30.08.2005

"Auch bei uns macht die Übung erst den Meister."

Marianne Gut wurde dirkekt nach Ihrem Studium -- Journalismus- und Unternehmenskommunikation -- zur Kommunikationsverantwortlichen des neuen Stadions Stade de Suisse Wankdorf Bern ernannt. Ein Unfall bei der Eröffnung, Ausschreitungen beim ersten YB-Heimspiel. Marianne Gut war gleich gefordert. Im Interview mit "persoenlich.com" erzählt Sie, wie in diesen schwierigen Momenten reagiert wurde und welches "Wunder von Bern" Sie sich wünscht.
"Auch bei uns macht die Übung erst den Meister."

Marianne Gut, direkt vom Studium zur Kommunikationsverantwortlichen des Stade de Suisse. Wie ist es zu diesem bemerkenswerten Karrieresprung gekommen?

Während meinem Studium baute ich eine kleine Firma auf, konzipierte und realisierte Webseiten für Kunden von A bis Z. Gegen das Ende meiner Ausbildungszeit erhielt ich den Auftrag, die Internetpräsenz für das neue Stadion in Bern vom Konzept über das Design, die Inhalte bis zur Umsetzung im Content Management System zu übernehmen. Ein Wort ergab das Andere und schlussendlich schrieb ich meine Diplomarbeit zum Thema "Kommunikation und Kundenbindung im Internet" anhand des Fallbeispiels Stade de Suisse Wankdorf Bern.

In diese Zeitspanne fiel auch der Aufbau der Stadionbetriebsorganisation. Noch während der Projektphase der Internetseite sendete ich meine Blindbewerbung an die Verantwortlichen -- und war nicht die Einzige. Entschieden wurde nach dem Projektabschluss. Mit grosser Freude konnte ich im Dezember letzten Jahres anfangen.

Was genau ist Ihre Aufgabe als Kommunikationsverantwortliche des Stade de Suisse?

Der gesamte Stadionbetrieb musste zuerst aufgebaut werden. Der Bereich Kommunikation und Corporate Design des Stade de Suisse Wankdorf konnte ich dadurch massgebend prägen. Am Anfang standen grundlegende Arbeiten wie zum Beispiel das Dachkonzept, das Wording oder das CD Manual an. Zeitgleich realisierte ich verschiedenen Grafikarbeiten. Auch der Aufbau der Medienkontakte und deren Pflege viel in diesen Abschnitt.

Je näher die Eröffnung kam, umso stärker stieg das Interesse der Medien. In dieser Zeitspanne nahm die klassische Medienarbeit einen wesentlichen Teil meiner Zeit in Anspruch. Ebenso lag die Organisation und Umsetzung der Medienbetreuung während der dreitägigen Eröffnungsfeier in meiner Verantwortung. Seit der Betriebsaufnahme am 1. August 2005 verzahnen sich nun die letzten Aufbauarbeiten mit dem Tagesgeschäft.

Rund um die offizielle Eröffnung des neuen Stadions gab es gleich viel für Sie zu tun. Warteschlangen und chaotische Zustände beim Ticketverkauf sorgten für Unmut. Wie haben Sie darauf reagiert?

Bei jedem Projekt in dieser Grösse muss am Anfang mit Kinderkrankheiten gekämpft werden. Zusätzlich standen am Eröffnungswochenende und bei den ersten Spielen mehrere hundert Personen neu im Arbeitseinsatz. Die Routine fehlte -- auch bei uns macht die Übung erst den Meister.

Aus Sicht der Kommunikation begegneten wir dieser Situation mit der Konzentration auf die Medienarbeit. Vorab wurde mit den verschiedenen Bereichsverantwortlichen Kernfragen und neue Ansätze diskutiert. Den Prozess unterstützte ich durch die Festlegung von Kernbotschaften, dem Wording, einer Q&A Liste, Medienmitteilungen und der Gesamtorganisation der Medienaktivitäten. Bei einem Medienlunch diskutierte der neue Geschäftsführer Stefan Niedermaier die Pannen mit den Journalisten, vor allem aber kommunizierte er Lösungsansätze zur Problembehebung.

Bei der Eröffnungsfeier ist auch noch ein Luftakrobat mit seinem Fesselballon abgestürzt, und das während einer TV-Live-Übertragung. Dass muss doch für Sie als Kommunikationsverantwortliche der absolute Alptraum gewesen sein?

Das Ereignis war für uns ein Schlag. Es war für alle eine grosse Erleichterung zu hören, dass es dem Luftakrobaten den Umständen entsprechend gut geht und keine Lebensgefahr besteht. Für solche Fälle legte ich vorweg ein Kommunikationsszenario fest. Bei der Erarbeitung eines Krisenkommunikationskonzepts hofft man natürlich immer, dass es nie angewendet werden muss. Leider war das Gegenteil der Fall.

