26.08.2018

Umzug Radiostudio Bern

Urs Leuthard warnt vor Stellenabbau

Wenn das Berner Radiostudio nicht nach Zürich zieht, müsse anderswie gespart werden, meint der «Tagesschau»-Chef, der die Pläne mitverantwortet. Der Entscheid könnte im September fallen. Nun hat sich auch CVP-Präsident Gerhard Pfister öffentlich dagegen ausgesprochen.
Umzug Radiostudio Bern: Urs Leuthard warnt vor Stellenabbau
Verteidigt die Umzugspläne von Radio SRF im Interview mit der SoZ: Urs Leuthard. (Bild: SRF/Oscar Alessio)

Nach heftigen Protesten gegen die geplante Verlegung von Teilen des Radiostudios Bern nach Zürich, wehrt sich Radio- und Fernsehen SRF für seine Pläne. «Der Umzug ist aus ökonomischer und publizistischer Sicht sinnvoll», sagt Urs Leuthard im Interview mit der «Sonntagszeitung» und warnt vor einem Stellenabbau, wenn der Umzug nicht gelinge: «Wenn das Radiostudio in Bern bleibt, muss das Geld anderswie eingespart werden. Vermutlich würden dann auch Stellen abgebaut», so Leuthard.

Der Leiter der Tagesschau und Projektleiter für den Aufbau des SRF Newsroom in Zürich ist mitverantwortlich für die Umzugspläne. Der Umzug sei wichtig «um im Newsbereich die digitale Entwicklung weiter voranzutreiben», verteidigt er die Pläne seines Senders. Radio- und Fernsehkonsumenten würden durch die Zusammenlegung «schneller und kompetenter informiert werden, insbesondere im digitalen Bereich.»

SRF will die eigene Onlineplatform mit audiovisuellen Beiträgen ausbauen. Leuthard verspricht aber, dass SRF den Online-Bereich nicht auf Kosten der Zeitungen ausbauen würde. «Wir werden uns auf Audio- sowie Video-Inhalte konzentrieren und die Textanteile massiv reduzieren. Die Konkurrenzsituation zu den Verlagshäusern wird dadurch sogar kleiner.»

Baldiges Ende der fünfmonatigen Kontroverse?

Den definitiven Entscheid über den Umzug fällt der SRG-Verwaltungsrat – ob an der ordentlichen Sitzung vom 18. und 19. September oder einem anderen Datum sagt SRG-Sprecher Edi Estermann gegenüber dem «Tages-Anzeiger» nicht. Sicher sei, dass der Verwaltungsrat daran interessiert sei, die nun seit fünf Monaten dauernde Kontroverse bald zu beenden.

Die Umzugspläne stiessen auf breiten Widerstand aus allen Parteien, auch von Politikern, von denen man es nicht erwartet hätte. So etwa von SVP-Mann Adrian Amstutz, der zwar Sparpläne begrüsst, aber nicht an der «produzierenden Front, sondern beim bürokratischen Wasserkopf», wie er gegenüber dem Tagi sagt.

Auch aus den Reihen der CVP – die institutionell stark mit der SRG verbunden ist – kommt heftige Kritik. Zuletzt gar von Parteipräsident Gerhard Pfister: Er werfe der SRG Wortbruch vor und kritisiert damit indirekt den SRG-Präsidenten und Ex-CVP-Fraktionschef Jean-Michel Cina, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Pfister fürchtet, dass bei einem Umzug Zürich in der Berichterstattung noch dominanter würde, als es heute schon ist. Wolle die SRG sparen, «soll sie doch die Generaldirektion nach Zürich verlegen, das spielt publizistisch keine Rolle», so Pfister gegenüber der NZZaS.

