15.02.2022

Medienpaket

«Wir geben jetzt Gas»

Mit dem Mediengesetz hätten erstmals auch Onlinemedien staatliche Fördermittel erhalten. Nach dem Volksnein ist diese Option vom Tisch. Was bedeutet das für junge Onlinemedien? Andrea Fopp, Chefredaktorin des Basler Portals Bajour, erklärt, warum das Resultat eine Herausforderung und Chance zugleich ist.
Medienpaket: «Wir geben jetzt Gas»
«Ich hoffe, dass die Politik einen neuen Anlauf nimmt. Wir warten aber nicht darauf», sagt Bajour-Chefredaktorin Andrea Fopp. (Bild: Pino Covino)
von Maya Janik

Vor der Abstimmung am 13. Februar haben Sie klargemacht, dass Bajour die Fördermittel vom Staat annehmen würde, sollte das Medienpaket an der Urne Erfolg haben. Das Volk hat es abgelehnt. Müssen Sie jetzt um die Zukunft von Bajour fürchten?
Wir haben das grosse Glück, dass wir von der Stiftung für Medienvielfalt unterstützt werden. Ansonsten tun wir, was wir immer tun: Wir geben unser Bestes, damit wir den Baslerinnen und Baslern einen Service und einen Mehrwert bieten, damit sie uns unterstützen. Aber mittlerweile geben es sogar die grossen Verlage zu: Mit Lokaljournalismus lässt sich in der kleinräumigen Schweiz kein Geld verdienen. Jetzt haben wir die Wahl: Wollen wir, dass reiche Investoren mit politischer Agenda serbelnde Medien aufkaufen und nach ihrem Gusto ausrichten, oder wollen wir transparent unterstützten Journalismus? Ich bin für Letzteres und hoffe, dass die Politik einen neuen Anlauf nimmt. Wir warten aber nicht darauf.

Was haben Sie vor?
Wir geben jetzt Gas und arbeiten mit voller Kraft für einen digitalen Lokaljournalismus der Zukunft. Das machen wir aber nicht alleine: Wir haben uns im Netzwerk WePublish mit kleinen Onlineprojekten vernetzt. Zusammen sind wir stärker. Ausserdem setzen wir bei Bajour voll auf die Ausbildung journalistischen Nachwuchses.
«Zusammen mit anderen kleinen Onlineprojekten sind wir stärker»
Was hätte die Medienförderung im Falle von Bajour konkret verändert?
Wir sind klein und agil. Mit der Medienförderung hätten wir in Kürze ein bis zwei zusätzliche Stellen und eine Bundeshausredaktion schaffen können. Die Region Basel hat nämlich keine einzige mehr. Wir werden andere Wege finden, nur dauert das jetzt halt ein wenig länger.
 
Warum ist das Paket aus Ihrer Sicht gescheitert? 
Das Paket war ein gutschweizerischer Kompromiss, aber den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern wohl zu überladen. Die Leute haben nicht verstanden, weshalb nicht nur kleine und mittlere Redaktionen, sondern beispielsweise auch Tamedia Geld bekommen sollten. Der Verlag hat seinen Aktionären Dividenden ausgezahlt. Auch haben die Referendumsführer mit ihrer Kampagne gegen sogenannte «Staatsmedien» Zweifel gesät, ob subventionierte Onlinejournalistinnen und Onlinejournalisten noch unabhängig sind. Und einige Menschen sind vielleicht auch einfach resigniert, weil sie sich schon daran gewöhnt haben, keine eigene Zeitung mehr zu haben.
 
Wie haben Ihre Leserinnen und Leser auf das Nein reagiert? 
Eine Leserin ist sofort Gönnerin geworden. Andere haben mir geschrieben, dass sie das Nein zum Mediengesetz bedauern, sich aber darüber freuen, dass Bajour trotz des Neins mehr junge Journalistinnen und Journalisten ausbildet. Einige haben entschuldigend gesagt, sie hätten den Tamedia-Verleger Pietro Supino nicht unterstützen wollen und deshalb Nein gestimmt. Und zwei Leser haben mich darauf hingewiesen, dass ich in meinem Kommentar zum Mediengesetz «dass» statt «das» mit einem «s» geschrieben hätte – Thierry und Lony, sorry dafür!
 
Basel-Stadt hätte das Medienpaket angenommen. Was ist dort anders gelaufen?
Die Gegnerinnen und Gegner haben während des Abstimmungskampfes einen Links-Rechts-Graben aufgerissen. Dementsprechend haben die Schweizerinnen und Schweizer vielerorts auch so abgestimmt: dafür in den urbanen Zentren, dagegen auf dem Land mit Ausnahmen. Das zeigt sich auch in meinem Kanton: Basel hat Ja gesagt. Doch die beiden bürgerlichen Gemeinden, Riehen und Bettingen, haben Nein gestimmt. 
«Eine Leserin ist sofort Gönnerin geworden»
Ändert das Nein etwas in der Schweizer Medienlandschaft? 
Weitere Lokalmedien werden eingehen. Für kleine Printhäuser wird es immer härter. Es ist keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Journalistinnen und Journalisten der regionalen Politik und Wirtschaft auf die Finger schauen. Aber gleichzeitig wird es weiterhin Journalistinnen und Journalisten geben, die alles geben, um neue, zukunftsträchtige Redaktionen aufzubauen.
 
Bundesrätin Simonetta Sommaruga fordert, dass Schweizer Medien Geld von den Internetgiganten wie Google und Facebook erhalten. Sie haben das kritisiert. Warum wäre das nicht gut?
Erstens macht das die Schweizer Medien noch abhängiger von den USA. Stattdessen vernetzen wir von Bajour uns lieber mit Schweizer Medien. Zweitens profitieren nur Grossverlage mit grosser Reichweite und überregionalen Inhalten, die für viele Schweizerinnen von Interesse sind. Ein Bericht eines kleinen Lokalmediums ist nur für die Menschen in dieser Region spannend. Bei Google und Facebook lässt sich damit nicht viel rausholen. 
 
Vor welchen Herausforderungen stehen heute junge Onlinemedien? 
Erstens die Finanzen: Je kleiner die Region, desto weniger Geld lässst sich mit Inseraten und Abonnements verdienen. Weil die Gruppe an potenziellen Leserinnen und Lesern kleiner ist. Relevante, gute Geschichten kann man aber nur liefern, wenn man Journalistinnen und Journalisten hat, und die sind teuer und auch immer seltener zu finden. Zweitens das Marketing: Heute kann man nicht einfach einen eigenen Artikel ins Internet stellen und sicher sein, dass der schon gelesen wird. Man muss sich überlegen: Wie biete ich der Bevölkerung einen Mehrwert? Das ist aber auch gut so: Es zwingt uns, unternehmerisch zu denken und publizistisch entsprechend zu handeln. Und das tut dem Journalismus gut. 
 


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