11.04.2014

Ringier/Tamedia

Ringier übernimmt "Le Temps"

Das Medienhaus ist neue Besitzerin der Westschweizer Tageszeitung.
Ringier/Tamedia: Ringier übernimmt "Le Temps"

Ein halbes Jahr lang hatten die Medienhäuser Ringier und Tamedia einen Käufer für die Westschweizer Tageszeitung "Le Temps" gesucht. Nachdem kein passendes Angebot einging, übernahm Ringier die Traditionszeitung. Die beiden Medienhäuser Ringier und Tamedia waren bisher zu je 46,2 Prozent an "Le Temps" beteiligt. Damit waren sie beide nicht mehr zufrieden, da sie mit einem starken Besitzer bessere Aussichten für die Zeitung sahen.

Bereits bei der Bekanntgabe der Verkaufsabsichten Anfang Oktober kündigten sie an, dass sie untereinander über eine Übernahme des Titels verhandeln würden, wenn kein überzeugendes Angebot eingereicht werde. Dieser Fall trat nun offenbar ein. "Le Temps" ist die einzige überregionale Zeitung der Romandie. Ihr kommt trotz einer eher kleinen Auflage von 39'716 Exemplaren bei 109'000 Lesern eine grosse Bedeutung zu. Entsprechend laut war in der Romandie der Aufschrei über die Verkaufsabsichten.

Seit Oktober bekundeten mehrere Kandidaten Interesse, darunter der Uhrenfabrikant Jean-Claude Biver oder die Wirtschaftszeitung "L'Agefi". Die NZZ verzichtete trotz der Ähnlichkeit mit "Le Temps" darauf, ein Angebot einzureichen. In Genf wurde der Verein "Cercle des Amis du Temps" gegründet, dem sich über 700 Mitglieder anschlossen. Dieser Verein reichte ebenfalls ein Kaufangebot ein, das als letztes noch im Rennen blieb.

"Herzens-Sache" für Ringier
Nach einer sorgfältigen Prüfung der eingereichten Dossiers entschied sich Ringier, selber ein Übernahmeangebot einzureichen. Am Donnerstagabend wurden die Verträge zur Übernahme der Tamedia-Beteiligung durch Ringier unterzeichnet.

Am Freitagmorgen sickerten erste Informationen durch. Kurz nach 10 Uhr gaben Ringier und Tamedia den Handwechsel per Medienmitteilung bekannt und luden kurzfristig zur Medienkonferenz ein. Dort sprach Ringier-CEO Marc Walder von einem "guten Tag für Ringier".

Man sei bereit zu investieren, sagte Walder und bezeichnete die Übernahme als "Herzens-Sache". Von Verleger Michael Ringier überbrachte Walder die Worte, dass Ringier an die Zukunft der Presse glaube.

Führung nicht in Zürich
Walder betonte, dass die Zeitung nicht aus Zürich geführt werde. Ringier baut in der Westschweiz aus, wo sie bereits "L'illustré", "L'Hebdo", "TV8" und "edelweiss" besitzt. Da "Le Temps" nun zu Ringier Romandie stösst, soll die Zeitung von "weitreichenden Synergien sowohl auf Redaktionsebene, im Marketing- wie auch im Anzeigenbereich profitieren können", wie es in der Medienmitteilung heisst.

Ob Personal abgebaut wird, blieb offen. Es sei kurz nach den Übernahmeverhandlungen zu früh, darüber Angaben zu machen, sagte Walder. Mit dem "Cercle des Amis du Temps" habe man sich zu Gesprächen getroffen und werde diese fortführen. Ringier wolle Mehrheitsaktionärin bleiben, sei aber offen für eine Beteiligung des Vereins an der Zeitung, sagte Walder.

Ringier hält nun 92,5 Prozent am Blatt. Den Rest teilen sich der Genfer Bankier Claude Demole (3 Prozent), die Personalvereinigung der "Le Temps" (2,4 Prozent) und der Verlag der französischen Zeitung "Le Monde" (2,1 Prozent).

Überwiegend positive Reaktionen
Die Reaktionen in der Westschweiz fallen mehrheitlich gut aus. Der "Cercle des Amis du Temps" bedauerte den Verkauf an Ringier. Valérie Boagno, Direktorin der Le Temps SA, zeigte sich erleichtert, dass die anstrengenden sechs Monate der Unsicherheit vorbei sind. Das Personal begrüsste die Übernahme, warnte aber, dass der Personalbestand nicht mehr weiter verringert werden könne, ohne die Qualität der Zeitung zu gefährden. Der Journalisten-Berufsverband impressum pflichtete dem bei.

Der Präsident des Verlegerverbands Schweizer Medien, Hanspeter Lebrument, sprach von der "besten Lösung" für die Zeitung. Auch der Waadtländer Staatsrat Pascal Broulis bezeichnete die Übernahme als "gute Nachricht". Der Genfer Staatsrat Pierre Maudet nahm den Kauf "zur Kenntnis".

"Wir trennen uns nur ungern von unserer Beteiligung an Le Temps", wird Tamedia-Verleger und Verwaltungsratspräsident Pietro Supino in einer Medienmitteilung zitiert. Eine Übernahme durch Tamedia hätte aber zu einem langwierigen Verfahren mit der Wettbewerbskommission geführt. Tamedia besitzt in der Romandie bereits "Le Matin", "Tribune de Genève", und "24 heures". (sda)

Bild: Keystone


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