Herr Vogler, das Credit-Suisse-Debakel oder die Belästigungsaffäre bei der SRG: Welches dieser beiden Unternehmen dürfte den kleineren Reputationsschaden davontragen, wenn die Krise denn einmal ausgestanden ist?
Die Fälle sind grundlegend verschieden. Entscheidend wird sein, wie die Unternehmen auf die Krise reagieren. Kommunikativ wie auch mit konkreten Massnahmen. Durch die Häufung der Fälle wird es für die Credit Suisse ungleich schwieriger, geeignete Massnahmen zur Krisenbewältigung zu finden. Unter anderem weil sie beim Publikum vermutlich als wenig glaubwürdig wahrgenommen werden.
Und bei der SRG?
Sie hat noch keine ausgeprägte Krisenhistorie. Das ist ein Vorteil, gerade wenn es um die Kommunikation von Massnahmen geht. Allerdings ist sexuelle Belästigung ein sehr aktuelles Thema mit hohem Nachrichtenwert. Insofern wird es auch für die SRG schwierig, einen Reputationsschaden gänzlich zu verhindern. Letztendlich bleibt in den Köpfen immer etwas hängen, egal wie der Fall dann aus rechtlicher Perspektive beurteilt wird.
Sie haben in einer umfangreichen Studie über zehn Jahre hinweg die Kommunikation von Schweizer Unternehmen in Compliance-Krisen untersucht. Welcher der untersuchten Fälle zog sich am längsten hin?
Die meisten Fälle betrafen die Bankenbranche. Als Folge der Finanzkrise 2008 konnte eine starke Häufung von Compliance-Krisen im Bankensektor beobachtet werden. Der Steuerstreit der UBS mit den US-Behörden ist dabei der Fall, der sich am längsten hinzog.
Laut Ihrer Studie verschwinden die meisten Compliance-Fälle nach kurzer Zeit wieder aus den Schlagzeilen.
Ja, das stimmt. Relativ rasch verschwinden Fälle mit geringem Nachrichtenwert bei öffentlich weniger bekannten Firmen, die oft auch Ereignisse im Ausland betreffen. Beispielsweise eine Verletzung der Publizitätspflicht beim Reise-Detailhändler Dufry oder ein Fall von Korruption in Simbabwe beim Rohstoffunternehmen Trafigura.
Oftmals entscheiden sich Firmen in Krisen für ein Bauernopfer, in der Hoffnung, durch aktives Handeln die Öffentlichkeit zu besänftigen und den Reputationsschaden verringern zu können – wir denken an den Fall UBS/Adoboli oder aktuell: Credit Suisse und die SRG, die Manager freigestellt haben. Laut Ihrer Studie: Was bringen solche Entlassungen?
Unsere Studie zeigt, dass solche Entlassungen keinen Einfluss auf die Reputation haben. Aus unternehmerischer Sicht macht es durchaus Sinn, sich von Managern zu trennen, die für die Krise verantwortlich sind. Aber dadurch lässt sich die Krise meistens nicht lösen. Wenn es tatsächlich ein «Bauernopfer» ist, durchschauen das die Medien und das Publikum in der Regel. Sich von prominentem Personal zu trennen, ist letztlich Symbolpolitik, wenn man nicht glaubhaft aufzeigen kann, dass sich dadurch im Unternehmen etwas verändert.
Ihre Studie zeigt, dass in nur 8 Prozent der Compliance-Fälle die Kommunikation aktiv durch den CEO oder den Verwaltungsrat erfolgt. Es nehmen in akuten Krisen stattdessen die Mediensprecher Stellung. Welche Wirkung hat das?
Die aktive Kommunikation von CEO oder VR hat keinen positiven Effekt auf die Reputation – aber auch keinen negativen. Diese Massnahme führt aber zu mehr Medienresonanz. Das liegt vermutlich daran, dass das Topmanagement den Nachrichtenwert der Kommunikationsmassnahmen erhöht.
Doch wäre es nicht wirkungsvoller, wenn sich Topmanagerinnen oder Verwaltungsratspräsidenten öffentlich in einem Interview erklären?
Der Vorteil unserer Studie ist die Betrachtung von vielen Fällen. Sie darf aber nicht als Rezept für jede Krise verstanden werden, da jede Krise ihre eigene Dynamik hat. Unsere Studie zeigt, dass der strategische Einsatz des Topmanagements in Compliance-Krisen gut überlegt sein muss. Gerade weil dies zu mehr Beachtung führt.
Und wenn sie sich entschuldigen?
Entschuldigungen erhöhen gemäss unserer Studie die öffentliche Beachtung, haben aber keinen Einfluss auf die Bewertung des Falls in den Medien. Sie sind also ebenfalls eine Massnahme, die mit Bedacht eingesetzt werden muss. Eine öffentliche Entschuldigung beinhaltet in der Regel auch ein Schuldeingeständnis. Das kann aus rechtlicher Sicht problematisch sein. Es ist auch schwierig eine Entschuldigung glaubwürdig zu kommunizieren, wenn sich Krisenfälle häufen.
Was sind wirksame Massnahmen zur öffentlichen Krisenbewältigung, sodass der Reputationsschaden möglichst gering ausfällt?
Es zeigt sich, dass Massnahmen mit starkem Bezug zu den Ereignissen positiv wirken. Die Überarbeitung der Compliance-Regeln und die Kompensation von Betroffenen wirken gemäss unserer Studie positiv. Auch eine aktive Kommunikation hat einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung. Das ist aber gerade in Krisen schwierig, vor allem wenn man nicht vorausschauend agiert. In der Forschung hat die sogenannte Stealing-Thunder-Strategie viel Beachtung erfahren.
Stealing-Thunder-Strategie?
Durch proaktive und transparente Kommunikation vernichtet man quasi den Nachrichtenwert der Ereignisse und kann so den Ablauf der Krisenberichterstattung besser steuern. Allerdings bedingt das eine schnelle Kommunikation. Oftmals ist eine transparente Kommunikation aus rechtlichen Überlegungen nicht immer möglich. In Firmen kann es also in Krisen zu Konflikten zwischen kommunikativen Bedürfnissen und rechtlichen Aspekten kommen.
Sie haben es eingangs erwähnt: Oftmals zeigt sich, dass einem Unternehmen zwar keine illegalen Handlungen vorgeworfen werden können, die mediale Empörung jedoch anhält, aufgrund von gesellschaftlichen Konventionen, die verletzt wurden – so etwa im Fall SNB/Hildebrand oder auch aktuell bei der SRG (bislang zumindest). Wie könnte dieser Umstand in der Krisenkommunikation stärker beachtet werden?
Wichtig ist, das Thema Compliance nicht nur auf die rechtliche Sicht zu limitieren und Reputationsaspekte im Krisenmanagement stärker zu beachten. Rechtliche und kommunikative Aspekte müssen in Krisen zusammen bedacht werden. Es bringt wenig, wenn man als Firma erklärt, dass rechtlich nichts falsch gemacht wurde, wenn es gesellschaftlich nicht akzeptiert ist. Das wirksamste Krisenmanagement ist noch immer, dass es gar nicht zu Krisen kommt. Dafür ist eine Firmenkultur notwendig, die Vergehen nicht zulässt. Das bezieht sich auf rechtliche Aspekte, aber auch auf weichere Faktoren.