10.10.2005

"Mit ihrem Versteckspiel hat Ingrid Deltenre viel Bonus verloren"

Seit Wochen und Monaten reitet der Blick Kampagne um Kampagne gegen das Schweizer Fernsehen. Und mit der jüngsten Enthüllung der SonntagsZeitung, das Salär des "Traumjob"-Siegers werde zum Teil von SF DRS bezahlt, kommt der Staatssender erneut unter Druck. Weshalb gerät der Leutschenbach so oft ins Kreuzvisier der Medien? Kommunikationsberater Marcus Knill sieht den Ursprung der schlechten Presse vor allem in der "unglücklichen" Kommunikationspolitik des Senders. Das Interview:
"Mit ihrem Versteckspiel hat Ingrid Deltenre viel Bonus verloren"

Herr Knill, SF DRS steht aufgrund der angeblichen Finanzierung des Traumjob-Salärs schon wieder im Schussfeld der medialen Kritik. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Wir sprechen in der Krisenkommunikation von einem Gleichgewicht zwischen Schweigen und Sprechen. Das Schweizer Fernsehen hat nicht begriffen, dass es sowohl ein schädliches Schweigen gibt als auch ein schädliches Zuviel-Reden. Als Frau Deltenre von Roger Schawinski angegriffen wurde, hat sie viel zu früh und ungefiltert zurückgeschossen. Indem sie Schawinski Neid vorwarf, hat sie die Eskalation selbst herbeigeführt. Im Gegenzug tauchte sie ab, als es um das Aus der Ogi-Hymne in der Sendung "Ein roten Teppich für..." ging. Und als SF DRS im Zusammenhang mit "Traumjob" in den Verdacht geriet, Schleichwerbung zu betreiben, sagte sie ebenso wenig, wie nun zur angeblichen Finanzierung des Siegersalärs. In allen diesen Fällen erwies sich ihr Schweigen als äusserst kontraproduktiv und wurde als Zensur ausgelegt. Denn wer einfach schweigt, ohne zu erklären weshalb, muss sich nicht wundern, wenn die Leute sauer werden. Insgesamt komme ich zum Schluss, dass SF DRS unglücklich kommuniziert hat. Daran ändert sich auch nicht viel, dass SF DRS am Montag Abend in einer Pressemitteilung zu den Salären in "Traumjob" Stellung nimmt.

Frau Deltenre sagte kürzlich in einem "persönlich"-Gespräch: "Wir kommunizieren als SF DRS viel offener als früher".

Ich kann mir vorstellen, dass sich Frau Deltenre anfangs Offenheit auf Ihre Fahnen geschrieben hat. Doch eines scheint mir klar: Im Zusammenhang mit der unablässigen Kritik des Blicks ist die Fernsehdirektorin sicherlich nicht offener geworden. Und durch dieses Versteckspiel hat sie sehr viel Bonus verloren.

Wie erklären Sie sich die kommunikative Fehlleistung von SF DRS?

Ich vermute, Frau Deltenre ist von den Ereignissen überrascht worden. Doch das kann Sie nicht publik machen. Denn jede Institution ist verpflichtet, die verschiedenen Szenarien zu antizipieren. Wenn die SF-Führung nicht damit gerechnet hat, dass die Frage nach dem Salär des "Traumjob"-Gewinners gestellt wird, dann hat sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Und so etwas wäre nicht zu entschuldigen.

Nachdem die SonntagsZeitung berichtete, SF DRS bezahle Teile des Salärs vom "Traumjob"-Sieger, liess die Unternehmenskommunikation verlauten, man gebe zu Vertragsinhalten prinzipiell keine Auskunft.

Mediensprecher Urs Durrer hätte doch den Medien mitteilen können, dass es SF DRS aus vertraglichen Gründen nicht möglich ist, Angaben zum Salär des "Traumjob"-Gewinners zu machen. Etwa weil SF DRS in diesem Falle eine Konventionalstrafe zu entrichten hätte. Doch ich habe nichts dergleichen gelesen, auch nicht, dass SF DRS untersuchen will, wie dicht diese Verträge sind. Mich erstaunt, dass man am Leutschenbach das ABC der Kommunikationskultur nicht ganz beherrscht. Dass ausgerechnet eine Institution versagt, die der Bevölkerung zeigen sollte, wie man gut kommuniziert, macht die Sache nicht besser.

Wie weit ist SF DRS verpflichtet, die Gebührenzahler zu informieren, was mit ihrem Geld geschieht?

Das Fernsehen hat -- falls die Behauptungen der SonntagsZeitung stimmen - mit den Geldern der Öffentlichkeit bezahlt. Es ist deshalb nach meinem Dafürhalten verpflichtet zu informieren. Deltenre wäre also gefordert gewesen, hinzustehen und zu sagen: "Wir untersuchen die Sachlage und informieren zu gegebener Zeit." Doch sie hat nichts dergleichen getan. Ihr Verhalten zeugt genau vom Gegenteil einer offenen Kommunikationspolitik.

Was sagen Sie zur Haltung von Frau Deltenre, SF-intern ein Redeverbot gegenüber ihr unliebsamen Journalisten zu verhängen?

Grundsätzlich gilt: Alle Medien werden gleich behandelt. Aber: Es gibt keinerlei Verpflichtung, einzelnen Journalisten, die die Spielregeln nicht einhalten, empfangen zu müssen. Solange das Redeverbot nur für einzelne Personen gilt, nicht aber gegen einzelne Titel, ist die Haltung Deltenres für mein Dafürhalten verständlich.

Wären Sie Kommunikationsberater von Frau Deltenre, welchen Rat würden Sie der Fernsehdirektorin zum heutigen Zeitpunkt geben?

Befindet sich ein Exponent wirklich im Schlamassel, ist ein "Mea Culpa" eine Variante, die sich oft bewährt hat. Damit fällt der gesamte Druck schlagartig weg. Falls Deltenre dies nicht will oder kann würde ich einen Neuanfang vorschlagen. Dazu gehört eine vorgängige Standortbestimmung, ein Kommunikationskonzept und auch ein Antizipieren, wie in einem nächsten Fall vorgegangen werden soll. Statt wie bisher weiterzufahren, kommt Frau Deltenre nicht darum herum, wirklich zu informieren. Denn ich gehe davon aus, dass der Blick künftig genüsslich jede Gelegenheit nutzen wird, in dieselbe Bresche zu schlagen wie bisher. Ein Verharren in einer Trotzhaltung wäre deshalb das Schlimmste, was nun passieren könnte. Dies zeigt das Beispiel von Bundeskanzler Schröder: Mit seiner Medienschelte in der Elefantenrunde hat er sich selber demontiert -- und nun ist er schon nicht mehr Kanzler.



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