22.06.2009

"Ein neues Haus ist gebaut. Eines mit mehreren Stockwerken"

Interview mit SPRG-Präsidentin Mireille E. Saucy.

Ab 2010 tritt der PR-Branchenverband SPRG unter der Bezeichnung "Schweizerischer Public Relations Verband"(SPRV) und der Dachmarke "pr suisse" auf. Mit der Namensänderung kommt es auch zu einem Wechsel in der SPRG-Spitze. Nach sechs Jahren übergibt Mireille E. Saucy das Präsidentenamt. Im Interview spricht die abtretende PR-Frau über Neuerungen, Erfolge und Entwicklungen in ihrer Amtszeit. Mireille E. Saucy sagt, was sie nun zu tun gedenkt und was für sie heute das Beste an Zürich ist. Das Interview:

Frau Saucy, Sie sind seit 2003 Präsidentin der SPRG . Jetzt treten Sie zurück. Weil es keinen Spass mehr macht?

Das sicher nicht. Aber hinter mir liegen sechs intensive Jahre als SPRG-Präsidentin, und ich möchte nun Zeit für Neues haben. Damit hängt zusammen, dass ich meine Agentur in Zürich im März geschlossen habe und definitiv nach Thun übersiedelt bin. Nach 40 Jahren Berufs- und Verbandstätigkeit will ich es nun als AHV-Teenager auch etwas ruhiger nehmen, mehr Zeit fürs Bücherlesen, fürs Wandern und für persönliche Kontakte haben und – vorerst – ein Leben ohne Agenda geniessen.

Was stand zuletzt noch auf Ihrer SPRG -Abschluss-Agenda?

Eine ganze Menge. Im Rahmen der selbst gestellten Denkaufgabe “SPRG Quo vadis” konnten wir unter Einbezug aller Regionalgesellschaften daran gehen, die SPRG neu aufzustellen. Wir haben uns unter anderem Problempunkten wie Lobbying auf nationaler Stufe, Milizsystem und Medienakzeptanz angenommen und im 56. Jahr des Bestehens quasi das Haus mit all seinen Stärken neu aufgebaut. Der Dachverband der sieben Regionalgesellschaften wird dabei wieder in einen Berufsverband umgewandelt. Dafür wurden neue Strukturen erstellt. Allianzenbildung wird künftig ebenfalls höher gewichtet und gelebt. Gegen aussen werden die Änderungen wohl zuallererst über die neue Wort-/Bildmarke “pr suisse” erkennbar sein.

Ein Naming mit frankophonem Einschlag - weshalb?

Weil wir damit nicht ins Angelsächsische verfallen und in einer guten Tradition – siehe auch Economiesuisse, Avenir Suisse oder Hotelleriesuisse – stehen, die auch der Romandie als wichtigem Landesteil Rechnung trägt.

Welche Neuerungen fallen sonst noch an?

Vorgesehen ist, künftig alle bisher gesonderten PR-Anlässe wie etwa diejenigen der SPRG, des BPRA, die Prüfungsabschlussfeiern und das PR-Symposium an einem “Nationalen PR-Tag” zusammenzufassen. Mit Inkraftsetzung der Statuten werden zudem ein Ausschuss und wieder ein Ehrenrat ins Leben gerufen. Die wohl stärkste Neuerung manifestiert sich im neuen “Haus der PR” in Zürich. An der Ankerstrasse, dem Sitz des SPRI, sollen inskünftig nach Möglichkeit alle Organisationen, die in den Schweizer PR eine Stimme haben, unter einem Dach residieren.

Weshalb dieser Zusammenzug?

Weil wir, zumindest was die SPRG beziehungsweise “pr suisse” betrifft, so die bisherige dezentrale Struktur in eine stärkere zentrale Struktur überführen können. So wirken wir einer Verzettelung der Ressourcen entgegen, schaffen vermehrt Angebote auf nationaler Ebene und binden Mitbewerber in unser Schaffen ein. So kann ich zum Schluss meiner sechs Amtsjahre sagen: Ein neues Haus ist gebaut. Eines mit mehreren Stockwerken. Denn bereits ab dem 1. Juli werden mit der SPRG, dem BPRA und dem Harbour Club drei wichtige Kräfte im Zürcher Haus der PR Einzug nehmen. Die Geschäftsstelle im Haus der PR wird von Madeleine Koller geleitet, davon entkoppelt kann die neue Organisation und Präsidiumsspitze dann auch ihr politisches Netzwerk spielen lassen.

