21.10.2018

Ringier

«Wir mussten extrem hartes Brot essen»

Robin Lingg, der Neffe von Michael Ringier, soll irgendwann in die Fussstapfen seines Onkels treten. Bereits jetzt ist der 39-Jährige im Verlag operativ tätig. Ein Gespräch über die Wachtablösung, die Bedeutung von Print bei Ringier und Voodoo in Afrika.
Ringier: «Wir mussten extrem hartes Brot essen»
Was der «Beobachter» leistet, ist fantastisch, sagt Robin Lingg. (Bild: Sabine Wunderlin)

Herr Lingg, Sie sind seit fünf Jahren operativ bei Ringier tätig. Heute sind Sie Head Marketplaces sowie Mitglied des Group Executive Board der Ringier AG. Brauchten Sie viel Bedenkzeit, um in die Firma einzusteigen?
Ich war bereits Mitglied des Verwaltungsrates von Ringier, als mich Marc Walder vor einer VR-Sitzung zur Seite nahm und fragte, ob ich mir vorstellen könne, in einer operativen Rolle in die Firma einzutreten. Ich habe zu Marc gesagt, dass dies nicht meine, sondern eine Entscheidung der Familie sein sollte.

Sie haben sich die Sporen bei Ringier im Auslandgeschäft verdient. Während vieler Jahre waren Sie in Asien und vor allem in Afrika tätig. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Diese Erfahrungen waren komplett unterschiedlich: Asien war vor allem Umbau, Afrika hingegen Aufbau. Als ich vor fünf Jahren in Afrika eingestiegen bin, beschäftigten wir in den drei Ländern Kenia, Nigeria und Ghana zwanzig Mitarbeiter. Bereits damals haben wir realisiert, dass eine kontinentale Strategie notwendig ist. Anfänglich war ich jeden Monat drei Wochen in Afrika. Doch diese Investition hat sich gelohnt: Mittlerweile haben wir dort zwei solide Firmen – ROAM (Ringier One Africa Media) und RADP (Ringier Africa Digital Publishing). ROAM ist im Rubriken-Business tätig, RADP digital-publizistisch. Dabei war es immer unser Ziel, lokale Unternehmen aufzubauen.

 «Wir mussten feststellen, dass niemand auf uns gewartet hatte»

Dass dies anfänglich nicht ganz einfach war und auch Unterstützung von aussen brauchte, versteht sich von selbst. Viele Ideen waren gänzlich neu für diese Märkte. Aber man muss die Welt nicht neu erfinden: Gerade im Onlinemarketing zogen wir Experten aus Europa bei, die zusammen mit unseren lokalen Kollegen für die notwendige Lernkurve gesorgt und wichtige Expertise aufgebaut haben. Wir haben zuerst eine Strategie für unsere afrikanischen Firmen entworfen und anschliessend implementiert. Heute sind wir in Nigeria, Ghana, Senegal, Kenia, Tansania, Uganda und Äthiopien operativ vertreten. Zudem mit einem Headquarter für unser Classifieds-Business in Südafrika. Von den 700 Mitarbeitern sind 95 Prozent lokale Talente, in einigen Ländern gar 100 Prozent der Mitarbeiter.

Wer hatte eigentlich die Ur-Idee, nach Afrika zu gehen?
Die Ur-Idee stammte von Thomas Trüb. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs expandierten wir in den Osten, später nach Asien. Durch diese Erfahrungen und Erfolge entwickelte sich dann die Idee, auch in Afrika tätig zu werden.

Ein bisschen überspitzt formuliert: Letztendlich ist Ringier ein Schweizer KMU. Wie sinnvoll ist es, die Welt von der Dufourstrasse aus zu steuern?
Das ist auch nicht unsere Absicht. Deswegen gründen wir lokale Unternehmen, die an uns rapportieren. Egal, ob man eine Firma in der Schweiz, in Asien oder in Afrika führt: Am Ende benötigt man immer die richtigen Menschen, die das Projekt vor Ort betreuen können.

