27.07.2023

Contract Media

«Man muss das Kind beim Namen nennen»

Vor 25 Jahren hat Sacha Wigdorovits eine Agentur für holistische Unternehmenskommunikation gegründet. Heute betreut Contract Media viele namhafte Kunden. Der Firmengründer über seine Selbstständigkeit, schwierige Mandate und schlecht ausgebildete Journalisten.
Contract Media: «Man muss das Kind beim Namen nennen»
«Das digitale Zeitalter hat auch die PR-Branche von Grund auf verändert», so Kommunikationsberater Sacha Wigdorovits, Gründer von Contract Media. (Bild: zVg)

Herr Wigdorovits, herzliche Gratulation zum 25. Geburtstag Ihrer Agentur. Was hat Sie 1998 nach Ihrem Engagement als Blick-Chefredaktor bewogen, Contract Media zu gründen?
Es waren zwei Dinge: Einerseits sah ich nach meiner Zeit als USA-Korrespondent der SonntagsZeitung und Chefredaktor des Blick nicht, wo es für mich als Journalist in der Schweiz noch eine Steigerungsmöglichkeit gegeben hätte. Andererseits hatte ich als Journalist immer wieder festgestellt, dass viele Unternehmen im Umgang mit den Medien völlig überfordert waren und sich damit unnötig ins Abseits dirigierten. Ich glaubte, dass ich mit meiner 20-jährigen Erfahrung als Journalist, hier helfen könnte, solches Fehlverhalten zu vermeiden.

Fiel Ihnen der Entscheid, selbstständig zu werden, schwer?
Kurz zuvor war ich an der Harvard Business School gewesen. Dort hatte man uns eingebläut, dass der kleinste Unternehmer mehr Wert sei als der grösste Manager. Aber als ich dann den Schritt in die Unabhängigkeit wagte, hatte ich doch viele schlaflose Nächte. Und ich glaube, ohne meine Partnerin Ingrid Deltenre, die mich dabei unterstützte und dazu ermunterte, hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut.

«Ich konnte mich nicht über einen harzigen Start beklagen»

Welches waren Ihre ersten Kunden?
Ich hatte riesiges Glück. Mit der Sportvermarkterin T.E.A.M., welche die Uefa Champions League organisierte, und mit der Grasshopper Fussball AG unter der Führung von Romano Spadaro hatte ich gleich zu Beginn zwei sehr renommierte und spannende Kunden. Wenig später kam dann – allerdings aus sehr traurigem Anlass, nämlich dem Absturz von Flug SR111 – noch die SAir Group dazu und dann McDonald's Schweiz unter seinem Gründer und langjährigen Chef Urs Hammer. Ich konnte mich also nicht über einen harzigen Start beklagen.

Sie hatten vielfach auch medienpräsente Kunden wie beispielsweise Carl Hirschmann und Urs Schwarzenbach. Wenn Sie zurückschauen, was war Ihr schwierigstes Mandat?
Emotional das Schwierigste war sicher der Absturz von Flug SR111, bei dem 229 Menschen ihr Leben verloren. Das war schrecklich. Inhaltlich eines der schwierigsten Mandate war sicherlich die Gründung von 20 Minuten, bei der ich als Projektleiter für praktisch alles verantwortlich war, von der Suche nach einem Schweizer Co-Investor, dem leider sehr früh verstorbenen Ernst Müller-Möhl, über das inhaltliche und Gestaltungskonzept bis hin zur Suche nach einem Drucker und Vertriebspartner und schliesslich zur Anstellung des Chefredaktors und Verlagsleiters. Aber auch die Leitung der Kommunikation in der Gründungsphase der Airline Swiss war sehr schwierig, weil sämtliche Medien überzeugt waren, dass wir scheitern würden. Das war übrigens seitens der Werbebranche auch bei 20 Minuten der Fall gewesen. Der Einzige, der von Beginn weg an uns glaubte, war der Mediaexperte Urs Schneider, sonst sagten uns alle Werber und Mediafachleute ein baldiges Ende voraus. 

Inwiefern hat sich die ganze PR-Branche im vergangenen Vierteljahrhundert verändert?
Das digitale Zeitalter hat auch die PR-Branche von Grund auf verändert. Wo es früher möglich war, auf kritische Ereignisse innerhalb eines Tages zu reagieren, muss man heute innerhalb von ein, zwei Stunden Antworten geben. Ausserdem sind sehr viele Onlinemedien extrem oberflächlich und die Journalistinnen und Journalisten, die dort arbeiten, sind oft schlecht ausgebildet. Das macht es bei komplexen Fragestellungen schwierig, ihnen die Sachen zu vermitteln und ins richtige Licht zu rücken. Andererseits haben das Internet und insbesondere die sozialen Medien auch der PR-Branche zusätzliche Mittel in die Hand gegeben. Wenn man die relevante Zielgruppe ansprechen will, dann braucht man dazu nicht mehr – oder mindestens nicht mehr nur – die klassischen Medien, sondern man kann dies sehr zielgerichtet und kostengünstig auf eigenen Plattformen tun. Die Digitalisierung hat die PR also nicht nur komplexer gemacht, sondern auch effizienter.

