21.12.2016

Tamedia

«Wir haben immer weniger Ressourcen»

Tamedia spart auch in Zürich: Durch die neue Kooperation mit der «Süddeutschen» braucht es nicht nur weniger Freie, sondern im Auslandressort weniger Personal. Chefredaktor Arthur Rutishauser erklärt, warum er Word abgeschafft hat und dem «Züritipp» den einzigen Film-Kritiker wegspart.
Tamedia: «Wir haben immer weniger Ressourcen»
Arthur Rutishauser ist Chefredaktor von Tagi, SoZ, Magazin, tagesanzeiger.ch und Züritipp. (Bild; zVg.)

Herr Rutishauser, wird der Tagi durch die Kooperation mit der «Süddeutschen» hochnäsig?
Der Tagi ist hoffentlich nicht hochnäsig. Hochnäsig ist in diesem Fall wohl eher die «Weltwoche». Oder vor allem Zimmi, der solches behauptet.

Kurt W. Zimmermann schrieb in seiner letzten Kolumne, dass die gesamte Tagi/SoZ-Auslandberichterstattung, aber auch Teile der Ressorts Wissen, Kultur, Gesellschaft und Sport künftig in München produziert werden.
Das stimmt nicht. Ich habe keine Ahnung, wie Zimmi auf diese Idee kommt. Natürlich übernehmen wir Artikel von der «Süddeutschen» und die Kollegen in München übernehmen Texte von uns  – aber produziert wird der «Tages-Anzeiger» hier auf der Redaktion in Zürich. Es ist und bleibt die zentrale Aufgabe der Auslandredaktoren von Tagi und «SonntagsZeitung» die Texte hinsichtlich Textlänge, Titel oder Lead so anzupassen, dass sie dem Blickwinkel und Stil des «Tages-Anzeigers», oder der «SonntagsZeitung» entsprechen. Die «Süddeutsche» wird es bei den Inhalten, die sie von uns übernehmen, genauso halten.

Es wird also nicht von München aus direkt ins Tagi/SoZ-Layout reingetippt.
Nein.

Auch wenn Tamedia herausstreicht, welche Vorteile diese Kooperation für den Leser haben kann: Es handelt sich um eine Sparmassnahme.
Die wichtigste Frage, die alle in der Medienbranche umtreibt, ist: Wie kann man mit einem immer kleiner werdenden Redaktionsbudget weiterhin eine gute Zeitung machen. Dass wir künftig das vollständige Korrespondenten-Netz der «Süddeutschen» mitbenützen und bei Standort- und Personalentscheiden mitentscheiden werden, ist ein riesiger Gewinn für unsere Leserinnen und Leser. Nicht mehr viele Zeitungen leisten sich so viele Korrespondenten. In der Schweiz hat einzig die «Neue Zürcher Zeitung» ein vergleichbares Netz. Die Alternative zur Kooperation wäre, auf weitere Korrespondenten zu verzichten und nur noch die Angebote von Agenturen und Freien zu nutzen. Diese sind jedoch qualitativ nicht so gut. Daher bedeutet diese Kooperation eine grosse Chance. Ich verstehe nicht, warum wir deswegen kritisiert werden. Wir arbeiten seit 2009 mit der «Süddeutschen» zusammen. Für die Themen, bei denen es fast ausschliesslich um die Schweizer Perspektive geht, haben wir weiterhin zwei eigene Korrespondenten in Brüssel und Berlin.

Müssen Sie tatsächlich 12 Prozent des Redaktionsbudgets einsparen, wie es die «Schweiz am Sonntag» geschrieben hatte?
Die 12 Prozent stimmen nicht. Wir müssen sparen, doch die Prozent-Zahl ist viel kleiner als die im Artikel genannte. Ich weiss nicht, wie der Autor Christof Moser darauf kommt.

Künftig brauchen Sie aber weniger Ausland-Redaktoren in Zürich: Bis vor einigen Tagen waren es noch sechs, schon jetzt wird eine 50-Prozent-Stelle gestrichen.
Das stimmt: Im Ausland ist eine Person ins Ressort Inland verschoben worden. Der Grund dafür ist tatsächlich, dass wir im Ausland nun Synergien mit der «Süddeutschen» haben und Zürich weniger Leute benötigen. Aber es ist nun einmal so: Wir haben immer weniger Ressourcen und müssen damit gleichzeitig neue Angebote anbieten, viele davon online. Unser Ziel ist, dem Leser ein gutes Produkt liefern zu können. Ich finde diese Strategie richtig. Im Fall der «Schweiz am Sonntag» wird eine ganze Ausgabe eingestellt.

Überlegt sich Tamedia ebenfalls, die SoZ zu streichen oder erhoffen Sie sich nun neue Leser?
Die «SonntagsZeitung»  ist seit diesem Herbst die meistgelesene Sonntagszeitung  der Schweiz und für Tamedia ist das immer noch ein gutes Geschäft, daher wäre eine Wochenendausgabe keine gute Idee. Durch das Ende der «Schweiz am Sonntag» hoffen wir, mehr Leser gewinnen zu können.

Sprechen wir noch über den «Züritipp». Dort haben Sie die Stelle des Filmkritikers gestrichen.
Ja, dieser Redaktor geht in Pension. Wir haben entschieden, diese Stelle nicht mehr wiederzubesetzen. Im gemeinsamen Kultur-Ressort von Tagi und SoZ haben wir zwei Filmkritiker. Diese beiden arbeiten ab sofort auch für den Züritipp. Das gehört dazu: Am einen Ort müssen wir sparen, an einem anderen bauen wir neue Stellen auf, so zum Beispiel im neuen Video-Team.

