07.11.2018

Liquidation der TagesWoche

«Wir warten nicht bis zum letzten Ausbluten»

Das Ende der«TagesWoche» hat in Basel wenige überrascht. Dennoch sei es schneller gekommen als erwartet, sagt Geschäftsleiterin Sibylle Schürch. Ein Gespräch über die Nachteile von zu viel Geld und den Schlussstrich bei voller Kasse.
Liquidation der TagesWoche: «Wir warten nicht bis zum letzten Ausbluten»
Sibylle Schürch ist seit März 2017 Geschäftsführerin der Basler «TagesWoche». (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Frau Schürch, die «TagesWoche» hatte durch die Millionen-Finanzierung jahrelang eine Ausgangslage, wie es sie sich andere Journalisten nicht einmal zu träumen wagen. Warum haben Sie es nicht geschafft, daraus ein rentables Geschäft zu machen?
Das Unternehmen «TagesWoche» ist in der Tat mit einer sehr grosszügigen Finanzierung gestartet. Gleichzeitig aber ist der Markt in einem horrenden Tempo kaputtgegangen. Von Anfang an beschäftigte die «TagesWoche» ein rund 30-köpfiges Team. Sie war damals zu schätzungsweise 80 Prozent von der Stiftung Neue Medien Basel finanziert. Es hätte damals das Ziel sein müssen, möglichst rasch auf eigenen Beinen stehen zu wollen. Wahrscheinlich aber war durch die grosszügige Finanzierung zu wenig Druck da.

Der Stiftungsrat hätte Druck ausüben können.
Das ist halt bei journalistischen Produkten immer heikel. Der Stiftungsrat wollte sich wahrscheinlich in der ersten Phase zurückhalten. Seit zwei Jahren wissen wir, dass sich die Stiftung zurückziehen wird. Und von diesem Zeitpunkt an war genügend Druck da, wirtschaftlicher zu sein.

«Wir gehen mit Stolz und liquidieren die Firma in Würde»

Wussten Sie und Ihr Team, dass allenfalls bereits jetzt, Ende 2018, Schluss sein wird?
Ab 2016 gab es einen strikten Plan mit Vorgaben darüber, wie wir zu mehr Einnahmen kommen wollen. Gleichzeitig haben wir die Ausgaben deutlich reduziert. Wir haben Leute entlassen und generell überall kostenbewusster gearbeitet. Wir haben immer offen kommuniziert über das sehr grosse Loch und gleichzeitig deutlich gesagt, dass wir nicht überleben werden, wenn es so weitergeht. Im Laufe des Jahres 2018 sahen wir, dass es nicht möglich sein wird, das nötige Geld zu beschaffen.

Ihre Leute waren also nicht überrascht über die News der Einstellung?
Darüber, dass es grosse Probleme gibt, waren sie wie gesagt informiert. Aber das Tempo hat überrascht.

«Das ermöglicht uns grosszügige Sozialpläne»

Ist jetzt, da die «Basler Zeitung» durch die Übernahme von Tamedia in ihrer rechten Positionierung nicht mehr geben wird, auch der Antipode «TagesWoche» obsolet geworden?
Die Einstellung der «TagesWoche» hat überhaupt keinen Zusammenhang mit der Übernahme der «Basler Zeitung» durch Tamedia. Unser Entscheid beruht auf rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen, denn durch die zunehmende Unsicherheit in den letzten Wochen war es für Mitarbeitende immer schwieriger, das auszuhalten. Bei solchen negativen Geschäftsentwicklungen kann man entweder warten, bis das ganze Team ausblutet und kein bisschen Geld mehr übrigbleibt, oder man kann aufhören, wenn das Team fit ist, das Produkt top und die Kasse voll. Wir wollen Zweites: Wir warten nicht bis zum letzten Ausbluten. Wir gehen mit Stolz und liquidieren die Firma in Würde. Die Leute sollen sich an die «TagesWoche» erinnern und sagen: «Die haben professionellen Journalismus gemacht». Zudem ermöglicht uns dieses Vorgehen grosszügige Sozialpläne.

«Wir können die Mitarbeiter über lange Zeit finanziell unterstützen»

Sie haben also darauf geachtet, dass genügend Geld übrig bleibt. Was konkret bedeuten denn «grosszügige Sozialpläne»?
Bei 30 betroffenen Mitarbeitern handelt es sich um eine Massenentlassung. Es gibt nun also zuerst ein Konsultationsverfahren. Anschliessend müssen wir die Kündigungen aussprechen. Unsere Mitarbeiter haben drei Monate Kündigungsfrist, sie erhalten also in dieser Zeit den Lohn. Anschliessend setzt der Sozialplan ein. Diesem liegt so viel Geld zu Grunde, dass wir unsere Mitarbeiter über lange Zeit finanziell unterstützen können.

Sie sind erst seit eineinhalb Jahren «TagesWoche»-Geschäftsführerin. Haben Sie beim Stellenantritt an eine Rettung geglaubt?
Ich war bereits vorher bei der TaWo, als Assistentin der Geschäftsführung und habe dann, im März 2017 die Geschäftsleitung übernommen. Wir haben den Online-Auftritt stark verbessert, uns neu und effizient organisiert, und die Karten auf den Tisch gelegt zu unseren Finanzen. Ich habe gehofft, dass etwas passiert. Die Qualität und Relevanz stiegen, aber die Einnahmen konnten wir nur stabilisieren. Wir haben das unseren Verantwortlichen berichtet und es wurden die heute bekannten Schlüsse gezogen.




Die Nachricht hat Ihr Team offenbar versucht, mit Flüssigen zu verdrängen. Bilder von leeren Bier- und Weinflaschen gab es am Montagabend mehrere auf Twitter. Ist am Dienstag überhaupt jemand zur Arbeit gekommen?
Alle. Insgesamt sind wird 27 Leute. Es gab Informationsveranstaltungen über unseren Sozialplan und das Betreuungsangebot. Und jetzt, am Dienstagnachmittag, arbeiten alle an unserer Schlussnummer. Die Stimmung ist professionell. Trotzdem sind wir frustriert und traurig, haben auch Angst, weil wir nicht wissen was kommt.

Erst im August hatte Markus Somm im Interview mit der «TagesWoche» gesagt: «Ich hoffe, ihr überlebt unseren Abschied». Nun ist die TaWo sogar noch vor Somm weg.
Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Wir haben unsere Entscheidung völlig unabhängig gefällt mit Blick auf unsere eigene Situation. Unser Ende hat Null und Nichts mit der «Basler Zeitung» zu tun. 



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