Frau Peppel-Schulz, am Mittwoch hat TX Group die Jahreszahlen bekannt gegeben (persoenlich.com berichtete). Was ein bisschen überrascht hat: Warum gab es dieses Jahr nur eine Analysten- und keine Pressekonferenz?
Wir als Tamedia setzen konsequent auf die Dezentralisierung und stellen unsere Eigenständigkeit in den Fokus. Wir haben also bewusst dezentral kommuniziert – keinen grossen Event aus der TX Group heraus veranstaltet, sondern unternehmensspezifisch kommuniziert. Es gab die obligatorische Medienmitteilung der TX Group zu den Ergebnissen, anschliessend eine interne Kommunikation von Tamedia. Dafür haben wir ein neues dialogorientiertes Format aufgesetzt.
Wenn man die Jahreszahlen anschaut, stellt man fest: Die Zahlen sind durchzogen. Der Trend zeigt abwärts, ausser im Digitalgeschäft …
Wir sind alle von der aussergewöhnlichen Schwäche des Schweizer Werbemarktes im vergangenen Jahr betroffen. Das betrifft uns so wie alle anderen auf dem Schweizer Markt. Wir haben alle deutlich gespürt, dass der Werbemarkt sowohl im digitalen als auch im Printbereich sehr schwach war. Die ersten Wochen des neuen Jahres zeigen sich allerdings schon wieder vielversprechender …
… ist das der Trump-Effekt?
Ich kann es nicht nachvollziehen, woher diese Zurückhaltung im vergangenen Jahr stammt. Wir waren gut ins Jahr gestartet und hatten zunächst positive Signale von unseren Werbekunden erhalten. Dennoch haben sie sich im Jahresverlauf sehr konservativ verhalten, und der Gesamtmarkt in der Schweiz war eben ausserordentlich schwach. Jetzt hoffen wir natürlich auf eine positivere Entwicklung in 2025 auf Kundenseite. Dafür sind wir gut aufgestellt, denn wir haben gleichzeitig intern reagiert: Mit der Neuaufstellung der Tamedia Advertising durch die Übernahme der Goldbach-Teams, wollen wir näher an unseren Produkten, unseren Marken sein, wollen noch besser und zielgerichteter unseren Kunden neue Lösungen bieten. Hierfür setzen wir in Zukunft auf die Stärke der neuen Tamedia Advertising, die wir dafür entsprechend aufstellen.
Greifen dann diese neuen Massnahmen schon?
Ja, wir sind sehr positiv und auch positiv überrascht, wie gut wir in der neuen Redaktionsorganisation seit dem 1. Januar in dieses Jahr gestartet sind. Wir sehen tatsächlich, dass wir unsere finanziellen, prozessualen und Qualitätsthemen bereits viel besser umsetzen können als zuvor.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein gutes Beispiel, über das auch extern viel berichtet wurde, ist der Inhalte-Austausch zwischen der Westschweiz und der Deutschschweiz durch unsere Zentralredaktion. Dabei verringern wir keinesfalls die Vielfalt der Inhalte. Im Gegenteil: Wir konnten in diesem Jahr bereits schöne Inhalte miteinander teilen und dadurch sogar mehr Diversität schaffen. So konnten wir beispielsweise eine hervorragende Geschichte über einen Lotterie-Betrugsfall aus der Westschweiz auch in der Deutschschweiz publizieren, die bei unserer Leserschaft sehr gut ankam. Prozessual haben wir das gut gemeistert und auch unsere Journalistinnen und Journalisten sehen, dass sie nun eine grössere Reichweite für ihre Inhalte haben. Das sind bereits gute Beispiele dafür, dass unser Konzept funktioniert. Wichtig dabei: Unser Anspruch an die Qualität unserer Produkte stimmt – trotz dieser grossen Umstrukturierung. Wir sind gut gestartet.
«Unser Ziel ist es nun, am Markt wesentlich stärker und schlagkräftiger aufzutreten»
Ist die Umstrukturierung jetzt zu Ende oder geht das noch weiter im neuen Jahr?
Das hängt natürlich auch vom jeweiligen Bereich ab. Im Bereich der Redaktion sind wir weitgehend gut aufgestellt – soweit man heute von «final» sprechen kann. Denn wir befinden uns ja in einem ständigen Wandel und wollen uns gegenüber Innovationen oder neuen Themen keinesfalls verschliessen. Im Werbemarkt werden wir unsere Aufstellung nun entsprechend für die digitalen Herausforderungen weiterentwickeln.
Ein Personalabbau?
Wir haben ein starkes Team übernommen, wie es ist. Unser Ziel ist es nun, am Markt wesentlich stärker und schlagkräftiger aufzutreten. Dazu wollen wir beim neuen Werbemarktteam eine neue Arbeitsweise und Zusammenarbeit mit anderen Teams entwickeln. Und natürlich arbeiten wir am Aufbau des Digital Hubs, also des digitalen Geschäftes, wo wir neue Talente mit neuen Skills vom Markt holen und jetzt mit dem neuen Chief Digital Officer gestartet sind. Da passiert noch einiges.
Haben Sie eine Ahnung, wie lange es Print noch gibt?
Das ist bei der dynamischen Entwicklung auch und gerade mit KI schwer zu sagen. Was wir für Tamedia definitiv planen, ist, so lange wie möglich Print zu machen – unser taktischer Imperativ. Ich gehe mal von mindestens den nächsten zehn Jahren aus. Unser strategisches Ziel ist es, das digitale Geschäft radikal nach vorne zu entwickeln.
«Digital stärken wir die Marke weiter»
Zwei Themen gaben zu diskutieren, die Einstellung des Züritipp und diejenige des Landboten. Hat Sie die Emotionalität auf diese Massnahmen überrascht?
Ich möchte auch hier nochmal betonen: Die beiden Titel sind nicht eingestellt worden. Wir haben uns aus Gründen der wirtschaftlichen Darstellbarkeit für die digitale Weiterentwicklung des Züritipp entschieden. Diesen gibt es nur nicht mehr als Printversion. Digital stärken wir die Marke weiter. Den Landboten gibt es weiterhin in Print, digital integrieren wir die Inhalte in den Tagi. Wir sprechen hier natürlich über etablierte Marken mit einer klaren Identität und einer treuen Leserschaft. Daher haben mich die emotionalen Reaktionen nicht überrascht. Wenn sich eine Marke verändert oder ein Kanal – wie Print – nicht mehr existiert, sind die Reaktionen natürlich kritisch. Der grösste Protest kam ironischerweise von Institutionen und Gruppen, die selbst nicht mehr in Print investieren.
Sie sprechen die Behörden an?
Ja, diese setzen auch auf Digital – völlig legitim – und platzieren ihre Budgets zum Beispiel bei Stelleninseraten nicht mehr in unseren Marken. «Wir müssen doch digital sein» und sagen gleichzeitig: «Aber wir brauchen doch den Printjournalismus». Das Gleiche gilt für die Kulturszene: Einerseits macht man Werbung im Digitalen – Veranstaltungsinserate – und lamentiert dann, dass es den gedruckten Züritipp nicht mehr gibt. Eine sehr widersprüchliche Diskussion, die uns letztlich allen auf die Füsse fällt.
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07.03.2025 14:26 Uhr
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