17.04.2023

SRF

«Wir versuchen schon, den Laden etwas aufzumischen»

Philip Wiederkehr will «Studio 404» dorthin bringen, wo «Zwei am Morge» aufgehört hat. Dafür setzt der Projektleiter der neuen Satireshow mehr auf Erfahrung und Experiment als auf Studien und Spezialisten. «Entweder es funktioniert oder es funktioniert nicht.»
SRF: «Wir versuchen schon, den Laden etwas aufzumischen»
«Wir funktionieren sehr autonom als Redaktion innerhalb von SRF»: Philip Wiederkehr über den grossen Spielraum von «Studio 404». (Bild: René Tanner)

Philip Wiederkehr, was hat «Studio 404» von seinem Vorgängerformat «Zwei am Morge» mitgenommen?
Viel von der alten DNA ist erhalten geblieben. «Studio 404» ist gar nicht so weit entfernt von «Zwei am Morge». Das liegt auch an der personellen Kontinuität. Neben mir sind mit Matthias Püntener und David Meury auch noch zwei andere tragende Figuren aus dem alten Team dabei.

Was ist neu?
Die wichtigste Neuerung ist sicher, dass nun das Team im Vordergrund steht. Es ist nicht mehr so, dass die einen schreiben und die anderen vor der Kamera stehen. Wir haben darum für den Ausbau auch bewusst keine bekannten Figuren geholt, sondern Leute, die zwar zum Teil schon Comedy machen, aber noch nicht so bekannt sind. In erster Linie suchten wir Leute, die ins Team passen.

Müsst ihr nach einem Jahr Unterbruch wieder bei null anfangen?
Die grosse Masse hat noch nicht mitgekriegt, dass wir wieder da sind. Das schaffen wir nur mit viralen Videos, mit Hits und Sachen, welche die Bubble sprengen.

Einen ersten Hit habt ihr bereits gelandet mit dem Fake-Voice-Over eines Schweiz-Tourismus-Werbespots mit Roger Feder und Trevor Noah.
Da ist uns tatsächlich ein Hit gelungen. Das Video wurde bis jetzt auf Instagram über 300’000, und auf TikTok mehr als 200’000-mal angeschaut und brachte uns 2000 neue Abos.

«Den Druck machen wir uns selber, schliesslich wollen wir nicht Nischen-Content produzieren»

Wie wichtig sind solche Zahlen für euch?
Wir sind nicht zahlengeil. Den Druck machen wir uns selbst, schliesslich wollen wir nicht Nischen-Content produzieren, sondern die Massen erreichen. Bis Ende Jahr wollen wir wieder dorthin kommen, wo wir mit «Zwei am Morge» am Schluss waren.

Federer und Noah verpasst ihr im Video eine derbe Sprache. Ist das euer Humor?
Wir wollten die beiden wie zwei Jungs aus der Hängerszene am Bahnhof Stadelhofen sprechen lassen, wenn sie in einen Zug einsteigen. Man muss natürlich die Absurdität und den Sarkasmus begreifen, damit man es lustig findet. Gemessen an den Reaktionen und der Reichweite, die wir damit erzielten, hat das Video megagut funktioniert.

Was ist das Rezept für euren Humor?
Wir machen einfach das, was wir selbst lustig finden. Innerhalb des Teams gibt es natürlich verschiedene Arten von Humor. Und anders als bei «Zwei am Morge» setzen wir jetzt mehr auf Aktualität. Es gibt bei SRF kein Format für ein jüngeres Publikum, das die News der Woche auseinandernimmt. «Deville» ist für ein älteres Publikum und sehr stark am politischen Geschehen orientiert.

«Klar gibt es Studien und Spezialisten, aber davon halte ich nicht so viel»

Mit «Studio 404» sollt ihr eine Zielgruppe erreichen, die sich zunehmend von klassischen Medienmarken abwendet, auch von SRF. Habt ihr dafür Rezepte?
Es ändert sich vieles so schnell, gerade auf den Social-Media-Plattformen, die wir hauptsächlich bespielen. Da gilt es, vor allem aus der Resonanz zu lernen. Klar gibt es Studien und Spezialisten. Aber davon halte ich nicht so viel. Entweder es funktioniert oder es funktioniert nicht.

