13.12.2011

"Mich interessiert das Fan-sein von erwachsenen Menschen"

Dominique Eigenmann ist Nachrichtenchef beim "Tages-Anzeiger". Daneben ist der 44-Jährige einer intensiven Passion verfallen: dem Spiel von Roger Federer. Über seine "Liebe" zum besten Tennisspieler aller Zeiten hat er ein "bewusst unjournalistisches" Buch veröffentlicht. Im Gespräch mit persoenlich.com erzählt er, was ihn dazu bewogen hat eine "eine Art modernen Helden- und Lobgesang" zu verfassen. Zum Interview:
"Mich interessiert das Fan-sein von erwachsenen Menschen"

Herr Eigenmann, was hat Sie dazu bewogen, ein Buch über Ihre innige Liebe zu Roger Federer zu schreiben?

Dominique Eigenmann: Zunächst meine persönliche Leidenschaft als Fan Roger Federers. Es ist eine Leidenschaft, die ich nicht nur seit langem pflege, sondern über die ich auch seit langem nachdenke. Dann die Einsicht, dass ganz viele Menschen diese Leidenschaft teilen. Warum so viele sich von Roger Federer verführen lassen, selbst Menschen, die sich weder für Tennis noch für Sport interessieren, diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich habe ein Buch geschrieben, um meine Antwort zu geben.

Ging es Ihnen vor allem darum, den Suchtzustand, den Zustand des extremen Fan-Seins, zu beschreiben?

Es gibt viel extremere Fans als mich, soviel vorweg. Und ja, mich interessiert das Fansein von erwachsenen Menschen, dieser kindische, gänzlich unvernünftige Zustand permanenter Euphorie, Paranoia, Hingabe und Verletzlichkeit. Zumal ich, bevor mich Roger Federers Spiel verführte, längst aufgehört hatte, Fan von irgendetwas oder irgendjemandem zu sein. Fansein ist ein Ausnahmezustand, welcher die von ihm Befallenen gleichzeitig unterwirft und erhöht. Diese Doppelnatur an meinem eigenen Beispiel zu beschreiben, fand ich lohnend.

Hat es Mut gebraucht so etwas zu schreiben?

Ich habe keinen Mut gebraucht, weil mir gar nicht bewusst war, dass ich ein Risiko einging. Als Journalist bin ich mich gewohnt, meine eigene Person vollkommen hinter dem Thema verschwinden zu lassen. Hier musste ich mich selber und meine Leidenschaft für Federer in den Vordergrund stellen, um überhaupt schreiben zu können. Ein Kollege meinte ganz zu Recht, ich wäre für dieses Buch Saint-Exupérys Maxime gefolgt: Man sieht am besten mit dem Herzen. In diesem Sinne ist mein Buch ein bewusst unjournalistisches Buch geworden. Nicht nur weil es sehr persönlich ist, sondern auch weil es sich um eine Art modernen Helden- und Lobgesang handelt, um Panegyrik.

Sie wenden als Grundlage für Ihr Buch einen journalistischen Trick an: Die Überhöhung. Sie blasen Federer zu einer Lichtgestalt auf. Ist das auf Buchlänge nicht ein bisschen dürftig?

Ich blase Federer zu nichts auf. Als Fan nehme ich ihn vielmehr überhöht wahr. Und ich halte Federer tatsächlich für einen Künstler und für eine Lichtgestalt, mindestens des Sports, und verschwende meine Denkkraft darauf zu ergründen, warum und in welcher Hinsicht er es ist.

In Ihrem Buch finden sich Sätze wie: "Nadal brach in Federers kristallines Reich des Lichts ein wie der römische Kriegsgott Ares in jenes des Apolls." – Oder: "Meine Liebe ist ihm sicher. Er schuldet mir nichts und ich ihm alles." – Denken Sie tatsächlich in diesen Sphären über Federer nach oder ist das mit einem Augenzwinkern geschrieben?

Die antike Mythenwelt ist mir nicht fremd, und da es bei meinem Buch, wie gesagt, auch um moderne Heldenverehrung geht, scheint mir der Rückgriff auf römische Vorbilder nicht deplatziert. In meinem Buch gibt es jede Menge Pathos, aber keinerlei Ironie. Gleichzeitig denke ich darüber nach, woher dieses Pathos kommt, was es mit dem Fan anstellt und wie es sich zur Rationalität verhält, die unser Leben normalerweise prägt.

