20.06.2005

"Die Wirtschaftselite hyperventiliert nicht länger, wenn die Medien vor der Türe stehen"

Vasella, Brabeck, Ackermann: Die prominenten Wirtschaftsführer des Landes zeigen sich in diesen Tagen äusserst mitteilsam. Dabei schelten sie vor allem die Politik und stellen deren Glaubwürdigkeit in Frage. Wollen die Manager mit Ihrer Offensive davon ablenken, dass Sie selbst am Pranger stehen? Oder ist eine längst fällige Rückbesinnung eingetreten, sich an den politischen Prozessen zu beteiligen? "persoenlich.com" bat Kommunikationsprofi Andreas S. Thommen, vor kurzem mit dem Gold-Award ausgezeichneter PR-Consulent, um Antworten. Das Interview:
"Die Wirtschaftselite hyperventiliert nicht länger, wenn die Medien vor der Türe stehen"

Herr Thommen, Sie beraten Wirtschaftsführer. Wie werten sie jüngsten Auftritte von Seiten der Wirtschaftselite?

Ich betrachte die Äusserungen der Manager in den Medien nicht als konzertierte Offensive, sondern als vernünftige und notwendige Art und Weise der Wirtschaftselite, sich zu artikulieren.

Die Manager zeigen mit dem Finger auf die Politik und sprechen von einem Glaubwürdikeitsproblem. Wollen die Manager damit vom eigenen Image-Problem ablenken?

Nein, ich frage mich vielmehr, weshalb man von den Unternehmen auf der einen Seite mehr "Corporate social Responsibility" verlangt und dann verunsichert ist, wenn die Manager diese wahrnehmen.

Werden denn die Spitzenmanager ihr Image-Problem damit los, indem sie in den Medien der Politik den schwarzen Peter zuschieben?

Sie setzen voraus, dass Manager generell ein Image-Problem haben. Dieser Meinung bin ich nicht. Die Manager nehmen einzig ihre Rolle in der Gesellschaft wahr.

Manager haben derzeit kein Image-Problem? Das müssen Sie aber erklären.

Einzelne CEOs haben individuelle Image-Probleme. Ein generelles Glaubwürdigkeitsproblem von Managern kann ich indes nicht feststellen.

Selbst das Wirtschaftsblatt BILANZ konstatiert, dass Europas Wirtschaftsführer noch nie in der Nachkriegsgeschichte derart in der öffentlichen Kritik standen. Ist das alles nur ein Hirngespinnst der Medien?

Das Klima ist in der ganzen Gesellschaft rauer geworden, weil die Globalisierung auch zum Wettbewerb der politischen Systeme zwingt. Der Zweihänder und der Rundumschlag dominieren. Wer in den Wald hineinruft, darf das Echo nicht fürchten. Kommunikation ist keine Einbahnstrasse, und auch Wirtschaftsführer sollen öffentliche Kritik führen, wenn sie angezeigt ist.

Wenn Sie PR-Berater eines Managers wären, der in den Medien unter Beschuss geraten ist, welche Strategie würden Sie Ihrem Mandanten empfehlen?

Sich in die laufende Debatte einzubringen und die notwendigen Impulse zu geben. Es braucht allerdings Inhalte, und nicht Rundumschläge. Damit ist zugleich gesagt, dass ich nicht alle Anregungen der Wirtschaftsführer in der Vergangenheit für besonders gescheit halte.

Für Nestlé-Chef Peter Brabeck spricht sowohl die Sprache als auch die Argumentation von Unternehmensführern bisweilen von einer gewissen Verunsicherung. Er schreibt im Blick: „Wenn Unternehmer vor allem Hilfsprojekte in den Vordergrund stellen, verliert man den Blick auf das, was der freie Markt an breitem Wohlstand bringt.“ Wie werten Sie diese Haltung?

Herr Brabeck sagt ganz einfach, was Sache ist. Nämlich dass die Gesellschaft die Wirtschaft als Milchkuh duldet und zur Umsetzung ihrer Tagträume betrachtet. Sie vergisst dabei, dass das Bruttosozialprodukt von der Wirtschaft erzielt wird -- und nicht von der Politik. Gerade das politische System der Schweiz basiert auf dem Fundament, dass die Politik die Rahmenbedingungen bereitstellt und die freie Wirtschaft die Butter aufs Brot liefert.

Frank A. Meyer ist da anderer Meinung. Er wertet Brabecks Aufforderung an seine Kollegen, ihre Verantwortung zu übernehmen und eine neue Sprache zu benutzen, als Indiz, dass Manager eine gesäuberte Sprache im Sinne Orwells "1984" einführen wollen.

Ich habe den Artikel Meyers gelesen und freue mich, dass Herr Meyer in der Schule auch ein gescheites Buch gelesen hat. Die anbiedernde Larmoyanz, die in Meyers Kommentar zum Ausdruck kommt, verwedelt die von der Gesellschaft zu lösenden Fragestellungen ohne Impulse zu geben. Sie ist vor allem ein Indikator für die schwindende Bedeutung der Presse als Meinungsmacher.

Woran machen Sie diese angeblich schwindende Bedeutung der Presse fest?

Die aktuelle Diskussion zeigt das: Statt dass Inhalte in den Medien diskutiert und zu Lösungen verarbeitet werden, konzentriert man sich auf die holzschnittartige Darstellung der Thesen. Die Medien büssen immer mehr von ihrer Rolle als Fermentierungsinstrument der politischen Meinungsbildung ein. Die Wirtschaftsführer sprechen das Publikum heute auf direktem Kanal an und erwarten von den Medien immer weniger eine sachliche Würdigung auch der berechtigten Anliegen.

Rainer E. Gut knüpfte seine Teilnahme in der Arena an die Bedingung, dass Cash-Chefredaktor Schütz nicht an der Sendung teilnimmt. Daniel Vasella spricht derweil davon, dass Ringier mit seiner unablässigen Kritik an den Managern, dem Land schade. Ist eine solche Haltung nicht Zeugnis einer veralteten, autoritären Auffassung von unternehmerischer Öffentlichkeitsarbeit?

Nein, es zeigt auf, dass vor allem noch die Medien an ihre Wirkung und ihren Einfluss auf die Gesellschaft glauben, man sie aber nur noch in Einzelfällen ernst nimmt. Die Hunde bellen, die Karawane zieht vorbei. Warum soll ein Journalist sagen dürfen, mit wem er spricht, und ein Wirtschaftsführer nicht, mit welchem Journalist er sprechen möchte? Medien bieten nun mal keinen Service public an, sondern sind Wirtschaftssubjekte, die eine besonders extensive Auslegung der Handels und Gewerbefreiheit geniessen.

Wer ist "man"? Nimmt die Wirtschaft oder die Bevölkerung Ihres Erachtens die Medien nicht mehr ernst?

Die Wirtschaftselite -- sie ist selbstbewusst geworden und hyperventiliert nicht länger, wenn die Medien vor der Türe stehen.



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