06.05.2003

Presserat

Unterlassene Berichtigung vor Volksabstimmung getadelt

Beschwerde gegen Oltner Tagblatt teilweise gutgeheissen.

Abstimmungsrelevante Informationen sind vor ihrer Veröffentlichung besonders sorgfältig zu prüfen, da Un- oder Halbwahrheiten oft nicht mehr vor einer Volksabstimmung berichtigt werden können. Da vor Abstimmungen in besonderem Masse die Gefahr besteht, dass Journalistinnen und Journalisten von Interessenvertretern instrumentalisiert werden, müssen zudem Quellen und Informant/innen noch sorgfältiger geprüft werden. Zu diesen Schlussfolgerungen ist der Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme gelangt.

Ende Oktober 2002 berichtete das Oltner Tagblatt im Vorfeld der Volksabstimmung über die SVP-Asylinitiative unter dem Titel "Rentengeschenk für Asylbewerber" über einen Fall mangelnder Koordination zwischen Fürsorge- und Sozialversicherungsbehörden. Dem Bericht war zu entnehmen, dass ein Asylbewerber gleichzeitig Fürsorgeleistungen seiner Wohngemeinde und "rückwirkend per Ende 1996" eine IV-Rente bezogen hatte. Dies, ohne laut dem Bericht "während des gesamten Aufenthalts unter dem Status des Asylgesetzes" eine Erwerbstätigkeit ausgeübt zu haben. Ein Leser machte zuerst gegenüber dem Oltner Tagblatt und danach in einer Beschwerde an den Presserat geltend, es sei offensichtlich nicht möglich, dass ein Asylsuchender in der Schweiz eine IV-Rente erhalten, ohne vorher je hier gearbeitet zu haben. Der Betroffene habe vielmehr zuvor während einiger Jahre als Saisonnier in der Schweiz gearbeitet. Das Oltner Tagblatt räumte die Unvollständigkeit der ursprünglich abgedruckten Information ein. Da sich die Abklärungen wegen einer Militärdienstabwesenheit verzögert hätten, sei die Richtigstellung erst Mitte Dezember 2002 veröffentlicht worden.

In seiner Stellungnahme hält der Presserat fest: Angesichts des sehr emotional geführten Abstimmungskampfes über die SVP-Asylinitiative hätte die Leserschaft erfahren müssen, dass der IV-Rentenempfänger vor der Einreichung des Asylgesuchs bereits einige Jahre als Saisonnier in der Schweiz gearbeitet hatte. Zwar verliess sich die Redaktion vor der Publikation zu Recht auf eine Auskunft der zuständigen Gemeindebehörden, die sich erst im Nachhinein als unzutreffend erwies. Hingegen wäre die Veröffentlichung einer Richtigstellung noch vor dem Abstimmungswochenende vom 22. November 2002 möglich und zumutbar gewesen.


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