04.08.2015

Deutschland

Bundesanwalt attackiert Justizminister in Blog-Affäre

Er hatte ein Gutachten sofort stoppen müssen.

Der deutsche Generalbundesanwalt Harald Range hat dem Justizministerium unter Minister Heiko Maas mit scharfen Worten einen Eingriff in seine Ermittlungen gegen den Blog Netzpolitik.org vorgeworfen. "Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz", erklärte Range am Dienstag in Karlsruhe.

Konkret bezog er sich auf eine Weisung des Justizministeriums vom Montag: Danach habe er sofort ein Gutachten stoppen müssen, nach dem sich bei den von Netzpolitik.org veröffentlichten Papieren tatsächlich um ein Staatsgeheimnis handelte. Maas, aber auch eine Sprecherin von Bundeskanzlerin Angela Merkel, hatten diese Bewertung, die Range und der Verfassungsschutz teilen, zuvor in Zweifel gezogen. Der Generalbundesanwalt erklärte, er habe die Aussage des unabhängigen Sachverständigen am Montag erhalten und unverzüglich das Justizministerium informiert. "Mir wurde die Weisung erteilt, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen", sagte Range weiter. "Dieser Weisung habe ich Folge geleistet."
 
"Politische Einflussnahme"
 
Den ungewöhnlichen Schritt, die internen Vorgänge öffentlich zu machen, rechtfertigte der Jurist mit der politischen Einflussnahme auf den Fall. "Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen, ist Aufgabe der Justiz. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn sie frei von politischer Einflussnahme ist", betonte er.
 
"Daher ist die Unabhängigkeit der Justiz von der Verfassung ebenso geschützt wie die Presse- und Meinungsfreiheit." Mit Blick auf die im Raum stehenden Vorwürfe habe er sich "gehalten gesehen, die Öffentlichkeit hierüber zu informieren."
 
Weitere Ermittlungen gegen Journalisten unklar
 
Unklar blieb zunächst, ob Range die Ermittlungen gegen den Blog nun wieder vorantreiben wird. Die Bundesanwaltschaft wollte sich dazu am Dienstag nicht äussern.
 
Range hatte die Ermittlungen nach deutlicher Kritik von Justizminister Maas zunächst ruhen lassen. Als entscheidend für die Fortsetzung des Verfahrens galt das Gutachten zur Bewertung der veröffentlichten Unterlagen. Nachdem das Justizministerium die Expertise nun kassiert hat, steckt der Generalbundesanwalt in der Zwickmühle.
 
Anzeige durch Inlandsgeheimdienst
 
Der Bundesverfassungsschutz - der deutsche Inlandsnachrichtendienst - hatte nach der Veröffentlichung interner Dokumente, die sich auf die geplante Ausweitung der Internetüberwachung durch den Geheimdienst bezogen, Anzeige erstattet. Range leitete daraufhin am 13. Mai Ermittlungen ein, die auch zwei Journalisten des Blogs betrafen.
 
Am Freitag setzte er die Ermittlungen nach deutlicher Kritik von Justizminister Maas aus. Der SPD-Politiker zog die Verhältnismässigkeit der Ermittlungen und den Vorwurf des Landesverrats gegen die Macher des Blogs in Zweifel, nachdem Ranges Vorgehen zunehmend als Angriff auf die Pressefreiheit bewertet worden war. Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister Thomas de Maiziere schlossen sich der Sichtweise von Maas am Montag ausdrücklich an. (sda/reu/dpa)

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