17.04.2008

"In der PR-Branche ist ein gewisses Goldfieber ausgebrochen"

In der Schweiz wurden 2007 über 2200 PR-Büros neu gegründet. Die etablierten Agenturen sind also gefordert. Im Gespräch mit "persoenlich.com" erläutert Peter P. Knobel, Präsident des Bundes der Public Relations Agenturen BPRA, in welche Richtung sich die grossen Agenturen entwickeln müssen, um dem Wettberwerb gewachsen zu sein. "Die Personalstruktur bei den grossen Agenturen muss umgebaut werden, um die gestiegenen Anforderungen an die Beratung erfüllen zu können." Das Interview:
"In der PR-Branche ist ein gewisses Goldfieber ausgebrochen"

Herr Knobel, gemäss ICCO World Report verzeichnete die PR-Branche 2007 weltweit ihr stärkstes Wachstum seit jeher. In der Schweiz hat sich das Wachstum in der gleichen Zeit verlangsamt. Was sind die Gründe dafür?

Dafür verantwortlich sind unglaublich viele Neugründungen von PR-Büros. Diese arbeiten meist nicht als klassische PR-Agentur, sondern bieten vor allem Teilleistungen im Bereich Redaktion an. Zusätzlich drängen unheimlich viele Kommunikationsfachleute von Fachhochschulen auf den Markt. Diese können von den Agenturen nicht absorbiert werden, weil sie für die Beratung Leute mit mehr Erfahrung brauchen. Diese Absolventen finden dann oft Unterschlupf bei Unternehmen und übernehmen Aufgaben, die nicht mehr an PR-Agenturen ausgelagert werden. Typisches Beispiel wäre etwa das Erstellen von Geschäftsberichten.

Wie schlägt sich das bei den Agenturen nieder, wenn die Unternehmen PR-Aufgaben vermehrt intern vergeben?

Die klassischen Mandate, bei denen man mit dem Kunden einen Jahresetat vereinbart, sind zugunsten von Projektmandaten stark zurückgegangen. Dies hat eine zunehmende Volatilität zur Folge. PR-Agenturen haben in der Folge von Monat zu Monat stark schwankende Erträge.

Warum drängen so viele neue Player in die Öffentlichkeitsarbeit?

In der PR-Branche ist ein gewisses Goldfieber ausgebrochen, weil bekannt ist, dass sich mit Kommunikationsdienstleistungen gutes Geld verdienen lässt. Die Tätigkeit ist aber auch ausserordentlich attraktiv, weil dabei kreative und intellektuelle Fähigkeiten kombiniert werden. Nicht zuletzt versuchen viele Journalisten, die durch die Veränderungen in der Medienlandschaft ihre Arbeit verloren haben, ihr Glück als Anbieter von PR-Dienstleistungen.

Mehr PR-Agenturen bedeuten also nicht automatisch ein grösseres Wachstum der Branche?

Nein, der Markt wächst nicht so schnell wie die Zahl der Anbieter. Wir rechnen aber auch für 2008 insgesamt mit einem Wachstum der PR-Branche.

Machen die Kleinen den Grossen in der PR-Branche zu schaffen?

Die Einzelanbieter nehmen den grossen Agenturen vor allem den Fulfillment-Teil weg, insbesondere Redaktions- und Textarbeiten. Das ist aber nicht weiter tragisch, weil die Wertschöpfung bei diesen Dienstleistungen viel kleiner ist. Beratungsleistungen werden weit höher abgegolten, und diese holen die Unternehmen weiterhin bei den klassischen Full-Service-Agenturen ein. Diese Umstände bringen es allerdings mit sich, dass die Personalstruktur bei vielen führenden PR-Agenturen umgebaut werden muss, um die gestiegenen Anforderungen an die Beratung erfüllen zu können. Der Stab an PR-Redaktoren wird radikal abgebaut, dafür werden hochqualifizierte Leute für die Beratung rekrutiert.

Heisst hochqualifiziert auch hochspezialisiert?

