20.09.2023

Parteien im Wahlkampf

«Junge Frauen erreichen wir mit Social Media»

Auch die Grüne Partei der Schweiz gibt mehr Geld aus für den Wahlkampf 2023 als vor vier Jahren. Die Ökopartei setzt stark auf Social Media und künstliche Intelligenz. Fabienne Engler, Bereichsleiterin Medien und Mobilisierung, hat unseren Fragebogen beantwortet.
Parteien im Wahlkampf: «Junge Frauen erreichen wir mit Social Media»
Fabienne Engler, Bereichsleiterin Medien und Mobilisierung der Grünen Partei, beantwortet den persoenlich.com-Fragebogen zum Wahlkampf 2023. (Bilder: Benjamin Zumbühl und Keystone/Anthony Anex)

Fünf Fragen an die Grünen

Balthasar Glättli zieht bei der eigenen Wählerschaft nicht so gut als Wahlkampf-Zugpferd wie die Präsidenten der anderen Parteien, wie das SRG-Wahlbarometer zeigt. Lässt sich da noch etwas machen?
Wir Grüne sind eine Bewegungspartei. Wir orientieren uns nicht so stark an einer einzigen Führungsfigur oder einem Wahlkampf-Guru. Das spiegelt sich in den Umfragen wider.
 
Die Grüne Partei mobilisiert intern mit der selbst entwickelten App «Avanti Verdi» (persoenlich.com berichtete). Erledigt die Basis ihre Wahlkampf-Jöbli nun fleissiger, wenn sie von der Parteizentrale via App überwacht wird?
Bei Avanti Verdi geht es darum, Engagement sichtbar zu machen und so weiteres Engagement herbeizuführen. Der Teamspirit steht im Zentrum. Die App stiess bei unseren Mitgliedern auf viel Zustimmung. Insbesondere für die Kandidat*innen erweist sich Avanti Verdi als sehr praktisch, da alles für den Wahlkampf am selben Ort auffindbar ist. Wir werden die App auch über den Wahlkampf hinaus weiternutzen, zum Beispiel für Unterschriftensammlungen.
 
Die Grünen buhlen mit der SP um die teils gleichen Wählerinnen und Wähler. Sind die Grünen grüner als die Roten auch grün sind?
Wir Grüne stehen seit 40 Jahren für konsequenten Klimaschutz. In diesen 40 Jahren haben wir gelernt, dass zwischen konsequentem Klimaschutz und dem Status quo vor allem eines steht: die bürgerliche Mehrheit im Parlament. Diese wollen wir bei den eidgenössischen Wahlen 2023 brechen. Es braucht einen tiefgreifenden Wandel.

Wie stark sind die Grünen im Wahlkampf auf «idiotische Vorstösse» anderer Parteien angewiesen, wie etwa dem von der SVP geforderten Autobahnausbau?
Wer Strassen sät, erntet Verkehr. Insofern ist der von der SVP geforderte Megastrassen-Ausbau tatsächlich eine idiotische Idee. Wir Grüne werden zusammen mit dem VCS und Umverkehr das Referendum ergreifen, sollte das Parlament an diesen Plänen festhalten.
 
Sollten die Grünen schlechter abschneiden als vor vier Jahren, erheben sie dann trotzdem Anspruch auf einen Bundesratssitz?
Alles deutet darauf hin, dass wir unseren Platz in der obersten Liga der Parteien bestätigen. Das Klima braucht einen Sitz im Bundesrat.
 




Neun Fragen an alle Parteien

1. Sind Sie mit der bisherigen Medienresonanz auf Ihre Wahlkampfkommunikation zufrieden?
Die Klimakrise ist jetzt. Der Juli und der August 2023 waren global gesehen die heissesten Monate seit Aufzeichnungsbeginn im 19. Jahrhundert. Extremwettereignisse häuften sich: ein tornadoähnlicher Sturm in La Chaux-de-Fonds, die Schlammlawine in Glarus, 39 Grad in Genf. Wir Grüne wollen und können diese Herausforderungen angehen. Das können wir dank unserer Medienarbeit aufzeigen.
 
2. Welche Wahlkampf-Botschaft Ihrer Partei ist bis jetzt am stärksten in Ihrem Sinn von den Medien aufgenommen worden und welche gar nicht?
Unsere Vorschläge für eine grüne Energiewende, allen voran die Solarinitiative, stiessen auf viel Resonanz bei den Medien und bei anderen Parteien. Die Schweiz muss den Ausbau der erneuerbaren Energien entschlossen vorantreiben, wenn sie ihre Klimaziele erreichen will. Der beste Weg dorthin ist die Solarenergie. Das Potenzial ist riesig und Solarpanels auf Dächern sind bei der Bevölkerung sehr akzeptiert, wie eine Studie des Verbands der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen ebenfalls zeigt.
 