Wie lange wird es den «Züritipp» noch geben: Glauben Sie an eine Zukunft für diese Publikation?
Es gibt ganz klar ein Bedürfnis nach Informationen über Veranstaltungen, Kritiken zu Konzerten oder Restaurantberichten. Beim Züritipp sind keine Veränderungen geplant.   

Bei all den Sparmassnahmen: Einige Mitarbeiter ärgert es, dass Sie ihnen sogar Word gestrichen haben.
Wir haben nicht Word gestrichen, sondern wechselten vor einem Jahr von Microsoft-Office zu Google-G-Suite. Wir arbeiten neu mit Gmail, Google Docs und Google Drive. Das hat insbesondere in der Zusammenarbeit Vorteile. Vorher war es zum Beispiel nicht möglich, vor unterwegs auf Daten zuzugreifen oder gemeinsam an einem Dokument zu arbeiten.

Ist es nicht heikel, wenn Google die Themenplanung oder Recherchen Ihrer Redaktion mitlesen kann?
Google liest natürlich nicht mit. Ob nun Google Docs oder Word, beide Angebote sind heute cloudbasiert und unterscheiden sich punkto Vertraulichkeit überhaupt nicht. Ich sehe nicht, warum Google Docs problematischer sein sollte als das neue Word.

Misstrauen erweckt, dass alle Mitarbeiter ihre private Handynummer Google mitteilen müssen für einen Sicherheitscode.
Ja, es hat Diskussionen gegeben, auch wenn das so nicht stimmt. Die Handynummer im Tamedia-Account zu hinterlegen, ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, um wie beim E-Banking die Sicherheit zu erhöhen. Wer seine Handynummer nicht eingeben will, kann sich auf sein Bürotelefon anrufen lassen oder eine Code-Liste ausdrucken. Wer das Handy für seine geschäftlichen Mails benutzen will, braucht aber ein Sicherheitszertifikat, damit die vertraulichen Dokumente geschützt sind, falls das Handy gestohlen oder verloren wird.

Und wer das nicht will, kann ein Geschäftshandy verlangen?
Das hat damit nichts zu tun. Ich würde jedem empfehlen, das private oder das Geschäfts-Handy so zu schützen, wie das Tamedia nun umsetzt, nämlich mit einem Pin und mit einer Zwei-Faktor-Authentifizierung.


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KOMMENTARE

Rita Imwinkelried
08.01.2017 21:47 Uhr
"Die Alternative zur Kooperation wäre, auf weitere Korrespondenten zu verzichten und nur noch die Angebote von Agenturen und Freien zu nutzen. Diese sind jedoch qualitativ nicht so gut...." Danke fuer diese Herabsetzung der Freien! Vielleicht stellen sie fuer Herrn Rutishauser eine Art bunter Hunde dar.
Armin Keusch-Walter
03.01.2017 17:55 Uhr
Neue Folge der Serie "Die Bestatter". In den Hauptrollen: Arthur Rutishauser und Pietro Supino. Produktion und Profit: CC (Coninx-Clan) GmbH, Zürich. Prädikat: besonders schäbig.
Robert Holzwart
27.12.2016 16:31 Uhr
Einmal mehr zeigt sich, bei TA-Media ist Publizistik ein Auslaufmodell. Texte kürzen, Sponsored Content übernehmen und Publi-Reportagen schreiben. Das Leben des TA-Redaktors.
Grüter, Roland
22.12.2016 15:27 Uhr
Die Liquidation der Filmkritik im Züri-Tipp, wahrscheinlich demnächst auch im Tagi, ist schlichtweg eine Schweinerei, Kultur ist für die Tamedia anscheinend überflüssig, damit werden auch die Publikationen überzählig.
Jörg Meili
22.12.2016 01:00 Uhr
Die ganze Tristesse dieses Interview in einem Satz: "Es ist und bleibt die zentrale Aufgabe der Auslandredaktoren von Tagi und «SonntagsZeitung» die Texte hinsichtlich Textlänge, Titel oder Lead so anzupassen, dass sie dem Blickwinkel und Stil des «Tages-Anzeigers», oder der «SonntagsZeitung» entsprechen." Die zentrale Aufgabe von Auslandsredaktoren ist das Anpassen von Texten.
Nico Herger
21.12.2016 17:45 Uhr
Ziemlich dünnhäutig, der Herr Chefredaktor. Die Süddeutsche hat Trump als "Politclown mit rotem Kopf und lächerlicher Frisur" beschrieben. Kann man natürlich. Aber der Vorwurf der Arroganz ist bestimmt nicht aus der Luft gegriffen.
Marlies Strech
21.12.2016 16:03 Uhr
Der TA muss angeblich sparen, weil die Inserate schwinden bzw. anderweitig untergebracht werden. Aber diese anderweitigen Online-Firmen gehören ebenfalls zu TA-Media. Mir ist unverständlich, dass eine Quersubventionierung offenbar nicht selbstverständlich ist..
Robert Weingart
21.12.2016 11:29 Uhr
"Die Alternative zur Kooperation wäre, auf weitere Korrespondenten zu verzichten und nur noch die Angebote von Agenturen und Freien zu nutzen. Diese sind jedoch qualitativ nicht so gut.... Ich verstehe nicht, warum wir deswegen kritisiert werden.". Vielen Dank für die Beleidigungen, Herr Rutishauser. Freie sind also qualitiativ nicht so gut gemäss Ihnen. Also doch hochnäsig, hä?
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