24.09.2013

Studie

"Print verliert, online stagniert, mobile wächst"

Urs Krucker, verantwortlich für die MUI-Studie, über die Apple-Müdigkeit und Paid Content.
Studie: "Print verliert, online stagniert, mobile wächst"

Auch dieses Jahr hat die "Media-Use-Index"-Studie die generelle Entwicklung bei der Mediennutzung und den Medienkanälen zu erfasst, sowie das Informationsverhalten der Schweizer abzgefragt. Dabei wurde klar: Die Schweizer lieben das Smartphone und immer mehr surfen mit ihren Tablets (persoenlich.com berichtete). Weitere Details hat sich persoenlich.com vom Studienleiter Urs Krucker erklären lassen:

Herr Krucker, auch Ihre Studie zeigt: Der Trend zur Digitalisierung setzt sich ungebrochen fort. Welches sind die grössten Herausforderungen, die Werbeagenturen und deren Auftraggeber in den nächsten drei Jahren zu meistern haben? 
Digital ist nicht der Wurmfortsatz, sondern die Speerspitze der Kommunikation. Eine klar positionierte Marke ist in der digitalen Welt essentiell, um Konsistenz, Differenzierung und ein stringentes Markenerlebnis zu garantieren, da oft keine physische Präsenz mehr vorhanden ist. Markenkommunikation ist mit der Digitalisierung integraler Bestandteil und verlagert sich von einer eindimensionalen Kommunikation zu einer mehrdimensionalen Interaktion zwischen Marken und Konsumenten. Ausserdem bringt die Digitalisierung eine starke Dynamik mit sich. Agenturen und Auftraggeber sind gleichermassen gefordert, dem Tempo standzuhalten und die Reaktionszeit zu verkürzen. Kommunikation findet über mehrere Kanäle statt, die Komplexität der Kanäle hat deutlich zugenommen. Zudem gilt es, neue Abläufe und Prozesse zu installieren, um immer schneller reagieren zu können und den Kanal-Mix an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Aus Kontrolle wird Beobachten und Partizipieren.

Paid Content ist das momentane Zauberwort der Medienbranche. Inwiefern gibt die Studie Aufschluss über die a) ... generelle Zahlungsbereitschaft der Schweizer Konsumenten für Online-Nutzung?
Diese sehr spezifische Fragestellung haben wir mit der Studie MUI 2013 nicht erhoben. Ziel unserer Studie ist es, die generelle Entwicklung bei der Mediennutzung und den Medienkanälen zu erfassen sowie das Informationsverhalten der Schweizer abzufragen. Unserer Erfahrung nach ist es aber sehr schwierig, prospektiv zuverlässige Prognosen abzufragen, da Konsumenten selten vorab ihr Verhalten bzw. ihre Zahlungsbereitschaft abschätzen können.

b) ... die Zahlungsbereitschaft in Bezug auf journalistische Inhalte?
Paid Content ist jedoch ein schwieriges Unterfangen, je spezifischer der Content und die Zielgruppe, desto eher sind diese auch bereit Geld zu bezahlen. Generell ist die Aussage zulässig, dass Tagesnews heutzutage keine Chance auf Bezahlung mehr haben.

Tageszeitungen werden generell immer weniger gelesen - zumindest die Printausgaben, schreiben Sie. Können Sie diese Aussage genauer ausführen? 
Wir erheben in unserer Studie nicht die Reichweiten, Leserzahlen oder ähnliches, dazu gibt es andere Studien. Wir fokussieren auf das grosse Bild und die Mediennutzung über alle Kanäle hinweg. Dass sich das Mediennutzungsverhalten gerade dramatisch verändert, Printauflagen schrumpfen und digitale Nutzung, insbesondere mobile Zugriffe drastisch steigen, wird in unserer Studie ersichtlich. Sinnvoll wäre es, wenn andere reichweiten-orientierte Studien dieses fundamental veränderte Mediennutzungsverhalten ebenfalls reflektieren würden.

Die NZZ verliert auf allen Kanälen, so eine Erkenntnis der Studie. Wie bedeutsam ist dieser Verlust?
Unsere Resultate bei der Nutzung von Medienmarken zeigen ganz klar: Der Printkanal verliert, online stagniert, mobile wächst. Die Sieger dieser Entwicklung sind vor allem 20 Minuten und der Blick, der Tagesanzeiger schlägt sich gut, NZZ stagniert hingegen und verliert als Einziger leicht beim mobilen Kanal. Man erkennt also deutlich, dass Personen, denen die NZZ wichtig ist, sie gerne als Printausgabe lesen – was stark mit dem höheren Alter der Leserschaft korreliert. Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung zu ziehen, wie beispielsweise auf neue Bezahlmodelle umzusteigen, liegt ganz bei den Verlegern.