Das klingt nach Trial and Error. Funktioniert das?
Wir haben natürlich viel Erfahrung, die wir uns in den letzten fünf Jahren selbst erarbeitet haben. Wichtig ist auch, dass man sich immer wieder selbst neu erfindet. Nur weil mal etwas funktioniert hat, heisst das nicht, dass es immer funktioniert.

Das macht ihr ganz allein und ohne Fachleute, die sich mit der Distribution von Inhalten beschäftigen bei SRF?
Zwei Mitarbeitende aus der Abteilung Distribution sind bei uns fest ins Team eingegliedert. Es ist gut, wenn es dieses Know-how im Haus gibt. Aber wir funktionieren schon auch sehr autonom als Redaktion.

Diese Autonomie hat aber auch Grenzen. Wo sind die?
Es gibt natürlich eine Gesamtstrategie, an die wir uns halten müssen. Aber ein gutes Beispiel ist TikTok. Wir waren die Ersten von SRF auf TikTok. Wir haben ein Konzept geschrieben und dann grünes Licht erhalten. Dafür sind wir sehr dankbar. Man brachte uns das Vertrauen entgegen, weil sie wussten, wovon wir sprechen. Man hört auf uns. Und es zeigte sich, dass wir richtiglagen. Wären wir ein Jahr später gekommen, wäre es schon viel schwieriger gewesen, uns auf TikTok zu etablieren.

Mit «Studio 404» zielt ihr auf ein Publikum von 18 bis 34 Jahren, das ist doch einiges älter als bei «Zwei am Morge». Warum ging das Alter der Zielgruppe rauf?
Wir sind ja selbst auch älter geworden. Da wäre es nicht mehr glaubwürdig, wenn wir das Alter des Zielpublikums nicht auch erhöhen. Ein weiteres Mal geht das noch, aber dann müssen Jüngere übernehmen.

Kommen andere Abteilungen von SRF zu euch, um sich Tipps zu holen?
Man schaut schon, was wir machen. Ich gebe oft in der Abteilung Unterhaltung Feedbacks zu anderen Shows, wo unsere Expertise gefragt ist.

Mit «Zwei am Morge» habt ihr immer wieder andere SRF-Sendungen parodiert. Wie kam das an?
Das finden die Leute im Haus cool. Wir versuchen schon, den Laden etwas aufzumischen.

«Solange wir erfolgreich sind, spüren wir vor allem Anerkennung»

Spürt ihr auch Neid, weil ihr so viele Narrenfreiheiten geniesst?
Solange wir erfolgreich sind, spüren wir vor allem Anerkennung. Wenn es irgendwann mal nicht mehr funktionieren sollte, dann würde man sich wohl schon fragen, was die da eigentlich machen. Daher ist klar, dass wir liefern müssen. Gemessen an den Kosten und dem Personal sind wir aber eine sehr kleine Abteilung. So gesehen gibt es wenig Grund für Neid. Wir haben niemanden, der nur Ton oder Licht macht. Bei uns ist alles auf einem einfacheren Level. Das wollen wir auch beibehalten.

Ist das nicht etwas tiefgestapelt? Auch auf diesem einfacheren Level arbeitet ihr mit teurer Technik.
Das Studio ist ja auch dazu gedacht, dass es für andere Produktionen genutzt werden kann. Wir brauchten eh neue Räumlichkeiten, weil wir vorher im Studio Brunnenhof waren, das es nicht mehr gibt. Da brauchte es eine Lösung, wo man alles in einem machen kann.

Zu euch würde aber auch Lowtech passen.
Logisch, ein Web-Video kann man heute auch mit dem iPhone machen. Aber wir haben auch den Anspruch, auf einem hohen Qualitätslevel zu produzieren. Es soll wertig rüberkommen. Schliesslich steht nicht nur «Studio 404» drauf, sondern auch SRF. Nur weil wir Videos für YouTube machen, heisst das nicht, dass es billig produziert sein muss. Wir haben bei «Zwei am Morge» einen Standard gesetzt und wollen dort anknüpfen.


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KOMMENTARE

Victor Brunner
17.04.2023 17:00 Uhr
«Entweder es funktioniert oder es funktioniert nicht.» Egal, bezahlen müssen in jedem Fall die ZwangsgebührenzahlerInnen!
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