10.06.2019

René Beyer

«Kennen Sie jemanden, der iPhones sammelt?»

Er leitet die Chronometrie Beyer an der Zürcher Bahnhofstrasse bereits in der achten Generation. Im Interview äussert sich der Uhrenkönig über die Umwälzungen im Luxusbereich. Und er sagt, warum edle Uhren die Apple-Zeitmesser überleben werden.
René Beyer: «Kennen Sie jemanden, der iPhones sammelt?»
Gegen jeden Trend: René Beyers Uhrengeschäft kann jedes Jahr zulegen. (Bild: Dominique Cohas)
von Matthias Ackeret

Herr Beyer, die ganze Welt verändert sich. Wie erleben Sie die Umwälzungen im Luxusbereich?
Wer nicht mit dem Wandel geht, geht mit dem Wandel. Da wir aber ein typisch schweizerisches Produkt – nämlich die Uhr – vertreiben, ist der ganze Wechsel bei uns nicht so radikal wie bei anderen Unternehmen. Solange die Asiaten noch in die Schweiz kommen, um Schweizer Uhren zu kaufen, entspricht unser Angebot dem Kundenbedürfnis, und wir sind auch nicht gezwungen, chinesische oder japanische Uhren zu verkaufen.

Kommen die Chinesen immer noch in die Schweiz?
Ja, das ist immer noch so. Für gewisse Uhrenmarken ist die Nachfrage, vor allem aus China, sogar zu gross.

Was heisst das?
Jede Uhrenmarke muss sich überlegen, ob sie in diesen neuen Boommärkten aktiv sein will. Die Swatch- und die Richemont-Gruppe haben bereits Dutzende von Boutiquen in China eröffnet, andere Marken hingegen – wie Patek Philippe oder Rolex – sind viel zurückhaltender und denken, dass die japanischen und chinesischen Kunden weiterhin zu uns kommen, um ihre Uhr zu kaufen. Diese Firmen warten zuerst einmal die politische und wirtschaftliche Entwicklung ab, bevor sie direkt selbst ins Ausland expandieren.

«Die Schweizer Kundschaft ist immer noch unser wichtigster Markt»

Also, ein bisschen überspitzt formuliert: Sie leben an der Zürcher Bahnhofstrasse von den Chinesen, die bei Ihnen eine Uhr kaufen …
Die Schweizer Kundschaft ist immer noch unser wichtigster Markt. Wir sind ein Zürcher Traditionsunternehmen und setzen vor allem auf einheimische Klientel. Aber es ist auch eine Tatsache, dass in Luzern oder Interlaken mittlerweile über 85 Prozent aller Uhren an chinesische Kunden verkauft werden. Vielleicht liegt dies auch an der Bequemlichkeit und der Art der dortigen Unternehmen, dass sie jedem, der ihren Laden betritt, sogleich eine Uhr verkaufen wollen. Dies entspricht nicht unserer Strategie, unsere Kundengewinnung ist eher selektiv.

Aber nochmals: Welchen Stellenwert nehmen die chinesischen Kunden ein?
Selbstverständlich ist China für uns ein sehr wichtiger Markt, aber als Unternehmen unserer Grösse müssen wir von der Heimkundschaft leben können. Es ist gut möglich, dass einzelne Uhrenfirmen künftig ein Konzessionsgebiet definieren und damit festlegen, an wen wir unsere Uhren verkaufen müssen. Und dies wäre vorzugweise die Schweiz.

Diese Gefahr besteht?
Selbstverständlich. Es gibt heute bereits Firmen, die uns das Kontingent der Uhren, die wir an Chinesen verkaufen dürfen, vorschreiben. Wer sich nicht daran hält, wird abgestraft und bekommt von den Firmen weniger Exemplare zum Verkauf angeboten. Wir müssen gegenüber den Herstellern über jede Uhr, die wir verkaufen, Rechenschaft ablegen. So mussten bereits einzelne Läden in Luzern oder Interlaken bei einzelnen Marken eine Kontingenteinbusse von 20 Prozent auf sich nehmen, weil sie die Vorgaben der Uhrenfirmen missachteten. Würden wir unsere Produkte ausschliesslich an Ausländer verkaufen, könnten wir unsere zehn Uhrmacher und sechs Goldschmiede nicht mehr beschäftigen. Wir wollen auch weiterhin beratend tätig sein.

