01.07.2020

VSGZ zu VSRM

«Wir kämpfen für gleich lange Spiesse»

Der Verband Schweizer Gratiszeitungen ändert seinen Namen zu Verband Schweizer Regionalmedien. Präsident Dani Sigel über die Gründe.
VSGZ zu VSRM: «Wir kämpfen für gleich lange Spiesse»
«Wir wollen niemandem etwas wegnehmen, wir wollen Gleichbehandlung aller Mediengattungen», sagt Sigler im Interview. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Sigel, warum ändert der VSGZ seinen Namen in Verband Schweizer Regionalmedien?
Die Idee von der Bezeichnung «Gratis» wegzukommen wird schon seit einiger Zeit in unseren Reihen diskutiert. Bei den immer stärkeren Bemühungen um Medienförderung bei Bundesrätin Sommaruga, dem Bakom oder auch bei der Post haben wir bemerkt, dass man unsere Gattung mit Anzeigern in einen Topf wirft. Mit dem Namenswechsel wollen wir aufzeigen, dass unsere Produkte einen hohen redaktionellen Anteil haben, der von eigenen Journalisten produziert wird. Die Produkte unseres Verbandes entsprechen allen Kriterien für die indirekte Medienförderung bis auf das Wort «bezahlt» oder «abonniert».

Erhoffen Sie sich durch die Namensänderung mehr Zuspruch?
Ja, wir wollen klar machen, dass unsere Produkte systemrelevant sind und zum demokratischen Meinungsbildungsprozess genau gleich viel Beitragen wie Tageszeitungen, Privatradios oder Privat-TV. Unsere Gattung ist die einzige, die keine indirekte Medienförderung erhält. Wir kämpfen für gleich lange Spiesse, auch vor dem Hintergrund, dass abonnierte Tageszeitungen je länger je mehr an Reichweite verlieren und wir gewinnen.

Ist «Gratiszeitung» in Bundesbern ein verpönter Begriff?
Verpönt nicht. In allen Gesprächen der letzten Wochen haben wir festgestellt, dass unsere Produkte zu wenig ernsthaft wahrgenommen werden. Wir sind guter Hoffnung, dass sich das bald ändern wird, da ja auch der neue Bakom-Direktor Bernard Maissen versprach, dass man  «keine Medienwüste» wolle. Nur schon deshalb ist es an der Zeit, dass wir bei der Verteilung von Fördergeldern nicht mehr links liegen gelassen werden.

«Wir sind am Ende der Nahrungskette und haben bestimmt auch am längsten zu leiden»

Wie gross ist der Schaden für Ihre Mitglieder während der Coronazeit?
Der Schaden ist für alle Mediengattungen enorm. Wir sind am Ende der Nahrungskette und haben bestimmt auch am längsten zu leiden. Die Mitglieder des VSRM erhalten, aufgrund der ungleichen Gesetzeslage, keine Unterstützung im Vertrieb. Auch dieses Ungleichgewicht führt zu einer Wettbewerbsverzerrung, gegen die wir uns zur Wehr setzen.

Welche Forderungen stellen Sie neu?
Wir wollen eine Gleichbehandlung gegenüber den bezahlten Medien, weil wir, bis auf diesen Punkt, alle Anforderungen erfüllen und noch mehr. Unsere Redaktionen arbeiten teilweise für Tages- und Wochenzeitungen, damit ist auch gewährleistet, dass die Berichterstattung unabhängig ist. Die Wochenzeitungen des VSRM erreichen wöchentlich über 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz und es werden tendenziell immer mehr. Das ist auch ein gutes Geschäft für Druckereien und Vertriebsorganisationen wie die Post. 50 Prozent der Gesamtmenge unter dem Titel «Gratiszeitungen» bei der Post machen die Produkte unseres Verbandes aus. Ich denke, auch die Post sollte höchstes Interesse daran haben, dass es uns weiterhin gibt und damit viele Arbeitsplätze abgesichert bleiben.