Höchste Priorität hat für den Kunden, dass die PR-Agentur über Personal mit Know-how aus seiner Branche verfügt. Eine Agentur, die diese Voraussetzung nicht erfüllt, holt heute kein Mandat mehr. In dieser Deutlichkeit haben wir BPRA-Agenturen das vor einem Jahr noch nicht gespürt. Die Agenturen bilden daher intern Branchencluster. Rekrutieren sie Mitarbeiter, werden Leute mit entsprechenden Branchenkenntnissen eingestellt.

Gemäss Marktstatistik des BPRA wachsen vor allem die grossen Agenturen, bei den mittleren und kleineren Agenturen stagniert das Wachstum oder ist gar rückläufig. Werden trotz Gründungsfieber am Schluss nur die Grossen überleben?

Eine gewisse Grösse erhöht sicher die Überlebenschance. Es ist eine Tendenz spürbar, dass kleinere Agenturen Allianzen schmieden oder sogar fusionieren wollen, um endlich die kritische Masse zu erreichen. Beim BPRA gehen wird davon aus, dass eine Agentur einen Umsatz von vier Millionen Franken aufweisen muss, um in ruhigen Gewässern operieren zu können. Agenturen, welche diese Schwelle nicht erreichen, sind einer grösseren Volatilität ausgesetzt, ein Verlust eines Mandats wirkt sich mehr aus.

Die BPRA-Agenturen wollen die Qualität ihrer Arbeit mit der CMS II-Zertifizierung beweisen. Allerdings ist die Aussagekraft dieses Zertifikats für Aussenstehende nur schwer einschätzbar. Wie begegnen die Agenturen diesem Umstand?

Wir nehmen ziemlich viel Geld für eine Anzeigenkampagne in die Hand. Ab Mai bis Ende Jahr werden einzelne Aspekte der CMS II-Zertifizierung in den Vordergrund gestellt. Damit soll den Kunden verständlich gemacht werden, was sie von den zertifizierten Agenturen einfordern können. Zudem haben wir eine Broschüre geschaffen, in welcher der Kundennutzen des CMS II-Standards aufgezeigt wird.

Will der Kunde nicht eher die Wirkung der Agenturleistung messen und dann über die Qualität der Arbeit entscheiden, als irgendwelchen Zertifikaten vertrauen?

Durch die CMS II-Zertifizierung erhält der Kunde grösstmögliche Transparenz über die erbrachten Leistungen der PR-Agentur. Die Forderung nach einer Wirkungskontrolle wird von Kundenseite zwar vermehrt gestellt, kann aber noch nicht vollauf befriedigt werden. In dieser Hinsicht besteht ein grosses Defizit. Die Kommunikationswissenschaft hat bis jetzt keine geeignete Messmethodik gefunden. Wir haben die Antennen stets ausgefahren, um über neue Modelle auf dem Laufenden zu sein. Eine brauchbare Lösung zeichnet sich aber bisher nicht ab.

Wird heute von Kunden erwartet, dass Milliardenabschreibungen durch gute Kommunikation entschärft werden?

PR-Agenturen stehen viel weniger als Feuerwehr für die Imagepolitur im Einsatz als früher. Unternehmen rüsten sich heute präventiv für Eventualfälle. Agenturen werden hinzugezogen, um kommunikative Szenarien zu entwickeln, die die Handhabung eines unvorhergesehenen Ereignisses vereinfachen.

Wenn Sie einen Ausblick wagen, in welche Richtung wird sich die PR-Branche entwickeln?

Die Branche wird sich teilen in Full-Service-Anbieter mit Beratungsleistungen und Branchen-Know-how einerseits und in Teilleistungs-Anbieter mit günstigen Konditionen andererseits. Die Spezialisierung wird weiter voranschreiten. In den nächsten drei Jahren werden Agenturen zum Boden hinaus schiessen, die sich nur mit einer Branche befassen, sei das Health Care, Luxusgüter, IT oder anderes. Die etablierten Agenturen werden nur Wachstum generieren, wenn sie intern Einheiten schaffen, die den Wettbewerb mit den hochspezialisierten Anbietern aufnehmen können.

(Interview: Stefan Wyss)



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