12.12.2024

Tamedia

Was mit dem Züritipp sonst noch verschwindet

Nächsten Donnerstag erscheint die Tages-Anzeiger-Beilage nach über 40 Jahren zum letzten Mal. Über die Jahre hat sie sich einen festen Platz in den Herzen der Zürcherinnen und Zürcher erobert. Mit dem Züritipp verschwinden nicht nur eine Freizeitagenda und Kulturberichterstattung. Eine Hommage.
Tamedia: Was mit dem Züritipp sonst noch verschwindet
Der Züritipp war auch ein Begleiter fürs Leben. (Bild: persoenlich.com/cbe)

Die Marke «Züritipp» wird zwar online und als Newsletter erhalten bleiben, wie Tamedia auf Anfrage mitteilt. Das Heft in Papierform, das seit 1982 mit dem Tages-Anzeiger erschien, war aber mehr als ein blosser Informationsträger geworden. Tamedia hatte im September angekündigt, dass die Beilage Ende Jahr eingestellt wird (persoenlich.com berichtete). Das werden wir vermissen:

1) Einstimmung zum Wochenende

Wenn der Züritipp kam, dann wussten die Abonnentinnen und Abonnenten des Tages-Anzeigers, dass sie das Gros der Woche hinter sich hatten und sich langsam aufs Wochenende freuen konnten. Seit 2003 erschien die Beilage am Donnerstag statt am Freitag. Somit dauerte die Vorfreude in Zürich sogar noch etwas länger.

Mit diesem Wechsel passte sich die Publikation damals an das wachsende Angebot für Ausgehfreudige am Donnerstag an. Sie reagierte auch auf die Umstellung der Kinobetreiber, die einige Zeit zuvor die Filmpremieren auf den Donnerstag vorverlegt hatten. Vielleicht hatte es aber auch mit dem Konkurrenzmagazin Ticket zu tun, das die NZZ im Jahr 2000 lanciert hatte und am Donnerstag erschien. Dieses musste allerdings bereits 2008 eingestellt werden, wegen «markant rückläufiger Anzeigenerlöse».

Nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch der Inhalt vom Züritipp stimmte auf das Wochenende ein. Der Veranstaltungskalender und die Highlight-Besprechungen zeigten das breite Angebot an Aktivitäten in der Stadt und Region, woraus die Zürcherinnen und Zürcher auswählen konnten, um ihr Wochenende zu gestalten.

2) Ein Begleiter fürs Leben

Welche Seite Leserinnen oder Leser als erste im Züritipp anschauten, sagte viel über ihre Interessen oder ihre Lebensphase aus. Da waren Aktivitäten für jedes Alter und jeden Geschmack aufgeführt.

Die Agenda führte Partys in jedem Musikstil, Konzerte von Klassik bis Pop, Bühnenproduktionen oder Vorträge auf. Wer gerne ins Kino ging, fand für die Filme im Programm eine kurze Beschreibung mit kompakter Sternbewertung. Feinschmeckern zeigten die Gastroseiten, welche neuen Tische sich lohnten und welche Trends die Gaumen bewegten. Dazu gab es auch eine Rubrik zu Familienaktivitäten und eine für lokales Shopping.

Ausserhalb der Agenda und des redaktionellen Teils inserierten diverse Kulturinstitutionen ihr Programm. Dadurch erhielt die Leserschaft eine breite Übersicht über das Geschehen in der Stadt und Umgebung.

3) Das Gemeinschaftsgefühl

Als die Publikation im Jahr 2000 das zweite «P» erhielt und sich statt Züritip von nun an Züritipp schrieb, war das ein städtisches Gesprächsthema. Auch regelmässig hört man sagen: «Hab ich im Züritipp gesehen».

Sicherlich für viel verbindenden Gesprächsstoff gesorgt hat der wöchentliche «Züri by Mike». Der Comic von Mike Van Audenhove beschrieb zwölf Jahre lang mit Witz und auf den Punkt Lebensszenen aus der Stadt, von Kinderspielen über das Anstehen an der Kinokasse bis hin zum Date im Restaurant. Jede und jeder konnte sich in diesen Geschichten wiederfinden.

Als der Zeichner 2009 überraschend starb, sei die Trauer bei den Leserinnen und Lesern des Züritipps riesig gewesen, wie der Tages-Anzeiger damals berichtete. «Sie konnten es nicht fassen, dass sie künftig auf die liebevollen Geschichten aus dem Zürcher Alltag verzichten müssen.»

Seit seinem grossen Redesign von 2003 präsentierte sich der Züritipp als «Stadtmagazin» statt eines blossen Ausgehverzeichnisses. Der damalige Ressortleiter Zürich, Peter Hearle, schrieb in seinem Editorial: «Keine andere Publikation steht so fest für die Stadt. Zürich ohne Züritipp, das ist unvorstellbar». Aber nun kommt wohl das Leben ohne Züritipp.


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KOMMENTARE

Angelika Kiefer
14.12.2024 00:12 Uhr
Ich kann es nicht fassen. Ein Stück Zürcher Geschichte verschwindet. Schade.
Claude Bürki
13.12.2024 12:45 Uhr
alle ziehen den Stecker und Google lacht sich kaputt.
Victor Brunner
13.12.2024 07:42 Uhr
P schrieb vor Jahren "Bereit machen für den neuen Züritipp". Was als neu deklariert wurde war der zweite Anfang des Endes. Ein Titelstory über 5 bis 6 Seiten lieblos, grafisch hässlich aufgeblasen meistens auf "die" Community ausgerichtet, viel Essen viel Clubbing. Die "Kultur" wie Theater, Kino, ausser Blockbuster, Ausstellungen wurden mariginalisiert. Der erste Anfang des Endes als keine Karikaturen mehr von Mike erschienen, der im Hause TA der letzte war der Karikaturen konnte! Thematisch macht Tsüri weiter, Kulturnews für eine kleine Community!
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