Aber den Uhrenfirmen kann es doch schliesslich egal sein, wer ihre Uhren kauft, Hauptsache, sie werden verkauft ...
Nein, das darf und kann den Herstellern nicht egal sein. Es ist auch für Coca-Cola wichtig, dass sie weiterhin bei Coop oder Migros vertreten sind. Selbstverständlich könnte Coca-Cola auf die beiden Läden verzichten, der Imageverlust, der dies mit sich bringen würde, wäre aber gewaltig. In der Luxusbranche ist es genau umgekehrt: Hier bestimmen die Hersteller die Spielregeln. Einzig Bucherer, mittlerweile zum grössten Uhrenhändler der Welt aufgestiegen, könnte es sich leisten, auf einzelne Marken zu verzichten. Wir, die kleineren, sind hingegen auf sie angewiesen. Früher konnten wir beispielsweise viele Uhren an Deutsche verkaufen, mittlerweile ist es aufgrund der Mehrwertsteuer jedoch günstiger, im Ausland eine Schweizer Uhr zu erwerben. Das ist für mich der beste Beweis, dass man die einheimische Kundschaft pflegen muss.

Stört es Sie, dass Sie weniger deutsche Kundschaft haben?
Nein, überhaupt nicht. Wenn ich genügend Schweizer Kunden habe, kann ich sehr gut von diesen leben. Meine Philosophie lautet: Switzerland first! Wir veranstalteten am 9. Mai ein Konzert mit 1200 Schweizer Kunden. Warum soll ich eine Uhr, bei der die Wartefrist drei bis vier Jahre beträgt, einem Chinesen verkaufen, wenn ich zuerst einen Schweizer Kunden glücklich machen kann?

«Man kauft eine Luxusuhr nicht nur wegen der Zeitmessung»

Wie gross ist die Konkurrenz durch die Apple Watch?
Dazu kann ich nur Jean-Claude Biver zitieren: Kennen Sie jemanden, der iPhones sammelt? Oder anders formuliert: Man kauft eine Luxusuhr nicht nur wegen der Zeitmessung, sondern auch als Wertgegenstand. Es gab einmal ein Handy mit Diamanten. Als die Technologie sich änderte, wollte dies niemand mehr haben, trotz des ganzen Schmucks. Luxus ist nicht immer das Neueste, sondern muss in der Tradition bestehen. Eine Uhr wird meist erst zwanzig Jahre nach ihrem Erwerb richtig wertvoll.

Welche Konkurrenz besteht durch den Onlinehandel?
Sie sprechen eine Malaise an, mit der wir uns seit Jahren beschäftigen. Es gibt Händler, die selbst eine Distribution über das Internet aufgebaut haben. Wir hingegen verfolgen eine andere Strategie und betreuen unsere Kundschaft bei uns im Haus. Der persönliche Kontakt ist für uns das Wichtigste. Wenn man es richtig macht, kann man auf diese Weise auch die nächste Generation gewinnen. Ich möchte den Internethandel nicht kategorisch verdammen, auch wir sind mittlerweile in den sozialen Medien präsent, beispielsweise auf Instagram, und haben sehr viele Follower. Trotzdem glaube ich, dass wir etwas falsch machen würden, wenn es uns an der Zürcher Bahnhofstrasse nicht mehr gelänge, das beste Einkaufserlebnis zu garantieren.

Was heisst das?
Man kann bei uns im Laden edle Häppchen essen oder Champagner trinken, unser Uhrenmuseum im Haus besuchen, an Diamant-, Farbstein- und Vintage-Seminaren teilnehmen oder selber einen Uhrmacherkurs besuchen. Und man kann mit uns auch die grossen Uhrenfirmen besichtigen. Das kann das Internet nicht bieten. Selbstverständlich kann man auch bei uns Uhren online bestellen, die Auslieferung der Uhren findet aber immer bei uns im Haus statt. Dies unterscheidet Luxusprodukte vom normalen Handel.

Aber was macht Ihnen denn unternehmerisch Bauchschmerzen?
Der persönliche Kontakt. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich so verhalten, als wären sie ein Familienmitglied. Obwohl wir nur ein Geschäft besitzen, ist es mir nicht möglich, bei jedem Uhrenverkauf dabei zu sein. Doch beim Verkaufsprozess zeigt sich, ob unsere Firmenphilosophie funktioniert. Dies ist der sensibelste und wohl auch wichtigste Bereich. Männer werden bevorzugt von Frauen bedient, umgekehrt ist dies auch möglich. Geht es aber um Ohrringe, bevorzugen Frauen eine Verkäuferin, da sie das notwendige Verständnis aufbringt. Dies muss man wissen. Der richtige Verkäufer am richtigen Ort ist matchentscheidend. Der Empfang und die Verabschiedung sind das absolut Wichtigste in diesem Unternehmen.



Das ausführliche Interview mit René Beyer lesen Sie in der Mai-Ausgabe von «persönlich».



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