17.01.2011

"Das Agentur-Team und die Zusammensetzung der Talente sind ausschlaggebend für den Erfolg."

Zürich gilt als Kommunikations-Mekka der Schweiz. Trotzdem schaffen immer wieder Agenturen aus der West- und Ostschweiz den Sprung an die Spitze. Zum Beispiel Dachcom. Sie zählt 64 Mitarbeiter und hat ihren Hauptsitz in Rheineck am Bodensee. Warum ein Umzug überhaupt kein Thema ist und welches die Trends in Sprache und Grafik sind, erzählt das Dachcom-Gründerpaar auf „persoenlich.com“. Zum Interview:
"Das Agentur-Team und die Zusammensetzung der Talente sind ausschlaggebend für den Erfolg."

Christin und Otto Gmeiner, Ihre Agentur gehört laut bsw zu den bedeutenden der Schweiz. Warum gesellen Sie sich nicht zu Ihresgleichen und ziehen nach Zürich?

Der Agentursitz ist heute kein entscheidendes Kriterium mehr. Das Agentur-Team und die Zusammensetzung der Talente sind entscheidend. In unserer Agentur arbeiten seit unserem Start Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir haben über die Jahre gelernt, die verschiedenen Mentalitäten zu einer starken Einheit werden zu lassen. Im Jahr 2003 haben wir zudem eine Agentur in Winterthur übernommen und sind dadurch auch geografisch näher am Platz Zürich präsent.

Sie betreuen nationale Kunden wie Flumroc, Elbau Küchen oder Munz. Werden Sie zu Pitches eingeladen oder wie kommen Sie an die grossen Kunden heran?

Natürlich werden wir zu Pitches eingeladen. Unsere Teilnahme prüfen wir vorab sorgfältig. Wettbewerbsentwicklungen sind sehr zeitintensiv - für die Agentur und nicht zuletzt auch für den Auftraggeber selber. Die Ergebnisse aus Präsentationen sind oft punktueller Natur.

Kunden evaluieren ihren Kommunikationspartner oft über Agentur-Screenings. In einem schrittweisen Prozess werden Analyse, Positionierung und Strategie als Kommunikationsplattform im Dialog - Kunde - Agentur erarbeitet. Daraus ergibt sich, dass die nachfolgende Umsetzung und Markenführung durch die Agentur realisiert werden kann. Die zwischenmenschliche Komponente einer Zusammenarbeit zwischen Kunde und Agentur ist mitentscheidend - nicht nur das Know-how auch die gemeinsame Grundhaltung müssen stimmen.

Was machen Sie besser als Ihre Mitbewerber?

Wir massen uns nicht an etwas besser zu machen. Vielleicht sind wir durch unsere Unbefangenheit und durch den Standort in der Grenzregion einfach andere Wege gegangen und haben unseren Wirkungskreis über die nahen Landesgrenzen mit weiteren Agenturstandorten ausgedehnt.

Schon 1999 erkannten Sie die Wichtigkeit der neuen Medien. Sie gründeten Dachcom Digital. Wie entwickelt sich deren Bedeutung?

Früher realisierten wir HTML-Projekte innerhalb der Werbeagentur. Es wurde uns aber schnell klar, dass wir das Know-how im Bereich der neuen Medien konzentrieren müssen. Durch den Online-Hype in den Jahren 2001/2002 wurde unser Engagement schwer auf die Probe gestellt. Gerade in dieser schwierigen Zeit konnten wir uns für die Anforderungen der nachfolgenden Jahre aber rüsten.

Heute beschäftigen wir 12 Mitarbeitende bei Dachcom Digital. Wir realisieren einerseits PIM (Product Information Management) -Systeme. Dabei geht es um die automatisierte Erstellung von Printpublikationen und Webshops (direkt gespiesen vom Kunden-ERP - multichannel application). Zum andern machen wir crossmediale Kampagnen von der Konzeption bis zur technischen Umsetzung im eigenen Haus. Das hat Zukunft.

Welches sind die neusten Möglichkeiten in der digitalen Welt, die Sie Ihren Kunden anbieten?

Klassische Printkommunikation will mit der digitalen Welt unkompliziert verknüpft sein. Botschaften sollen spielerisch vertieft werden. 2010 haben wir erste AR-Projekte (Augmented Reality) erfolgreich umgesetzt. Sie erlauben die direkte Interaktion des Users via PC-Kamera mit der Webplattform. So haben wir zum Beispiel den Kunden unsere neuen Räumlichkeiten virtuell vorgestellt. Im Web entwickeln wir zudem immer wieder neue Spielformen. Die Schaffung von virtuellen Währungen in Kunden-Communities fördert beispielsweise die Interaktivität und die Kundenbindung. Dazu bieten wir neu entsprechende Lösungen an.