Wo sind die grössten Unterschiede zwischen Journalismus und Unternehmenskommunikation?
Der grösste Unterschied sind sicherlich die Ziele: Die Journalisten wollen ihren Lesern, Zuschauern, Hörern und Usern möglichst spannende, relevante und gut verständliche Informationen liefern. Die Unternehmen ihrerseits möchten sich in einem möglichst guten Licht darstellen. Da sind Zielkonflikte oft vorprogrammiert. Aber es gibt auch eine grosse Gemeinsamkeit: Wenn man sich nicht an die Wahrheit hält – und dazu gehört auch, dass man diese nicht nur teilweise oder verzerrt wiedergibt –, dann scheitert man. Sowohl als Medium als auch als Unternehmen, das im Fokus der Medien steht. 

«Ich war lang genug selbst Journalist, um zu wissen, wie der Hase läuft»

Sie gelten – im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen – nicht als zurückhaltend, sondern bisweilen auch aggressiv. Hat sich diese Strategie auf lange Sicht bewährt oder würden Sie rückblickend gesehen heute etwas anders machen?
Wenn etwas schiefläuft, dann muss man das Kind beim Namen nennen und einen Pflock einschlagen, sonst wird es das nächste Mal nur noch schlimmer. Aber aggressiv werde ich nur, wenn ein Journalist oder eine Journalistin – nachdem ich ihm oder ihr wirklich alles erklärt und auch schwarz auf weiss dokumentiert habe – wider besseres Wissen Falsches über einen Kunden von mir schreibt. Das akzeptiere ich nicht, denn ich war lang genug selbst Journalist, um zu wissen, wie der Hase läuft. Aber ich bin vermutlich auch jener Kommunikationsberater, der seinen Kunden am häufigsten rät, einem Journalisten ein kurzes Dankesmail zu schreiben, wenn ein Bericht fair war, auch dann, wenn er Kritisches enthielt – und ich mache dies ebenfalls. Mit kompetenten Journalistinnen und Journalisten hatte ich übrigens bis heute noch nie Probleme.

Sie selbst leben heute teilweise in Italien. Wie führen Sie Ihre Agentur?
Der grösste Mentor, den ich hatte, war der geniale Werber Max Wiener. Ihm verdanke ich unheimlich viel. Er war einer der gescheitesten, humorvollsten und liebenswertesten Menschen, denen ich je begegnet bin; er war für mich wie ein zweiter Vater. In seinen späten Jahren hatte Max in Roquebrune-sur-Argens in Südfrankreich sein «Büro Süd», wie er es nannte. Wir haben vor sechs Jahren in Punta Ala in der Toskana ein Haus gekauft, das meine zweite Heimat geworden ist – und nach Max Wieners Vorbild mein eigenes «Büro Süd». Das funktioniert sehr gut: Einerseits, weil wir bei Contract Media mit Stella Zeco, Franziska Pedroietta und Daniela Zivadinovic, die für uns auf Projektbasis arbeitet, ein eingespieltes Team und für spezielle Projekte auch ein sehr gutes, langjähriges Netzwerk haben, zum Beispiel mit Renate Hotz für die Politarbeit in Bern oder mit Rico Brazerol für Publishingprojekte. Andererseits, weil die heutigen digitalen Kommunikationsmittel ein dezentrales Arbeiten sehr begünstigen. Zudem bin ich, wenn ein Kunde mich sehen will, innerhalb von sechs Stunden in der Schweiz. So macht mir das Arbeiten ebenso viel Spass wie das Golfen, das ich vor vier Jahren begonnen habe, weil ich von meinem Pult in Punta Ala auf den Fairway von Loch 13 hinuntersehe.



Sacha Wigdorovits war Chefredaktor vom Blick und gehört zu den Mitgründern von 20 Minuten, später hat er die Gratiszeitung .ch mitlanciert. 1998 gründete er Contract Media. Zum aktuellen Kunden-Portfolio gehören Axpo, Media Markt Schweiz, Parship.ch, Philip Morris Schweiz, startups.ch, Tally Weijl, Leica Geosystems, Department of Economics der Universität Zürich, Eternit (Schweiz), Urs Schwarzenbach sowie Bernhard Alpstaeg in seinem Kampf gegen den Verwaltungsrat des FC Luzern.


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