Im Stadion waren unzählige Besucher und eine grosse Anzahl an Medienschaffenden, die dem Ereignis zusahen. Dadurch stieg der Zeitdruck enorm. Zusätzlich startete aufgrund des Unfalls eine polizeiliche Untersuchung und die verschiedenen Protagonisten wurden einzeln befragt. Obwohl die Informationen vorhanden sind, sind sie in einem solchen Moment für die Kommunikation fast nicht erreichbar.

In der Abklärungsphase war es primär meine Aufgabe, den Kontakt zur polizeilichen Medienstelle herzustellen, um mit ihnen das weitere kommunikative Vorgehen zu besprechen. Kollegen organisierten zeitgleich die Pressekonferenz. Trotz den laufenden Untersuchung konnten wir nach einer halben Stunde an einer PK erste Informationen weitergeben und 30 Minuten danach weitere nachreichen.

Nach dem ersten Meisterschaftsspiel von YB kam es zu Ausschreitungen von Hooligans. Wie geht man allgemein damit um, wenn man zu negativen Themen kommunizieren muss?

Ganz nach dem Grundsatz: "In guten Zeiten, wie auch in schlechten Zeiten". Vor der Eröffnung genoss das Stade de Suisse Wankdorf in den Medien grosse Aufmerksamkeit. Als die ausserordentlichen Ereignisse überhand nahmen, zeigten die Medien ebenfalls grosses Interesse. Zudem befanden wir uns in der ersten Augustwoche - das Sommerloch arbeitete gegen uns.

Wenn so ein grosses Bauwerk neu in Betrieb genommen wird, kann nicht von Anfang an alles klappen, auch nicht bei der Kommunikation. Wo haben Sie bis jetzt noch Verbesserungspotenzial gefunden?

An einigen Ecken (lacht). Vor rund einem Monat haben wir den regulären Stadionbetrieb aufgenommen. Täglich mache ich neue Erfahrungen und versuche sie wieder einfliessen zu lassen. Kommunikation ist nie ganz fassbar und es gibt immer wieder unzählige Möglichkeiten zu justieren. Für mich ist dies die spannende Herausforderung der Kommunikationsarbeit. Zusätzlich möchte ich die gute Stimmung im Stadion -- die Choreos, die Wellen, die Pfiffe des Schiedsrichters, YB auf dem Rasen -- eben Emotionen pur bei der Kommunikation verstärkt positiv nutzen.

Mit dem "Wankdorf“ hatte man einen bekannten Brand. Warum der Namenswechsel zu Stade de Suisse?

Mit dem Namen Stade de Suisse wird symbolisiert, dass dies das Schweizer Nationalstadion ist. Durch den französischen Namen werden zusätzlich auch die Schweizer Sprachgrenzen aufgebrochen. Für die Fans und die Lokalen wird es hingegen das Wankdorf bleiben. Mit dem Namen Stade de Suisse Wankdorf können wir beiden -- den Schweizern und den Bernern -- gerecht werden.

Wie wichtig wäre für die Betreiber das Stade de Suisse als Cupfinal-Standort?

Bis zur Sprengung des legendären Wankdorfs wurde das Cupfinale in der Bundeshauptstadt ausgetragen. Bereits reichten Fans eine Petition beim Schweizerischen Fussballverband ein, diese Tradition nun im neuen Stadion weiterzuführen. Die Bitte wird von über 100'000 Unterschriften gestützt. Für uns währe dies eine grosse Freude und besondere Ehre. Dem Schweizer Nationalstadion würde dies noch mehr Ausstrahlung geben.

Das Stade de Suisse wird 2008 auch Austragungsort von EM-Spielen sein. Kommt da eine spezielle Aufgabe auf Sie zu?

Ganz bestimmt, jedoch eher im Hintergrund. Bei der EM 08 wird die Gesamtkommunikation beim Veranstalter UEFA liegen. Die Stadien nehmen dabei eine untergeordnete, aber trotzdem spannende Rolle ein.

Bereits im ersten Betriebsjahr wird das Stade de Suisse dank dem FC Thun Austragungsort von Champions League spielen sein. Sind Sie dem Kantonsrivalen dankbar?

Das sportliche Potenzial in der Region ist enorm. Zwei 1. Liga Klubs im Kanton und dabei der FC Thun, der nun in der Champions League spielt. Uns freut es, dass die Thuner ihre Spiele im Stade de Suisse Wankdorf austragen. Natürlich ist es auch wirtschaftlich interessant. Wir hoffen aber schon, dass der Funken auf YB überspringt und wir schon bald dieselben Matchs mit den Young Boys im neuen Stadion erleben.

Was wünschen Sie sich in Bezug auf das neue Stadion als nächstes "Wunder von Bern“?

YB in der Champions League. Und etwas kurzfristiger: Dass YB beim Meisterschaftsspiel vom 10. September gegen Thun gewinnt, bei gewaltiger Stimmung im ausverkauften Stadion.



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