Roman Geiser, Sie haben seit vielen Jahren Farner geprägt. Jetzt ziehen Sie sich aus der operativen Führung Ihrer Agentur zurück. Was ist der Grund für diese Entscheidung?
Ich bleibe Farner ja erhalten und bin weiterhin investiert. Nur führe ich jetzt seit über 22 Jahren Agenturen in der Schweiz und in Europa als CEO und Unternehmer. Irgendwann ist auch für mich Schluss mit dem operativen Fokus. Team Farner – die Agenturgruppe, die mit ihrem Flagship in der Schweiz und weiteren fünf Ländern mit insgesamt 18 Agenturen tätig ist – ist in den letzten drei Jahren fulminant gewachsen. Mit dieser neuen Grösse macht die Trennung zwischen meinen neuen Aufgaben als Chairman und der CEO-Rolle meiner Nachfolgerin Melanie Faithfull Kent Sinn.
War dies schon länger geplant?
Selbstverständlich. Wer mich kennt, der weiss, dass ich wichtige Entscheidungen mit viel Vorlauf treffe. Bereits beim Einstieg unseres Wachstumsinvestors Waterland im Jahr 2021 haben wir vereinbart, dass ich die erste Auf- und Ausbauphase persönlich leiten, dann aber die operative Führung der Agentur einer geeigneten Persönlichkeit übergeben werde. Die Agentur hat in dieser Zeit den Umsatz und die Mitarbeiterzahl verdreifacht, wir sind in die Spitzenliga der europäischen Agenturen vorgestossen, und die erste Phase unseres Bauplans ist abgeschlossen. Nach diesem fulminanten Sprint bin ich dankbar, die Hands-on-Führung der stark gewachsenen Gruppe nun in Melanies Hände legen zu können.
«Ich stehe weiterhin für vereinzelte Schlüsselkunden und -kontakte zur Verfügung»
Wodurch unterscheidet sich neu die Aufgabenteilung der neuen CEO, Melanie Faithfull Kent, und Ihnen?
Grob gesagt wie folgt: Melanie führt die internationale Gruppe, die Partnerschaft und den Leadership Council und entwickelt dabei die Gruppe von A bis Z kommerziell weiter. Ich kümmere mich um den weiteren Ausbau der Gruppe über M&A und begleite Verwaltungsrat und Management strategisch. Und: Ich stehe weiterhin für vereinzelte Schlüsselkunden und -kontakte zur Verfügung. Melanie stösst natürlich auch zur Partnerschaft, das heisst, sie wird Mitinhaberin der Gruppe.
Damit berichten die Co-CEOs Pablo Koerfer und Michel Grunder von Farner in der Schweiz an Melanie Faithfull Kent?
Ja, das ist korrekt. Melanie führt wie ich bis anhin die CEOs oder Co-CEOs aller Ländergesellschaften. Diese sind in einem europäischen Leadership-Council zusammengefasst, dem Führungsgremium von Farner International.
Sie sprechen davon, dass nun eine neue Phase der Unternehmensentwicklung gestartet werde. Was heisst das konkret?
In der ersten Phase ging es darum, die Agentur zu internationalisieren, Farner in der Schweiz noch multidisziplinärer aufzustellen und die Plattform für weiteres internationales Wachstum zu entwickeln. 12 Akquisitionen und die Verdreifachung von Umsatz und Mitarbeitendenzahl sind Zeugnis davon. In der nächsten Phase geht es darum, die Plattform weiter zu professionalisieren und in allen Aspekten zu integrieren, und in strategischen Ländern punktuell weiter über Akquisitionen zu wachsen. Auch das multidisziplinäre Angebot, für das Team Farner steht, gilt es konsequent zu unseren Kunden zu tragen und nebst lokalen auch zunehmend grenzüberschreitende Etats zu gewinnen – was uns übrigens bereits gelingt.
Was sind die nächsten Schritte?
Zuerst einmal freue ich mich darauf, Melanie am 1. September bei uns in Zürich begrüssen zu dürfen. Wir sind sehr froh, dass wir eine erfahrene Agentur-CEO mit europäischer Ausstrahlung und grosser Kompetenz für uns gewinnen konnten. Nach einer ersten Einarbeitungsphase werden wir die nächsten Schritte für die Agentur zusammen mit der Gruppengeschäftsleitung und Melanie festlegen.
«Ich möchte mir mit der neuen Rolle als Chairman und einem etwas reduzierteren Pensum bei Team Farner aber bewusst auch Zeit schaffen für Aufgaben ausserhalb des klassischen Agenturgeschäfts»
Wo stellen sich im internationalen Geschäft die grössten Herausforderungen?
Das ist weniger abhängig von Ländern als von den Angeboten. Dort, wo wir Consumer-Business wie beispielsweise Werbung im Portfolio unserer Agenturen haben, spüren wir das wirtschaftliche Umfeld stärker als in Märkten, wo wir viel Unternehmenskommunikation, Public Affairs, Transformationsbegleitung oder beispielsweise Markenpositionierung im Portfolio haben. Da wir als Gruppe insgesamt beratungsorientiert sind und uns als Management Consultancy und kreative Problemlöser sehen, das heisst, nicht nur als Umsetzungsagentur, sind wir diesbezüglich resilienter aufgestellt als andere.
Stimmt der zeitliche Fahrplan des Ausbaus noch?
Der rasche Sprint zu Beginn mit 12 Akquisitionen hat uns schneller zur aktuellen Grösse katapultiert als initial gedacht. Folglich machen wir eine Verschnaufpause mit Akquisitionen im Jahr 2024 und fokussieren uns auf die Verstärkung unserer Prozesse und Strukturen und die Integration der Angebote. Deshalb nutzen wir auch das Jahr 2024 für den Führungswechsel auf Stufe CEO. Danach möchten wir organisch und auch wieder anorganisch über M&A wachsen.
Bleiben Sie Aktionär Ihres Unternehmens oder verkaufen Sie bald Ihre Anteile?
Ich bleibe stolzer und engagierter Aktionär der Agenturgruppe und bin dankbar, den Weg von Team Farner weiter mitgestalten zu dürfen. Ich möchte mir mit der neuen Rolle als Chairman und einem etwas reduzierteren Pensum bei Team Farner aber bewusst auch Zeit schaffen für Aufgaben ausserhalb des klassischen Agenturgeschäfts als Verwaltungsrat, Advisor und Investor, für die ich auch viel Energie verspüre.