Was bringt die Trennung von Präsidium und Geschäftsstelle?

Mit einer bekannten Persönlichkeit als Präsident ab nächstem Jahr sollen die Rolle unseres Berufsverbandes auch in der Politik stärker verankert und die Identifikation sowie das Image der PR-Branche gestärkt werden. Die Geschäftsstelle kann im Tagesgeschäft agieren, sich vollberuflich um die Organisation von Veranstaltungen, um Medienarbeit, um Monitoring und Kommunikation nach innen und aussen kümmern. So kommt “pr suisse” zu einer schlagkräftigen und modernen neuen Organisation – ohne jedoch den Einfluss und das Eigenleben der Regionalgesellschaften zu schmälern. Bei dieser Gelegenheit möchte ich ihren Präsidenten und den weiteren Vorstandskollegen für die konstruktive Zusammenarbeit danken. Was wir letztlich erreicht und geschaffen haben, basierte auf einem offenen und demokratisch geführten Prozess.

Wenn Sie auf Ihre Präsidiumszeit zurückblicken: Was haben Sie erreicht?

Unsere rund 1600 Mitglieder wieder zu einem nationalen Zugehörigkeitsgefühl zu vereinen – ich denke, dass dies mit der neuen Struktur geglückt ist. Dank unserer Internetplattform und der Medienpartnerschaft mit “persönlich” wurde die Kommunikation auf nationaler Ebene verbessert, wenngleich auch hier die Einbindung unserer Kolleginnen und Kollegen in den sprachlichen Minderheiten noch nicht optimal gelöst werden konnte. Einen weiteren Meilenstein konnten wir meines Erachtens mit MarKom legen. Sieben wichtige Berufs- und Wirtschaftsverbände aus den Bereichen Marketing, Verkauf, Direktmarketing, Werbung und Public Relations haben sich für die wichtigen Belange der Aus- und Weiterbildung zu einem Verein zusammengeschlossen. Dabei wurde die MarKom-Zulassungsprüfung ins Leben gerufen, mit welcher für die Berufsprüfungen Marketing, Verkauf, Werbung und PR vorgängig die gemeinsam geprüften Basisfächer zu absolvieren sind. Seit Einführung dieser innovativen, auf der Internetplattform durchgeführten Prüfung im August 2007 haben schon über 3000 Kandidatinnen und Kandidaten das MarKom-Zertifikat erlangt. Und da mir die Belange der Aus- und Weiterbildung sowie des Prüfungswesens weiterhin wichtig sind, bleibe ich für kurze Zeit noch Prüfungsleiterin unserer eidgenössischen Abschlüsse und Präsidentin der MarKom.

Wie hat sich die Bildungslandschaft ansonsten verändert?

Enorm! Vor allem, weil sich die Fachhochschulen förmlich auf unsere Disziplinen gestürzt haben. Eine herausfordernde Zeit, die auch das SPRI vor allem auf Diplomstufe zu spüren bekam. Heute zeigt sich jedoch, dass der Markt vor allem nach Fachleuten mit hoher Berufserfahrung und praxisorientiertem Know-how sucht – ein Asset, das es zu nutzen gilt.

Wo sehen Sie Versäumnisse in Ihrer Präsidentinnen-Ära?

Ein wichtiger Punkt bei meinem Präsidiumsantritt war es, den Bekanntheitsgrad der SPRG zu erhöhen und das grosse Potenzial an Kommunikationsverantwortlichen als Mitglieder zu gewinnen. Ersteres wurde wohl nicht zur absoluten Zufriedenheit erreicht, doch dafür wird nun mit dem “Haus der PR” und dem neuen Berufsverband ein Fundament gelegt, auf dem vieles möglich sein wird. Zu den Mitgliedern: 2003 waren es 1531 Mitglieder, die Zahl sank von 2005 bis 2007 vor allem wirtschaftsbedingt unter 1500 – und liegt aktuell nun bei 1605. Das ist kein gewaltiger Sprung – aber immerhin eine sanfte Steigerung. Ich denke aber, dass weiterhin ein grosses Potenzial für weitere Mitglieder besteht.