3. Welche Bedeutung hat die klassische Medienarbeit im Wahlkampf Ihrer Partei?
Klassische Medienarbeit ist für uns wichtig. Sie hilft uns, Debatten breit zu lancieren und unsere grünen Vorschläge bekannt zu machen. Gleichzeitig werden für uns Grüne auch die sozialen Medien immer wichtiger: Unsere Wählenden sind überdurchschnittlich oft jung und weiblich. Sie erreichen wir besser über Kanäle wie Instagram und gezielte Kampagnen an Unis und Fachhochschulen. Der Mix macht es aus.
 
4. Ein wichtiges Instrument in der Wahlkampfkommunikation sind seit jeher die APG-Plakate. Welche Rolle spielt die Aussenwerbung heute noch im gesamten Kommunikationsmix?
APG-Plakate werden bei uns Grünen typischerweise von den Kantonalparteien organisiert und bezahlt. Generell machen sie den kleineren Teil der Wahlkampfkommunikation aus. Wir Grüne setzen viel mehr auf das direkte Gespräch und Massnahmen, die gleichzeitig weniger teuer sind und eine zielgruppengerechte Kommunikation erlauben.
 
5. Welche Rolle spielt Social Media im Wahlkampf Ihrer Partei?
Für uns Grüne ist die Präsenz auf den digitalen Kanälen sehr wichtig, weil unsere (potenziellen) Wähler*innen sehr oft sehr jung und deshalb auch häufig digital unterwegs sind. Wir wollen diesen Menschen bewusst machen, dass Wählen einen Unterschied macht und dass wir ihre Interessen im Parlament vertreten. Und wir wollen diese Menschen an die Urne bringen.

6. Nutzen Sie im Vergleich zum Wahlkampf vor vier Jahren neue Plattformen oder Kanäle, zum Beispiel TikTok oder Instagram?
Wir waren schon vor vier Jahren sehr digital unterwegs. TikTok, Telegram, Snapchat sowie unsere Mobilisierungs-App und ein Podcast-Format sind nach 2019 neu dazugekommen.
 
7. Die besten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind die Mitglieder. Wie aktivieren Sie die im Wahlkampf?
Für die Wahlen 2023 haben wir Grüne eigens eine Mobilisierungs-App programmiert. Sie ist perfekt auf die Bedürfnisse unserer Mitglieder und Aktivist*innen zugeschnitten. Wir koordinieren dort unsere Aktionen, feuern uns gegenseitig an und sehen, was noch zu tun bleibt.
 
8. Setzen Sie auf künstliche Intelligenz, sei es für die Text- und Bildgenerierung oder für das Targeting Ihrer Botschaften?
Ja, wir verwenden künstliche Intelligenz, beispielsweise für Recherche-Arbeiten (ChatGPT) und interne Übersetzungen (DeepL). Beides sind nützliche Anwendungen und vereinfachen den Arbeitsalltag. Weitere KI-Instrumente (Co-Pilot, Grammarly und Crowdin) kommen zur Verbesserung unserer Organisationsprozesse zum Einsatz. Wichtig ist für uns Grüne die kritische Prüfung der generierten Inhalte. Im Juni hat unsere Geschäftsleitung Leitlinien für den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Rahmen der Grünen Schweiz verabschiedet. Diese sollen den Einsatz von KI fördern, um unsere Parteiarbeit und unsere Kampagnen dank KI weiterzuentwickeln. Und die Leitlinien begegnen gleichzeitig den Risiken, welche durch KI-Einsatz bestehen.

9. Gibt Ihre Partei mehr Geld aus für den Wahlkampf als vor vier Jahren?
Ja, dank vielen kleinen und einer sehr grossen Spende stehen uns Grünen dieses Jahr insgesamt 1,3 Millionen Franken nationales Wahlkampagnenbudget zur Verfügung. Das ist deutlich mehr als 2019, was ein kurzer Blick in unser Budget bestätigt. Wir veröffentlichen dieses seit Jahren auf freiwilliger Basis auf unserer Website.



Alle Folgen der Serie «Parteien im Wahlkampf» finden Sie hierDie SVP wollte unsere Fragen nicht beantworten.


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