Die Sprache unterliegt Modeströmungen. Welches sind die Text-Trends im Jahr 2011?

Wir beobachten, dass blumige Ausschweifungen eher der Vergangenheit angehören. Das Bild dominiert weiter und gibt die Botschaft. Diese soll klar, kurz und prägnant sein. Echtheit und Werte müssen spürbar und klar auf den Punkt gebracht werden. Anglizismen braucht man heute weniger, eine verständliche deutsche Sprache steht im Zentrum. Die gewählte Positionierung und die Werbe-Idee geben den Ton des Textes.

Was bestimmt die graphischen Elemente?

Alles was rund um uns geschieht hat Einfluss auf die Wahl der grafischen Trend-Stilemente und die Farbgestaltung. So wird die Illustration oder auch die szenische Table top Materialkomposition als Stilmittel wieder häufiger gesehen. Der Ausdruck des Subjektiven, des Individuellen, des Echten wie z.B. verfremdete Bilder zur Ausdruckssteigerung sind typisch für unsere Zeit. Virtuelle Welten, wie wir sie in der Unterhaltungselektronik erleben, lassen einen grossen Spielraum in der Visualisierung und prägen auch den werblichen Ausdruck zunehmend.

Sie gründeten 1983 Dachcom. Was war Ihr Ziel?

1983 entschieden wir uns kurzfristig als Paar in einer Ateliergemeinschaft zu arbeiten. Dieser Schritt war in unserem Bewusstsein kein Wechsel, sondern lediglich unser Wunsch, unsere kreativ-gestalterische Arbeit als Grafiker im Spannungsfeld von einer verflossenen zu einer neu geplanten Arbeitsstelle sinnvoll zu überbrücken und aktiv zu bleiben. Kunden waren keine da. Mit einem Mailing und ein paar Telefonanrufen konnten wir erste Kontakte herstellen uns so auch Auftraggeber gewinnen und diese mit unserer Arbeit begeistern.

Aus dem kleinen Grafik-Atelier wurde sehr schnell eine Werbeagentur. Wie haben Sie das geschafft?

Rund sieben Jahre nach unserem Start beschäftigten wir bereits 10 Mitarbeitende. Die Bedürfnisse unserer Kunden haben uns gelehrt unsere Serviceleistungen entsprechend und dynamisch auszurichten. Beratung, Konzeption/Text/Grafik und Realisation gehörten schon damals zu unserem Leistungsportfolio. Durch unseren Standort in der Ostschweiz konzentrierten wir uns bewusst auf den geografischen Raum rund um den Bodensee, der die Schweiz, Österreich und Deutschland miteinander verbindet.

1991 und 1993 gründeten wir unsere Agentur-Standorte in Deutschland und in Österreich, weshalb wir auch unseren Namen (D=Deutschland, A=Austria, CH=Schweiz, Com= Communication) in Dachcom änderten und als Marke registrierten liessen. Heute zählen wir 64 Mitarbeiter.

Wie hat sich ganz allgemein die Agentur-Arbeit verändert im Vergleich zur Gründungszeit?

Die Instrumente haben sich wie in anderen Branchen radikal verändert. Was sich nicht geändert hat und immer wichtig bleiben wird sind: die Menschen, die kreative Konzeption - überraschend und zielgruppengerecht, starke visuelle und inhaltliche Ideen, tiefgehende Analyse mit darauf aufbauender strategischer Planung als Basis für zielführende Kommunikationslösungen.

Wo steht Dachcom am Ende des 2011?

Wir wollen uns im kreativen Bereich weiter steigern und die Möglichkeiten der integralen Kommunikation in allen unseren Teams und Standorten weiter entwickeln. Im letzten BSW-Ranking belegten wir einen Platz unter den 20 wichtigsten Agenturen der Schweiz (exkl. Dachcom Digital, exkl. Standorte D und FL). Dies wird wiederum Ansporn sein. Wir werden uns im 2011 wie bisher von unserer Intuition leiten lassen und uns den Spielraum für weitere Entwicklungen offen halten. Die Lust an der Sache wird uns leiten. Doch wo wir Ende 2011 dann tatsächlich stehen werden, wird uns vielleicht Madame Etoile beantworten können.

Interview: Christine Schnyder


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