Was ist anders geworden in der PR-Welt seit 2003?

Das Bewusstsein von Firmen, Ämtern und NGO, dass sie eine Informationspflicht gegen innen und aussen haben, hat stark zugenommen. Heute ist sich wohl jeder CEO, jeder KMU- und jeder NGO-Verantwortliche bewusst, wie wichtig eine gute Kommunikation ist. Parallel dazu sind die PR-Schaffenden immer professioneller geworden, sie beherrschen ihr Metier. Und natürlich haben sich die technologischen Möglichkeiten – mobiles Internet, Blogs und so weiter – unglaublich erweitert, was unsere Branche noch spannender und interessanter macht.

Das Misstrauen zwischen PR-Schaffenden und Journalisten war für Sie immer wieder ein Thema. Wie hat sich das entwickelt?

Ich glaube, dass sich die Situation etwas entschärft hat. Viele Journalisten durften in den letzten Jahren sicherlich feststellen, wie sehr sich die PR-Arbeit professionalisiert hat. Aber die grosse Liebe eines Teils der Medienschaffenden zu den PR ist es leider immer noch nicht. Mit dem “Communication Summit”, den ich seinerzeit als Präsidentin der Zürcher Public Relations Gesellschaft in Kooperation mit dem Zürcher Presseverein initiiert habe, wurde zweifelsohne eine neue Dialogbasis gelegt, was der Erfolg dieser jährlich im Februar stattfindenden Veranstaltung beweist.

Die Medienbranche, vor allem im Printbereich, steckt in einer konjunkturellen wie strukturellen Krise. Und die PR?

In Zeiten wie diesen wächst naturgemäss das Bedürfnis vieler Firmen und Organisationen nach Beratung und professioneller PR. Für unsere Belange sehe ich daher weniger Probleme, wenngleich da und dort Budgetkürzungen festgestellt werden.

Ein Blick über die Verbandswelt hinaus: Grösste PR-Patzer, grösste PR-Meisterleistungen der letzten sechs Jahre?

Eine Flops-and-Tops-Liste führe ich nicht. Erwähnenswert sind in jüngeren Zeit die Kommunikationspannen im VBS, oder einer der für mich grössten, nachhaltigen Patzer war Josef Ackermanns berühmtes V-Zeichen nach dem Mannesmann-Prozess im Jahre 2004. Ein Bild, das auch fünf Jahre später noch allen präsent ist und sinnbildlich für die Arroganz von einigen Führungskräften steht. Grösste Meisterleistung? Da gibt es zweifelsohne mehrere herausragende PR-Konzepte und -Massnahmen, die jedoch, eben weil sie professionell ausgeführt wurden, nicht unbedingt augenfällig waren. Etwas von kollektiver Langzeitwirkung, das auch ins neue Jahrhundert hinein weiterstrahlte, war sicherlich das beispielhafte Kommunikationsverhalten der damaligen Swissair nach dem Absturz ihrer Maschine im September 1998 bei Halifax.

Sie sind nach Thun übersiedelt. Dorthin also, wo schon das 50-jährige Bestehen der SPRG gefeiert wurde und wo auch ein Grossteil der Denkarbeit für die Aufstellung des neuen Berufsverbandes geleistet wurde. Warum ausgerechnet in diesem 40 000-Seelen-Städtchen, fernab der PR-Hochburg Zürich?

Weil hier mein neuer Lebensmittelpunkt ist. Die Bundeshauptstadt Bern und viele andere interessante Begegnungsstätten sind nicht weit entfernt, das Städtchen selber ist ein pulsierender Ort, und das Naherholungsgebiet ist ebenso wunderbar wie die Nähe von Eiger, Mönch und Jungfrau.

In “Downtown Switzerland” würde man wohl sagen, dass das Beste an Thun der Zug nach Zürich ist.

Das sehe ich nun – mit einem Augenzwinkern – eher umgekehrt: Das Beste an Zürich ist für mich jetzt der Zug nach Thun.

(Interview: Andreas Güntert)


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