14.09.2022

SwissMediaForum

Von Journalismus und Kommunikation aus dem Krieg

Die Journalistin Ekaterina Glikman sprach auf einem Panel über die Arbeit beim russischen Oppositionsmedium Nowaja Gaseta Europa und zeigte sich tief besorgt. Die frühere Selenski-Sprecherin Yevheniia Kravchuk nannte das beste kommunikative Instrument des ukrainischen Präsidenten.
SwissMediaForum: Von Journalismus und Kommunikation aus dem Krieg
Ekaterina Glikman, Journalistin der russischen Oppositionszeitung Nowaja Gaseta Europa, und Yevheniia Kravchuk, ukrainische Parlamentarierin und ehemalige Kommunikationschefin von Präsident Wolodimir Selenski, auf dem Podium am SwissMediaForum. (Bild: SMF)
von Michèle Widmer

Der Krieg in der Ukraine und die Medien war ein Thema auf einem Panel am SwissMediaForum. Neben Moderatorin Maria Victoria Haas nahm zum einen Yevheniia Kravchuk, ukrainische Parlamentarierin und ehemalige Kommunikationschefin von Präsident Wolodimir Selenski, und zum anderen Ekaterina Glikman, Journalistin der russischen Oppositionszeitung Nowaja Gaseta Europa, Platz. 

Die Nowaja Gaseta wurde kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine in Russland gesperrt, im März musste sie den Betrieb in Russland einstellen. Die Nowaja Gaseta Europa erreicht zurzeit etwa 100’000 Nutzerinnen und Nutzer, wie Glikman auf der Bühne sagte. «Nicht wir erreichen die Leserinnen und Leser, sondern sie finden uns», sagte die Journalistin, die von der Schweiz aus für das Medium schreibt. Vor dem Publikum im KKL erzählte sie sichtlich berührt von den Sorgen um ihre Kolleginnen und Kollegen in Russland.

Sie hätten es nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine nicht geschafft, die eigenen Journalistinnen und Journalisten rasch aus dem Land zu schaffen. Nun müssten sich diese dort verstecken. «Wir verwenden für unsere Kolleginnen und Kollegen in Russland gefälschte Namen. Nicht einmal das Team kennt zum Teil die richtige Identität», sagte sie. Dennoch gebe es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht unter Pseudonym schreiben wollten. Gerade vor zwei Wochen sei ein solcher Kollege verhaftet und angeklagt worden. Nun sei er zwar wieder zu Hause, aber er dürfe nicht mehr arbeiten. Weiter erzählte Glikman von einem Kolumnisten, der in den letzten Tagen aus der Haft entlassen und zwei Minuten später gleich wieder verhaftet worden sei. 

Auf die Frage, ob sie Angst um ihr eigenes Leben habe, antwortete sie: «Ich habe in den letzten Monaten viele Interviews gegeben und immer wieder wurde mir diese Frage gestellt. Nein, in der Schweiz muss ich nicht um mein Leben bangen. Ich sorge mich um meine Kolleginnen und Kollegen in Russland.»

Videoansprache «gutes Instrument»

Wolodimir Selenski sei eine ganz normale Person, sagte seine ehemalige Kommunikationschefin Yevheniia Kravchuk über den ukrainischen Präsidenten. Seit Kriegsausbruch wendet sich Selenski jeden Tag mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit. «Das ist ein sehr gutes kommunikatives Instrument», sagte Kravchuk. Er spreche dort eine sehr einfache Sprache, die jeder verstehe. Zudem habe er sich vorgenommen, darin niemanden zu zitieren. Sein Ziel: Er wolle selber zitiert werden. 

Wie kann die hiesige Medienbranche den Medien im Ukraine-Krieg helfen, wollte die Moderatorin Haas wissen. Kravchuk rief dazu auf, unabhängigen Journalismus in der Ukraine zu unterstützen. «Aufgrund des Krieges ist vom ukrainischen Werbemarkt fast nichts mehr übrig. Vor allem unabhängige Medien stehen vor dem Aus.» Glikman nannte die Unterstützergruppe «Friends of Novaya Gazeta Europe», die den Zweck hat, die Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit zu fördern.

Kurz nach dem Panel gab das SwissMediaForum bekannt, dass sie 25'000 Franken spenden. Der Verlegerverband Schweizer Medien ergänzt den Betrag um weitere 5000 Franken. Das Geld soll je hälftig an die «Friends of Novaya Gazeta Europe» und an eine noch zu bestimmende Organisation, die sich für unabhängigen Journalismus in der Ukraine einsetzt, gehen.

«Wer wird diesen Krieg gewinnen?», fragte die Moderatorin zum Abschluss des Panels im KKL in Richtung Glikman. Nach einer kurzen Denkpause sagte die Journalistin ruhig: «Ich denke die Ukraine wird diesen Krieg gewinnen.» Sie schaute ins Publikum und gab die Frage weiter: «Was denken Sie?»



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