Taugt ein Federer, der neben dem Platz – im Gegensatz vielleicht zu einem Djokovic – eine eher blasse Figur abgibt, überhaupt zum Übermenschen?

Ob man Federer neben dem Platz blass findet oder nicht und ihm Djokovic oder Nadal vorzieht, soll jeder selber für sich entscheiden. Mich persönlich interessiert der Privatmann Federer nicht. Ich verehre nur die Bühnenfigur, den Spieler und sein Spiel. Dazu gehört auch sein Verhalten auf und am Rande der Bühne. Alles andere aber ist des Künstlers Privatsache und für mich ohne Belang.

Könnte man auch, wenn eine derzeitige Tendenz unter Journalisten deutend, schlussfolgern: Jeder Journalist muss mal ein Buch geschrieben haben?

So wie ich fast wider Willen zu einem Fan Federers geworden bin, so habe ich auch, etwas überspitzt gesagt, fast wider Willen dieses Buch geschrieben. Eine Verlegerfreundin hatte mich gefragt, wann ich endlich ein Buch für sie schreibe. Ich antwortete, dass ich kein Buch im Kopf hätte – ausser dass ich vielleicht ein Buch über Federer schreiben könnte, über den ich andauernd nachdenken würde, aber als Journalist noch nie geschrieben hätte. Das war der Anstoss. Ich habe mich dann immer mehr mit der Idee angefreundet und schliesslich ein paar Wochen unbezahlten Urlaub genommen, um das Buch zu schreiben. Das war für mich eine willkommene Ergänzung zu meinem Job als Nachrichtenchef beim "Tagi", wo meine Aufgabe in der Hauptsache darin besteht, die Zeitung zu konzipieren, zu komponieren und zu leiten, nicht zu schreiben. Mein Buch war eine Herzensangelegenheit, kein Akt der Profilierung.

Wie viel können Sie einem Kämpfer, einem Spieler wie Wawrinka abgewinnen? Ihm wird weitaus weniger Aufmerksamkeit zuteil. Dabei ist auch seine Leistung herausragend.

Ich halte Wawrinka für einen hervorragenden Tennisspieler und fiebere öfters mit ihm mit. Aber sein Fan würde ich nie. Ich bin aber auch sonst von niemandem Fan ausser von Federer. Natürlich bekäme Wawrinka mehr Aufmerksamkeit und Achtung, wenn es Federer nicht gäbe. Das ist einfach Pech, freilich nicht seines allein. Nadal wäre auch längst der beste Tennisspieler der Geschichte, wenn es Federer nicht gäbe. Der Schatten eines grossen Königs ist halt lang.

Federer ist der beliebteste Schweizer Werbeträger. Er wirbt für Schoggi, für eine Versicherung, für eine Grossbank, für eine Uhrenfirma, für Kaffeemaschinen, für vieles mehr. Macht ihn das nicht etwas unsympathisch? Oder ist er als Archetyp für die "famose Swissness", wie sie es nennen, einfach zu gut, um auf ihn zu verzichten?

Ich verstehe zu wenig von Werbung um zu beurteilen, ob Federer den Konsumenten als Werbeträger schon auf die Nerven geht. Ich halte es für verständlich und rational, dass in- und ausländische Firmen an seiner aussergewöhnlichen Aura teilhaben wollen. Immerhin ist er der einzige genuine Weltstar, made in Switzerland.

Waren Sie eigentlich überrascht wie einfach ihm der Durchmarsch am diesjährigen Masters dann plötzlich wieder fiel?

Aufgrund der erfolgreichen Vorbereitung mit den Siegen in Basel und Paris und der Tatsache, dass die World Tour Finals ein Hallenturnier sind, wo Federer immer besonders stark spielt, sowie der absteigenden Formkurve seiner stärksten Rivalen habe ich erwartet (und gehofft), dass er das Endjahresturnier erneut gewinnen wird. Einfach war es aber nicht.

Wie würden Sie den momentanen Status Ihrer Liebe zu Federer charakterisieren?

Reif, geläutert, dankbar.

Welches Thema wird Ihr nächstes Buch haben?

Keine Ahnung, ob ich nochmals ein Buch schreiben werde.

Interview: Adrian Schräder/Foto: Dominique Meienberg


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