«In Ghana wird vor und nach jedem wichtigen Meeting gebetet»

Was war Ihre aussergewöhnlichste Erfahrung in Afrika?
Wir haben anfänglich sicherlich Fehler gemacht. Die Vorstellung beispielsweise, dass man in Afrika ein erfolgreiches E-Commerce-Business wie in der Schweiz aufziehen könne, erwies sich als falsch, da dort weder eine geeignete Infrastruktur noch ein funktionierendes Ökosystem existierte. In den ersten zwei Jahren mussten wir extrem hartes Brot essen. Wir mussten feststellen, dass niemand auf uns gewartet hatte. Dies hat sich zwischenzeitlich geändert. Im Gegensatz zu vielen anderen Firmen, die nach den ersten Widerständen ihre Zelte abgebrochen haben, bewiesen wir Standfestigkeit und dass wir ein Projekt durchziehen können. Dies hat uns lokal sehr viel Anerkennung eingebracht.

Ganz naiv gefragt: Spielt Voodoo in Afrika eine Rolle?
(Lacht lautstark.) Die afrikanischen Kulturen sind sehr unterschiedlich. Die verbreitete Annahme, wonach Afrika nur aus Safari und Voodoo besteht, ist komplett falsch und Letzteres schon ein fast grenzwertiger Gedanke. Doch diese Erfahrung mussten wir selbst vor Ort machen. Das Gleiche gilt auch für Asien. In Vietnam beispielsweise löschen alle Büros von 12.30 Uhr bis 13 Uhr die Lichter, damit die Mitarbeiter einen Mittagsschlaf machen können. Bei uns völlig undenkbar. In Ghana wird vor und nach jedem wichtigen Meeting gebetet.

Zurück zu Ringier. Wer ist für Ihr Unternehmen die grössere Konkurrenz: Google oder Tamedia?
Das muss man differenziert betrachten. Selbstverständlich sind die amerikanischen Technologieriesen eine grosse Herausforderung für uns. Tamedia ist Partner und Konkurrent in einem.

«Wir sind gegenüber dem Print immer ein bisschen despektierlich»

Wie betrachten Sie die Entwicklung von Admeira?
Admeira ist das richtige Konstrukt mit der richtigen Vision. Die Anfangsprobleme konnten weitgehend behoben werden. Politisch und unternehmerisch sind wir auf dem richtigen Weg.

Welche Rolle wird nach Ihrer Ansicht der Print in Zukunft spielen?
Wir sind gegenüber dem Print immer ein bisschen despektierlich. Der «Blick» ist nach wie vor eine starke Marke. Zudem verdient Ringier Axel Springer Schweiz mit seinen Magazinen auch heute noch gutes Geld. Obwohl unsere Zukunft zweifelsohne im Digitalen liegt, müssen wir aufpassen, dass wir den ursprünglichen Print nicht zu geringschätzen. Was zum Beispiel der «Beobachter» leistet, ist fantastisch. Viele dieser Brands haben sich digitalisiert und richtig für die Zukunft positioniert.

Anfang des Jahres wurde bekannt, dass Sie in «die Fussstapfen von Michael Ringier» treten werden (persoenlich.com berichtete). Was heisst das konkret? Werden Sie der neue Ringier-Verleger?
Anlässlich unserer Managementkonferenz im Januar haben wir bekannt gegeben, dass wir als Familie wichtige Weichen für die Zukunft gestellt haben. Marc Walder hat einen 10-Prozent-Anteil am Unternehmen erworben. Er ist weiterhin CEO des Unternehmens und zudem designierter Nachfolger von Michael Ringier als Verwaltungsratspräsident. Ebenfalls bekannt gegeben wurde, dass ich – im Zeichen der Generationenplanung innerhalb unserer Familie – mittelfristig die Führungsrolle der sechsten Generation übernehmen werde.

Wann findet diese Wachtablösung statt?
Es sind derzeit keine Veränderungen, weder an der Spitze des Verwaltungsrates noch im Management, geplant.


Das ausführliche Interview mit Robin Lingg finden Sie in der aktuellen «persönlich»-Ausgabe. Darin spricht Lingg auch über seine Liebe zu Lateinamerika, die digitale Zukunft von Ringier und erklärt, warum das Unternehmen aus dem Chinageschäft ausgestiegen ist.



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