26.03.2014

Dokfilm

"Man kann nicht ins Ghetto gehen und drauflos filmen"

Sänger Gentleman über die Schwierigkeiten beim Dreh von "Journey to Jah".
Dokfilm: "Man kann nicht ins Ghetto gehen und drauflos filmen"

Zusammen mit dem Italiener Alborosie ist Gentleman, der mit bürgerlichem Namen Tilmann Otto heisst, der Hauptprotagonist im Dokumentarfilm "Journey to Jah". Bereits mit 18 Jahren bereiste der gebürtige Kölner zum ersten Mal die Karibikinsel. Mit 20 stand er als einer der wenigen angesehenen Weissen in Jamaika zum ersten Mal auf der Bühne. Im Interview mit persoenlich.com sprach der sympathische Vollblutmusiker am Rande der Schweizer Premiere von "Journey to Jah" über seine Heimatgefühle und seine Passion Reggae.

Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Idee der beiden Regisseure Noël Dernesch und Moritz Springer hörten? 
Da war von Anfang an ein sehr vertrautes Gefühl. Ich habe schnell gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind, eine Frequenz haben, wo wir uns treffen. Ich fand die Idee und die Offenheit der beiden gut. Sie waren für Dinge offen, die vielleicht passieren können, ohne sie vorausgeplant zu haben. Denn es ist schlecht, nach Jamaika zu fliegen und einen Plan zu machen. Man muss wirklich schwimmen und schauen, wo der Strom hinführt. Wir sind über die Jahre Freunde geworden und haben auch danach Videos gedreht. Ich habe mich auf Anhieb sehr wohl gefühlt.

Vor Ort wurden Sie auf Schritt und Tritt von den Kameras begleitet. War Ihnen das nie unangenehm? 
Ich habe schon viele Erfahrungen mit Film-Teams auf Jamaika gemacht, auch schlechte. Das A und O ist ein gewisses Gespür seitens des Film-Teams. Das heisst, man muss spüren, wenn eine Situation kippen könnte. Man kann nicht ins Ghetto gehen und drauflos filmen. Es ist wichtig ein Gespür für die richtigen Leute zu haben. Das war von Anfang an da. Natürlich gab es auch Situationen, wo es für mich unangenehm war. Weil sich die Dreharbeiten über einen sehr langen Zeitraum hinauszogen, hat es uns allen die Möglichkeit gegeben, gute Dinge einzufangen und so auch eine Beziehung zu den Menschen vor Ort aufzubauen. Das ist das Wichtigste an einem Dokumentarfilm.

Mit 18 Jahren sind Sie zum ersten Mal in Jamaika auf der Bühne aufgetreten. Was sind Ihre Erinnerungen daran?
Meinen ersten Auftritt hatte ich 1994. Da war ich 20. Als ich das erste Mal in Jamaika war, war ich nicht in Kingston. Ich bin auch nicht nach Jamaika geflogen und habe gesagt: "Hello, my Name is Gentleman, und ich will jetzt Reggae-Sänger werden", sondern bin da reingewachsen. Bestimmte Sachen sind einfach passiert. Ich habe mich mit der Musik abgegeben, war auf Konzerten und Dances. Ich hatte das Glück, sehr früh Menschen kennengelernt zu haben, die mich inspiriert und mir auch geholfen haben. Das Konzert, das Sie ansprechen, war ein spontanes Ding. Ich war damals mit einem Arte-Team für die Reihe "Lost in music" als Übersetzer unterwegs. Es war nicht geplant, dass ich dann in der Umbaupause auf die Bühne gehe. Schon damals war für mich klar, dass ich mich auf der Bühne sehr wohl und sehr sicher fühle, sogar viel sicherer als ausserhalb. Ein Ort also, wo ich in Zukunft öfter sein könnte.

Sie sind in Köln zu Hause, verbringen aber auch einige Zeit im Jahr in Jamaika. Im Film ist auf Ihrem Tisch ein Exemplar des "Spiegels" zu sehen. Kommen gelegentlich Heimweh-Gefühle auf? 
Die meiste Zeit verbringe ich im Tour-Bus oder in Hotelzimmern. Ich habe schon eine Hotelzimmer-Phobie (lacht). Das ist nun mal die andere Seite der Medaille, aber auch der Preis, welchen man für seine Leidenschaft zahlt. Wenn ich länger in Jamaika bin, beginne ich Sachen zu vermissen, die ich in Deutschland habe und umgekehrt. Es ist allerdings nicht mehr so wie früher, als ich regelmässig in ein Loch gefallen bin, wenn ich zurück nach Deutschland gekommen bin.

Und wie ist es für Sie, die ganze Film-Promotion mitzumachen? 
Im Grunde gibt es viel Parallelen zu meinen Album-Promotionen. Wir sind auch während den Dreharbeiten zum Film bei dem begleitet worden, was wir sowieso machen. 

Interview: Marco Lüthi, Bild: Janine Lüthi

Lesen Sie auch das Gespräch mit den beiden Regisseuren Noël Dernesch und Moritz Springer.


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