16.09.2020

Serie zum Coronavirus

«Wir hatten Einbrüche bis zu 40 Prozent»

Folge 119: Andrea Masüger hat während der Coronazeit jeden Tag eine Kolumne geschrieben. Der langjährige Journalist und heutige VR der Somedia über die Medienkrise und Tourismus in Graubünden.
Serie zum Coronavirus: «Wir hatten Einbrüche bis zu 40 Prozent»
«Wenn die Medien für die Demokratie so wichtig sind, wie alle sagen, dann steht der Staat auch in der Verantwortung, dass diese weiterhin ihre Funktion erfüllen können», sagt das Verwaltungsratsmitglied von Somedia im Interview. (Bild: zVg.)

Herr Masüger, Sie haben während der Coronazeit jeden Tag eine Kolumne geschrieben. Sind Ihnen die Themen dabei nicht ausgegangen oder anders gefragt: Ist es nicht langweilig, immer über dasselbe schreiben?
Im Gegenteil. Während des Lockdowns war die Themenvielfalt enorm, von der Frage, ob man Alte einfach «opfern» sollte bis hin zum Masken-Theater. Die Redaktion hat für mich extra eine Rubik «Corona-Kolumne» geschaffen. Ich habe in meiner über 40-jährigen Tätigkeit als Journalist noch nie so viele Reaktionen aus der Leserschaft erhalten, das Interesse war enorm. Und ich habe seit meiner Teilpensionierung noch nie so viel gearbeitet, wie während des Lockdowns...

Können die Leute das Wort «Corona» überhaupt noch hören?
Ob sie es hören wollen oder nicht – sie müssen sich damit auseinandersetzen. Die Medien leisten dafür nach wie vor eine gute Arbeit, an der man sich orientieren kann.

Wie ist die «Stimmung» im Bündnerland momentan?
Man nimmt es hier einigermassen gelassen, auch weil die Fallzahlen tief sind. Ich stelle aber eine zunehmende Sorglosigkeit fest. Jetzt, wo die Fallzahlen wieder stark steigen, fährt man die Prävention wieder herunter, in Beizen, in Läden, im persönlichen Verhalten. Hoffentlich kommt das gut.

Touristisch war der Sommer aufgrund der besonderen Lage bei Ihnen gut. Wie wird der Winter? Viele Touristenorte fürchten sich. Zu Recht?
Der Sommertourismus war in Graubünden ein Renner, die grossen Ferienorte waren überfüllt. Es war schön, hier vor allem viele Westschweizer zu sehen. Ich gehe davon aus, dass sich diese Erfolgsgeschichte im Winter fortsetzt, vor allem mit Sportarten, die nicht Corona-kritisch sind, wie Langlaufen oder Schneewandern. Die Bündner Touristiker haben zwei Eigenschaften: Sie sind sehr kreativ und sie jammern gerne präventiv.

Sie sind immer noch Verwaltungsrat bei Somedia. Wie hat sich Corona bei Ihnen auf den Werbemarkt ausgewirkt?
Wir hatten, je nach Titel, Einbrüche von bis zu 40 Prozent. Wir sind deshalb froh, dass die Eidgenössischen Räte die Corona-Sofortmassnahmen beschlossen haben. Diese sind übrigens dem Bündner Ständerat Stefan Engler zu verdanken.

Sehen Sie baldige Besserung?
Seit Juni hat sich die Lage wieder etwas aufgehellt. Was uns weiterhin fehlt, sind die Stellenanzeigen und die Veranstaltungswerbung mit rund 40 bis 60 Prozent Minus zum Vorjahr. Und wir gehen – wie die ganze Branche – davon aus, dass der Vor-Corona-Stand kaum mehr je erreicht werden kann.

Vermissen Sie die operative Tätigkeit als CEO manchmal?
Nein. Ich bin mit meiner schreibenden Tätigkeit und meinen Mandaten gut ausgelastet. Es ist wichtig, dass in den Medien jetzt die Jüngeren am Zug sind.

Sie sind immer noch im Vorstand Schweizer Medien. Sind Sie mit dem Verlauf der Medienförderungsdebatte zufrieden?
Trotz Meinungsverschiedenheiten im Präsidium des Verlegerverbandes ist es uns gelungen, den Nationalrat davon zu überzeugen, dass das Förderpaket von Bundespräsidentin Sommaruga nicht aufgeschnürt wird. Ich bin zuversichlich, dass es nun gut kommt. Die Massnahmen sind für die kleinen wie für die grossen Verlage wichtig. Deshalb ziehen jetzt wieder alle am gleichen Strick.

Was meinen Sie zum Vorwurf, unsere Verlage werden immer mehr vom Staat abhängig?
Der Vorwurf ist falsch. Wenn die Medien für die Demokratie so wichtig sind, wie alle sagen, dann steht der Staat auch in der Verantwortung, dass diese weiterhin ihre Funktion erfüllen können. Ausser im elektronischen Bereich sind ja alle Födermassnahmen nach wie vor indirekter Natur. Und so wenig Bern den privaten Radio- und TV-Sendern ins Programm reinredet, so wenig wird die Politik auf geförderte Onlinemedien Einfluss nehmen. Das sind alles Schreckgespenster, die auch durch die Forschung widerlegt sind.

Wo haben Sie dieses Jahr Ihre Ferien verbracht?
Ich war mit meiner Frau und Freunden für ein paar Tage im Appenzellerland und im benachbarten Feldkirch. Zusammen mit unserem Sohn gönnten wir uns noch zwei Nächte in Vals. Ansonsten war unser Haus in Chur das Feriendomizil.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Monate?
Der Tod meiner Schwiegermutter im fernen München mitten im Lockdown. Wir konnten sie nicht mehr besuchen. Dies zeigt die Verletzlichkeit unserer Zeit, die uns sonst so abgesichert scheint.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.


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