31.10.2003

"Unsere Medienszene ist ein typisch schweizerischer Kompromiss..."

Deutliche Worte von Adolf Ogi. Im neusten “persönlich rot” äussert sich der ehemalige Medienminster über die SRG, die SVP, die Neat und den Einheitsbrei der Lokalradios. Als UNO-Sonderbeauftragter für Sportfragen ist der populäre Ex-Magistrat vom Bundesrat mit einer schwierigen Aufgabe betraut worden: Er muss den Informationsgipfel der Vereinten Nationen mitorganisieren, der in weniger als zwei Monaten in Genf stattfinden wird und den er als Bundespräsident noch mitinitiiert hat. "persoenlich.com" bringt einen Ausschnitt aus dem Interview:
"Unsere Medienszene ist ein typisch schweizerischer Kompromiss..."

Wenn Sie unsere Medienszene betrachten, wie beurteilen Sie sie?

Unsere Medienszene ist ein typisch schweizerischer Kompromiss. Aus meiner Erfahrung weiss ich aber, dass Kompromisse nicht immer das Beste sind.

Warum ist die Position der SRG in der Schweiz so stark? Ist die Lobbyarbeit besser als bei den Privaten?

Diese Frage kann mit Ja beantwortet werden. Die Sozialdemokratische Partei stellt sich ganz klar hinter die SRG. Viele Journalisten denken links, aber auch TV-Direktor Peter Schellenberg und der ehemalige Radio-Direktor Andreas Blum waren Sozialdemokraten. Auch für andere politische Kreise ist die SRG die einzig verbliebene Bastion, seit die Parteipresse -- mit Ausnahme der NZZ -- verschwunden ist. In den Kommissionssitzungen wurde klar, dass die SRG im Parlament über eine äusserst starke Lobby verfügt. Weiter rechnen sich viele Politiker durch ihre Auftritte in den elektronischen Medien eine wahlwirksame Profilierung aus. Dies hängt auch mit den DRS-Regionaljournalen zusammen. Jeder Parlamentarier hat eine persönliche Beziehung zur SRG, was gleichzeitig ihre Position stärkt. Die SRG-Lobby agiert zweifelsohne sehr geschickt.

Wieso haben private Sender wie Tele24 oder auch TV3 nicht überlebt?

Dazu gibt es eine einfache Antwort, die SRG hätte schon bei S Plus die Hand bieten müssen. Tele24 hingegen hätte staatliche Unterstützung benötigt. Die beiden Beispiele zeigen aber, wenn das erste Pflänzchen stirbt, wird es auch für das zweite sehr schwierig. Doch das Ganze hat eine positive Seite, der Markt jener Leute, die Fernsehen machen können, ist grösser geworden.

Wie müsste dann ein neues Radio- und Fernsehgesetz aussehen, damit die privaten Anbieter eine faire Chance haben?

Ich möchte diese Frage bewusst nicht beantworten, da ich mich nicht als Lehrer aufspielen will. Rückblickend gesehen war die Richtung, die noch von meinem Vorgänger, Bundesrat Leon Schlumpf, vorgegeben wurde, die richtige. Die meisten der damals konzessionierten Lokalradios existieren noch, obwohl die wirtschaftlichen Bedingungen äusserst schwierig sind. Inhaltlich gesehen senden sie aber mehr oder weniger den gleichen musikalischen Einheitsbrei. Das ist sehr schade. Bei Tele24 habe ich Sendungen wie "SonnTalk" oder "TalkTäglich" sehr geschätzt, die eine wirkliche Alternative zu den SRG-Programmen darstellten. Heute besteht die Alternative nur noch aus ausländischen Programmen.

Der Verband Schweizer Presse verlangt eine staatliche Unterstützung von 150 Millionen Franken. Hat dies eine reelle Chance?

Ich glaube nicht, ansonsten müssten die elektronischen Medien eine ähnliche Unterstützung erhalten. Die Schweizer Presse befindet sich momentan in einer äusserst delikaten Situation. Das hängt aber nicht nur mit dem Inserateschwund zusammen, sondern auch mit der Qualität der Publikationen. Das Lehrerhafte gewisser Journalisten, die meinen, die vierte Macht spielen zu müssen, hat auch etwas Nervendes. Durch die Stellung der Adjektive erkennt man bereits die Tendenz sowie die vorgefasste Meinung des Autors.

Welche Zeitungen lesen Sie dann regelmässig?

Heute viele.

Nun wurden Sie vom Bundesrat zum Sonderbeauftragten des UNO-Informationsgipfels in Genf ernannt…

Bereits in weniger als zwei Monaten findet dieser Gipfel in Genf statt. Zuerst muss ich dieses Mandat analysieren und überlegen, wie ich die begonnene Arbeit am besten unterstützen kann. Der Gipfel beschäftigt sich mit den Problemen der Informationsfreiheit, einem Menschenrecht. Für die Schweiz ist es wichtig, dass dieser Gipfel zu einem Erfolg wird. Doch die Zeit drängt -- aber wenn der Bundesrat ruft, kann ich nicht Nein sagen. Die Kreise schliessen sich; noch als Bundespräsident habe ich mich vor drei Jahren für die Durchführung dieses Gipfels in Genf eingesetzt.


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