desto zurückhaltender werde die Verwaltung bei der Dokumentierung ihrer Arbeit.
Der Historiker sieht das Öffentlichkeitsgesetz, das im Sinne der Transparenz guten, investigativen Journalismus erleichtern soll, deshalb vermehrt als Gefahr für das Archivierungsgesetz, das seit 1998 gilt.
Konsequenzen gefordert
Martin Stoll, Geschäftsführer von Öffentlichkeitsgesetz.ch, übt auf Anfrage von persoenlich.com Kritik an der «beunruhigenden Praxis von Bundesräten und Angestellten der Verwaltung.» Ihr Vorgehen untergrabe das Vertrauen in die Verwaltung und werfe ernsthafte Fragen über die Einhaltung von Legalität und ethischen Standards auf. Er fügt an: «Der bewusste Verzicht auf Protokolle bei wichtigen Gesprächen ist nicht nur ein potenzieller Missbrauch der an Bundesräte oder Behördenleiter vom Volk verliehenen Macht, sondern auch ein klares Zeichen dafür, dass eine strengere Aufsicht dringend erforderlich ist.»
Stoll fordert: «Es ist an der Zeit, dass wir diese Praktiken hinterfragen und Massnahmen ergreifen, um die Transparenz und Rechenschaftspflicht unserer Regierung zu gewährleisten. Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Verhaltensweisen ohne Konsequenzen bleiben.»
Die Geschäftsprüfungskommission vom Ständerat hat das Thema bereits aufgenommen. Im Oktober hat sie Untersuchungen über nicht auffindbare E-Mails im Generalsekretariat des Innendepartementes abgeschlossen und festgehalten: Die Vorgaben in Sachen Ablage und Archivierung von Dokumenten in der Bundesverwaltung seien nicht einheitlich. Das bedürfe einer Klärung. Der Bundesrat muss sich nun dazu äussern.
Angereichert mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.