Vor der entscheidenden Phase machen die Gegner nochmals mobil: Am Donnerstag, 30. August, findet auf dem Bundesplatz die Kundgebung «Pro Medienvielfalt» statt, an der bekannte Berner Politiker sowie prominente Kunstschaffende auftreten wollen: Stadtpräsident Alec von Graffenried (Grüne), der Berner Regierungspräsident Christoph Neuhaus (SVP) und Ständerat Beat Vonlanthen (CVP) halten Ansprachen; Schriftsteller Pedro Lenz, Rapper Greis und weitere treten gratis auf. (pd/maw)



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Kommentare

  • Hans-Ulrich Büschi, 27.08.2018 11:39 Uhr
    Die beiden "Vorschreiber" haben völlig recht. Mehr zum Thema "Sparen dank Umzug der Radioinformation nach Leutschenbach" gibt es nicht zu sagen. Nur soviel: Wie wäre es, wenn der Wasserkopf Generaldirektion seine Zelte in Bern abbrechen und nach Zürich dislozierte? Die teuren Mieten in Bern könnten auf diese Weise ebenfalls eingespart werden. Ausserdem entfielen die Kosten eines Umzugs der Informationsabteilung. Jene der GD entstehen ohnehin, denn sie zügelt auf jeden Fall.
  • Dieter Widmer, 27.08.2018 09:51 Uhr
    Wer ökonomische Gründe für die Umzug des Radios ins TV-Leutschenbach geltend macht, hat offenbar die neuesten Entwicklungen in der Wirtschaft verpasst. Homeoffice und dezentrale Strukturen werden zunehmend propagiert und von Unternehmen umgesetzt. Wahrscheinlich wechselt jetzt diese Woche die Argumentation wieder. Aber das Trauerspiel der wechselnden Argumentation aus Leutschenbach kennen wir jetzt zur Genüge. Wer rechnen kann, der kann auf keinen Fall, den allfälligen Wechsel des Radios zum TV-Zentrum als ein gewinnbringendes Unterfangen bezeichnen können. Ich verstehe nicht, dass man die "lame duck" Ruedi Matter in seinem völlig ungeeigneten und ineffizienten Sparmodus machen lässt.
  • Mark Balsiger, 27.08.2018 00:38 Uhr
    Urs Leuthard leistet meiner Meinung nach seit vielen Jahren gute Arbeit, das vorneweg. Was er in diesem Interview mit der "SonntagsZeitung" allerdings sagt - bzw. verschweigt - bedarf einer Klärung: a) ökonomische Gründe für den Umzug der Abteilung Information von Radio SRF von Bern nach Zürich: Das Management von SRF musste in den letzten Monaten den Spareffekt schon mehrfach nach unten korrigieren. Inzwischen ist unklar, ob überhaupt etwas gespart werden könnte mit der Zentralisierung im "Leutschenbach" in Zürich. (Nebenbei: Das Radiostudio Bern wurde in den letzten Jahren für 30 Mio. Franken renoviert und ausgebaut. Muss es nach Zürich, kommt die SRG-Generaldirektion in diese Räumlichkeiten. Das hätte erneut massive Umbaukosten zur Folge.) b) publizistische Gründe: Gerade die Digitalisierung ermöglicht es, dezentral zu arbeiten. Dank Vollkonvergenz von Radio, TV und Online würden die Konsumenten "schneller und kompetenter informiert". Wenn wir uns die Qualität der Push-Meldungen, Newsticker usw. in Erinnerung rufen, übermannen mich Zweifel. Was wir mehr denn je brauchen, ist Einordnung, Vertiefung und Analyse. Radio SRF macht das seit vielen Jahren mit Hintergrundsendungen wie "Echo der Zeit", "Rendez-vous" und "Heute Morgen". Werden diese Senderedaktionen, aber auch die Fachredaktionen in der Nähe des Newsrooms - und bald unter einem Super-Chefredaktor - angesiedelt, verwässern Sie. Newsroom und Hintergrund - das passt nicht zusammen. Dass nach dem Umzug noch 170 Radiojournalisten in Bern tätig wären, ist schlicht falsch. Leuthard hat die ganze Crew von swissinfo dazugezählt; diese gehört allerdings nicht zu Radio SRF. Redlich ist das nicht. Boxt das Management die Zentralisierung durch, werden ohne Not föderalistische Wurzeln der SRG gekappt. Das kann ins Auge gehen, nichts ist für das Unternehmen wichtiger als die regionale Verankerung und die Qualität im Bereich Information. Das wäre eine der Lehren, die man aus der No-Billag-Schlacht hätte ziehen können.
  • Sebastian Renold, 26.08.2018 17:31 Uhr
    Wer sonst keine Argumente hat, stellt die Rute "Stellenabbau" ins Fenster.
  • Robert Weingart , 26.08.2018 17:11 Uhr
    Geht wohl um die eigenen Pfründe, gell Herr Leuthard?
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