03.07.2019

Tamedia

Gericht spricht zwei Tagi-Journalisten frei

Nur die Wahrheit und keine üble Nachrede: Das Zürcher Bezirksgericht hat am Mittwoch Christoph Lenz und Philipp Loser freigesprochen. Sie waren angeklagt, weil sie kritisch über den Thurgauer Tierschützer Erwin Kessler berichtet hatten.

Vor Gericht landeten die beiden «Tages-Anzeiger»-Journalisten Christoph Lenz und Philipp Loser wegen des Artikels «Wir lieben und wir fressen sie», der im Nachgang zum Pferdequäler-Fall Hefenhofen im Sommer 2017 erschienen war. In ihrem Text behandelten die beiden das Verhältnis zwischen Mensch und Tier.

Auch Tierschützer Erwin Kessler kam darin vor, weil er bei der Aufdeckung des «Quälhof»-Falles im Thurgau eine wichtige Rolle gespielt hatte. Allerdings stellten die Journalisten Kessler nicht als Held dar, sondern betrachteten ihn differenziert.

Sie erwähnten dabei, dass seinem Verein gegen Tierfabriken (VgT) seit Jahren rassistische und antisemitische Tendenzen vorgeworfen werden. Zudem sei Kessler schon etliche Male vor Gericht gestanden und wegen Rassendiskriminierung verurteilt worden.

«Kein Anspruch auf positive Berichterstattung»

Kessler fühlte sich dadurch einseitig dargestellt. Der Artikel zeuge von einer negativen Grundstimmung ihm gegenüber, begründete er am Mittwoch vor Gericht seine Strafanzeige. Seine Vorstrafe wegen Rassendiskriminierung sei zusammenhangslos aufgewärmt worden, wohl weil man ihm den Erfolg im Fall Hefenhofen nicht gönne. Die Rassismusvorwürfe seien für ihn und seinen Verein existenzbedrohend, denn schliesslich wolle kein vernünftiger Mensch Rassisten unterstützen, sagte Kessler.

Der Staatsanwalt forderte für die beiden Journalisten eine Verurteilung wegen übler Nachrede und dafür eine bedingte Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 100 Franken. Die Autoren hätten Kesslers Ruf geschädigt, so seine Argumentation. Schliesslich sei die Verurteilung über zehn Jahre her.

Die Journalisten sowie auch ihr Anwalt zeigten sich während des Prozesses erstaunt, dass die Anklage überhaupt zustande kam. Die Journalisten hätten ja keine Unwahrheiten verbreitet, sondern nur die Wahrheit geschrieben. «Es darf nicht sein, dass in einem Rechtsstaat die Wahrheit nicht mehr gesagt werden darf. Es besteht kein Anspruch auf positive Berichterstattung», sagte ihr Anwalt.

Pressefreiheit nicht preisgeben

Dieser Argumentation folgte auch das Bezirksgericht. «Wir sehen nicht, was an diesen Sätzen ehrverletzend sein soll», sagte der Richter bei der Urteilseröffnung. Sowohl die Rassismus- und Antisemitismusvorwürfe als auch die Verurteilung seien Tatsachen.


Wenn ein Journalist nicht mehr über negative Seiten einer Person schreiben dürfe, werde es schwierig. Die Pressefreiheit dürfe nicht leichtfertig preisgegeben werden. Kessler kündigte noch im Gerichtssaal an, den Fall weiterzuziehen. (sda/cbe)

 


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