28.11.2001

"Wichtig für uns ist, dass wir den Medienmarkt Schweiz verteidigen können"

Die SRG verlangt eine fünfprozentige Erhöhung der Radio- und Fernsehgebühren. Peter Schellenberg (Bild), Direktor des Schweizer Fernsehens, begründet dies mit jährlichen 50 Millionen Franken Ausfällen. "Wollen wir die Qualität erhalten, braucht es die Gebührenkompensation", sagt er. Weiter nimmt er Stellung zum Schweizer TV-Sterben und Roger Schawinski, zu publikumslosen TV-Stars und quotenstarken SF-DRS-Sendungen - sowie sein Leben nach dem Fernsehen. Das Interview:
"Wichtig für uns ist, dass wir den Medienmarkt Schweiz verteidigen können"

Herr Schellenberg, die SRG will ab 2003 65 Rappen mehr für das Radio und 1.10 Franken höhere TV-Gebühren. Das bringt 50 Millionen Franken ein. Warum brauchen Sie mehr Geld?

Die SRG will nicht mehr Geld, wir müssen lediglich über das Geld verfügen können, das man uns vor zwei Jahren bei der letzten Gebührenerhöhung zugesprochen hat. Damals wurden uns fünf Prozent bewilligt. Jetzt haben wir jährliche Ausfälle von 50 Millionen Franken, weil die Bezüger von Ergänzungsleistungen sowie AHV- und IV-Bezüger keine Gebühren mehr zahlen müssen. Bei der Programmplanung haben wir mit diesem Geld gerechnet - es steckt ja bereits schon im Fernsehprogramm. Wollen wir die Qualität erhalten, braucht es die Gebührenerhöhung.

Alle müssen den Gürtel enger schnallen, warum nicht auch das Fernsehen?

Da haben Sie recht, wir wohnen ja nicht in einem Nationalpark, wo der Honig von den Bäumen tropft. Ob wir das Geld bekommen oder nicht, ist letztlich eine politische Entscheidung. Wenn wir es nicht bekommen, dann würden wir weiterhin ein Fernsehprogramm machen, ganz klar. Wollen wir jedoch die Qualtiät und die programmliche Breite erhalten, braucht es die Gebührenkompensation.

Welches ist denn Ihre absolut liebste Sendung auf Ihrem TV-Kanal?

(Lacht.) Ich habe alle unsere Sendungen gleich gern. Das ist wie mit eigenen Kindern, da macht man auch keine Unterschiede.

Welche ist Ihrer Meinung nach die Erfolgreichste?

Das ist mit Abstand ganz klar die "Tagesschau".

Nicht "Benissimo" mit weit über einer Million Zuschauern?

Natürlich gibt es Tagesschau-Sendungen, die weniger Zuschauer haben als "Benissimo". Aber wenn wir von 365 Ausgaben mit rund einer Million Zuschauern ausgehen, ist die "Tagesschau" die absolut erfolgreichste Sendung.

A propos "Benissimo": Was stimmt an den Gerüchten, dass Moderator Beni Thurnheer aufhören will? Soll mit ihm wieder ein Lieblingssendung einfach so abgesetzt werden?

Soviel ich weiss, sprach Beni Thurnheer davon, dass er eventuell Ende 2003 aufhören will. Ich habe dies nie offiziell mitgeteilt bekommen. Einfach abgesetzt werden bei uns beliebte Sendungen nie. Für uns ist klar, dass die Sendung umgebaut werden müsste, sollte Bernard Thurnheer aufhören wollen.

Tele24 ist eingegangen und wie es aussieht, steht auch das Ende von TV3 bevor. Kann das TV-Sterben dem Schweizer Fernsehen nur recht sein?

Nein, das kann uns natürlich überhaupt nicht recht sein. Wichtig für uns ist, dass wir den Medienplatz Schweiz verteidigen können. In Deutschland sitzen mehrere multimilliardenschwere Sender, die noch so gerne unseren Senderaum übernehmen und in den ihren integrieren möchten. Mit den Werbefenstern haben sie dies zum Teil ja schon gemacht. Es geht also darum, dass wir zusammen ein eigenständiges schweizerisches Fernsehen behaupten können. Dass muss nicht allein unter dem Glücksrad der SRG passieren. Dieser Meinung bin ich nicht. Was mit Tele24 und TV3 passiert ist, ist eine Schwächung eben dieser Schweizer Medienlandschaft. Und das gefällt mir überhaupt nicht.

Gibt es Stars von diesen Sendern, die Sie bei SF DRS anstellen würden? Zum Beispiel Eva Wannenmacher, Patricia Boser oder Dani Fohrler?

Niemand hat bei uns ein Anstellungsverbot. Die Frage ist, ob jemand in ein Sendegefäss passt. Und im Moment haben wir weder eine Sendung frei, noch das Geld für eine neue Sendung.

Roger Schawinski wurde in einem Interview gefragt: "Was fällt Ihnen zum Namen Peter Schellenberg ein?" Er hat gesagt: "Zum Thema Schellenberg fällt mir gar nichts mehr ein". Jetzt frage ich Sie: "Was fällt Ihnen zum Namen Roger Schawinski ein?"

Zu Herrn Schawinski fällt mir einiges ein. Aber das ist nicht öffentlichkeitswürdig.

Geben Sie einem künftigen Privat-TV in der Schweiz noch eine Chance?

Es nützt ja nichts, wenn ich ihm eine Chance gebe. Wenn ich Geld geben könnte, dann wäre das eine echte Hilfe. Aber diese Lust ist jetzt womöglich vielen vergangen, obwohl dies die entscheidende Frage ist: Glaubt noch jemand an ein kommerzielles Fernsehen oder nicht? Sehen Sie, funktionierendes Fernsehen von kommerziellen Schweizer Veranstaltern gibt es seit langem. Der erste war nicht Roger Schawinski, sondern Paul Grau von Star-TV. Nur ist dieser nicht so laut in der Öffentlichkeit. Aber er existiert, sein Laden läuft. Und es gibt Presse-TV mit Ringier, NZZ, Basler Zeitung, das auf SF2 mit vielen erfolgreichen Sendungen läuft. Und es gibt Sat.1 mit seinen Fussballübertragungen, das nicht nur Werbegelder aus der Schweiz holt, sondern auch für das Schweizer Publikum Sendungen macht. Sie alle exisiteren, sind nicht einfach weg und verschwunden. Aber leider hört man nur auf den Lautesten.

Man las, dass die Swisscom bei TV3 einsteigen soll?

Das sind vorläufig Gerüchte...

Herr Schellenberg, 2004 werden Sie pensioniert. Was werden Sie mit soviel freier Zeit anfangen?

Wahrscheinlich ergeht es mir dann wie so vielen Leuten: Ich beginne zu überlegen, was ich jetzt am besten mit der freien Zeit anfange. Ich werde wahrscheinlich weiterleben wie bisher und auch weiter arbeiten. Es gibt ja noch andere Arbeit als die eines Fernsehdirektors.

Macht abgeben zu müssen macht Ihnen nichts aus?

Nein, Macht war noch nie mein Lebenselixier. Das war schon eher der Lohn.

Also Geld war Ihr Lebenselixier?

(Lacht.) Ja klar, was blieb mir anderes übrig? Ich hatte mein Leben lang nie ein reiches Erbe in Aussicht. Ich musste mir mein Geld immer selber verdienen.



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