Sowohl beim Medienpaket wie jetzt neu bei der Medienförderung werden die Gratiszeitungen nicht berücksichtigt. Wie wollen Sie dies ändern?
In dem wir weiter für unsere Sache kämpfen und allen politischen Akteuren klar wird, dass hier eine massive Ungleichbehandlung stattfindet, die es zu beheben gilt.

Welchen Stellenwert nehmen die «Gratiszeitungen» in der Schweizer Medienlandschaft ein?
Einen immer grösseren. Unsere Produkte haben seit Jahren stabile Leserschaftszahlen, Tendenz steigend. Die abonnierten Zeitungen verlieren seit Jahren regelmässig Abonnenten und damit auch Leser. Zudem wurden die bezahlten Inhalte während Jahren auf den Onlineportalen kostenlos zur Verfügung gestellt, womit wir nun alle zu kämpfen haben. Wir sind keine Konkurrenz zu den Tageszeitungen, sondern die perfekte Ergänzung. Ein Meinungsbildungsprozess kann nur entstehen, wenn man sich aus verschiedenen Quellen Informationen holt. Wir sind genauso eine seriöse Quelle wie Radios, TV, Tageszeitungen.

«Mit dem Namenswechsel stehen wir nur noch ein respektvolles R nebeneinander, VSRM zu VSM»

Wird sich die Verbandsstruktur auch ändern oder nur der Namen?
Die Verbandsstruktur haben wir bereits vor ein paar Jahren modernisiert und sind darüber sehr dankbar. Auch in der Coronakrise waren wir mit den Mitgliedern regelmässig via Videokonferenzen verbunden und konnten sehr viel bewirken, auch wenn die Welt für ein paar Wochen still stand. Zudem wird das Interesse an unserem Verband immer grösser. In den vergangenen Monaten konnten wir vier Neumitglieder begrüssen.

Sind die Blocher-Gratiszeitungen auch in Ihrem Verband?
Nein. Soll ich jetzt sagen «leider»? Die Titel aus dem ehemaligen Zehnder-Verlag sind unterschiedlich ausgeprägt. Es gibt Titel die perfekt in unseren Verband passen würden und ich habe diesbezüglich immer wieder Gespräche mit Rolf Bollmann geführt. Am Ende kämpfen wir um die gleiche Sache. Gemeinsam wäre bestimmt cleverer.

Verstehen Sie sich als Konkurrenz zum Verband Schweizer Medien?
Nein. Die Coronakrise zeigt, dass ein vernünftiges Zusammenstehen alle weiterbringt. Wir setzen uns gezielt für eine Mediengattung ein, die der VSM grundsätzlich auch vertritt.

Wie ist die Stimmungslage unter Ihren Mitgliedern?
Da gibt es zwei Gemütszustände: Einerseits die Ohnmacht im Zusammenhang mit der Coronakrise und den wirtschaftlichen Auswirkungen und Folgen. Andererseits ein Wille, Mut und Aufbruch für unsere Gattung zu kämpfen. Wir sind alle fest entschlossen, dass wir diese Gleichbehandlung erreichen werden. Auch wenn das heisst, dass der Medientopf monetär nochmals erhöht werden muss. Wir wollen niemandem etwas wegnehmen, wir wollen Gleichbehandlung aller Mediengattungen. Bei den elektronischen Medien geht das wunderbar, obwohl niemand für das Hören von Privatradios bezahlt.



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Kommentare

  • Dieter Widmer, 02.07.2020 08:19 Uhr
    Gratisblätter sollen systemrelevant sein? Aber sicher nicht. Gratisblätter sind fast immer mit kleinstem journalistischen Aufwand gemacht. Sie sind geschaffen worden, um Geld mit den Inseraten zu machen. Ich kene keine Gratiszeitung, die sich auch nur annähernd mit einer Bezahlzeitung vergleichen könnte. Hoffentlich bleibt der Bundesrat hart und verwehrt ihnen jegliche Vergünstigungen.
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