Radio verliert ebenfalls. Wird stattdessen übers Internet Radio gehört oder verlagert sich die Mediennutzung auf andere Kanäle? 
Laut unserer Studie werden Radiokanäle immer mehr online und mobil gehört, vor allem jene, die eine jüngere Hörerschaft adressieren. Energy oder 105 werden beispielsweise von gut 10 Prozent ihrer Anhänger online und mobil konsumiert. Zusätzlich erhalten die Radiosender durch das Web natürlich Konkurrenz aus dem Ausland und durch On-demand-Services wie Spotify, Soundcloud aber auch Youtube, wo sie selbst das Programm bestimmen. Und schliesslich war es noch nie einfacher, sich seine Songs von iTunes auf das Smartphone runterzuladen.

Der Verband Schweizer Medien hat in seinen im Juni vorgestellten Studien "Medienbudget" und "Medientrends" ebenfalls herausgefunden, dass die Schweizer das Tablet immer mehr nutzen. "Doch Print-Abonnenten bleiben attraktiv", schrieben die Autoren. "Wie im Vorjahr konnte die Abonnementspresse auf ihre treue Leserschaft zählen und büsste daher gegenüber dem Vorjahr nur 0,9 Prozent ein". Inwiefern bestätigt oder widerlegt Ihre Studie die Ergebnisse der Verleger?
Die Unterscheidung nach Kauf oder Abonnements haben wir nicht erhoben. Die Tageszeitungen verlieren in der Studie insgesamt, in der Nutzung nach Kanal betrachtet vor allem bei der Printausgabe. Gleichzeitig steigt die Tablet- sowie die Smartphone-Nutzung an.

Zur Methode: Gaben Sie jeweils eine Auswahl an oder mussten die Befragten frei aufzählen?
Beides wurde angewendet. Bei den Apps haben wir über offene Fragen spontan die Lieblings-Apps der Schweizer erhoben, dann gestützt eine vorgegebene Liste der populärsten Apps, um die Intensität der Nutzung zu erheben (regelmässig/gelegentlich/kenne ich aber nutze ich nicht/kenne ich nicht). Zum Thema Websites wurden ebenso die Lieblingssites offen abgefragt, danach gestützt die Wichtigkeit abgefragt. Zu den Online-Shops gab es eine Liste der wichtigsten Online-Shops der Schweiz plus der Antwortoption "Sonstige und zwar" mit einer offenen Antwortmöglichkeit.

Welches Szenario sehen Sie für Apple?
Wie schon bei unserer BrandAssetTM Valuator-Studie ausgeführt, entwickelt sich die Relevanz und Wertschätzung bei der jüngeren Zielgruppe rückläufig. Dennoch wird Apple wohl auch weiter seine Berechtigung im Markt haben, als Leader im Premium-Segment und Lieblingsmarke einer reiferen gut situierten Zielgruppe, salopp Seniorenmarke. Dass Apple nicht tot ist, beweist der aktuelle Raketenstart des iPhone 5S mit 9 Millionen Verkäufen am ersten Wochenende. Es gilt jedoch zu bedenken, dass Hardwareprodukte immer Trends unterliegen, weshalb sich Konsumenten solchen Produkten gegenüber oft sehr wechselhaft verhalten. Das Smartphone hat sich vom Prestige- zum Massenprodukt gewandelt, das Tablet ist ebenfalls auf dem Weg dorthin. Dieser Entwicklung kann sich auch die Marke Apple nicht entziehen. Auf jeden Fall steht Apple vor einer grossen Herausforderung, man denke an die früheren Stars wie Nokia, Motorola und Blackberry vor 10 Jahren – Samsung kannte damals kaum noch jemand.

Agenturen, Werbeauftraggeber und Medienhäuser sollten sich auf diese "Apple-Müdigkeit" einstellen.
Apps auch als Android-Lösung anbieten, mit Windows ist ebenfalls verstärkt zu rechnen, und auch Apple wird wie gesagt nicht von heute auf morgen passé sein. Es gilt also weiterhin Lösungen kompatibel zu mehreren Systemen auszulegen. Aufgrund der zunehmenden Diversität bei den Devices und Betriebssystemen werden wir wahrscheinlich vermehrt Hybrid-Apps und responsive-orientierte Mobile-Sites sehen, diese Form garantiert eine gewisse Kosteneffizienz.

Interview: Edith Hollenstein (die Fragen wurden schriftlich gestellt und beantwortet)

 

 

 

 

 



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