20.12.2017

Chefredaktion

«Revierkämpfe absorbieren unnötig viel Energie»

Ein Jahr nach seinem Abgang als Chefredaktor beim «Blick» meldet sich Peter Röthlisberger zurück. Der 50-Jährige gründet zusammen mit Barbara Lienhard und Roland Grüter eine Content Agentur. Im Interview spricht er über die Pläne und die Vorteile der Selbstständigkeit.
Chefredaktion: «Revierkämpfe absorbieren unnötig viel Energie»
«Wir wissen, wie man das grosse Publikum erreicht»: Chefredaktion-Gründer Peter Röthlisberger. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Röthlisberger, Sie haben eine Firma mit dem Namen Chefredaktion gegründet. Was muss man darunter verstehen?
Die Chefredaktion ist ein Büro für Inhalte. Der Kunde bekommt von uns jede Art von Content: Herstellung, Konzeption, Beratung, Coaching. Wir haben dafür zwei Organisationen gegründet. Die Chefredaktion GmbH mit drei Eigentümern und das Netzwerk Chefredaktion mit fünf Spezialistinnen und Spezialisten.

Wer ist dabei?
Barbara Lienhard, ehemalige Lifestyle-Chefin der Blick-Gruppe, Roland Grüter, ehemaliger Magazin-Chef des «SonntagsBlicks» und mir gehört die GmbH. Am Netzwerk Chefredaktion sind beteiligt: Yvonne Helm (AD Print), Aysun Ergez (AD Print), Michèle Fischhaber (Bewegtbild), Patrick Müller (Konzept/CD) und Christian Dietrich (Fotografie). Wir führen aber bereits weitere Gespräche.

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Chefredaktion tönt ein bisschen anmassend.
Ja, das stimmt. Ein bisschen Selbstvertrauen gehört dazu. Aber schliesslich bin ich mit neun Jahren Rekordhalter. Vor mir war niemand länger am Stück Chefredaktor eines Blick-Titels. Und die URL chefredaktion.ch war noch frei.

Ist es nicht schwierig, mit der eigenen Frau in der gleichen Firma zu arbeiten?
Ich weiss gar nicht mehr, wie es anders wäre (lacht). Barbara und ich haben uns vor 12 Jahren bei der «Schweizer Illustrierten» kennengelernt und arbeiten seither mehr oder weniger eng zusammen. Wir können uns über die Freuden und Frustrationen unseres Berufes austauschen. Das hilft sehr.

Was machen Sie, was andere nicht machen?
Was wir tun, ist keine Rocket Science. Aber wir wissen, wie man das grosse Publikum erreicht. Unsere Chefredaktoren haben einen breiten Leistungsausweise in allen Bereichen der Contentherstellung und der Distribution. Es gibt kein Medienhaus in der Schweiz, bei dem nicht jemand von uns gearbeitet hat. Wir decken Fernsehen, Online und Print ab. Barbara, Roland und ich waren bei der Gründung des Blick-Newsrooms 2010 dabei und haben die Entwicklung miterlebt. Wir haben TV-Stationen, Zeitungen und Online-Portale selbst gegründet oder waren in den Gründerteams. Diese Erfahrung geben wir gerne weiter. Und natürlich sollen unsere Kunden von unseren Verbindungen in die Medienwelt profitieren.

Sie waren bis vor einem Jahr Chefredaktor vom «Blick». Wie haben Sie den Wechsel in die Selbstständigkeit erlebt?
Als grosse Befreiung. Ich beobachte dasselbe wie viele meiner Kollegen vor mir: Ist man einmal selbständig, kann man sich nach wenigen Monaten eine Rückkehr in die Hierarchie einer grossen Firma nicht mehr vorstellen. Nun selbst etwas aufzubauen, mein eigener Chef zu sein, sehe ich als grosses Privileg. Die Revierkämpfe in einer grossen Organisation absorbieren unnötig viel Energie. Und mit 50 bin ich ja zudem in der Risikogruppe der Schwer-Vermittelbaren (lacht).

Wie beurteilen Sie das Umfeld, um sich selbständig zu machen?
Als sehr gut, weil die Nachfrage nach Inhalten enorm gestiegen ist. Die grossen Unternehmen bauten in den vergangenen Monaten Newsrooms und Content-Hubs auf. Sie wollen die Menschen direkt ansprechen. Business to People, nicht mehr Business to Customer. Sie wissen aber nicht, wie man Texte schreibt, die die Menschen wirklich lesen wollen. Die Chefredaktion hat extrem viel Erfahrung, deshalb können wir dabei helfen.

Was waren die Gründe, dass Sie bei Ringier gegangen sind?
Ringier hat mir eine tolle Karriere ermöglicht. Vor allem dank «Blick am Abend». Wer hat in seinem journalistischen Leben schon das Privileg, eine Tageszeitung und ein Newsportal gründen zu dürfen? Aber nach 12 Jahren kam der Karriereknick. Marc Walder hat Iris Meyer und mich als Chefs des Blick-Newsrooms abgesetzt und Christian Dorer eingesetzt. Wir hätten als Chefredaktoren der Printtitel «Blick» und «Blick am Abend» bleiben können, aber ich eigne mich nicht als Sesselkleber und habe deshalb abgelehnt. Entweder man glaubt an mich – oder eben nicht mehr. Das ist das Recht des Arbeitgebers. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Gleichzeitig gehört Ihnen das Internetportal «50plus».
Zusammen mit zwei Partnern betreibe ich 50plus.ch und 50plus.de, Nachrichtenportale für die entsprechende Generation. Zudem drei Datingportale für dieselbe Zielgruppe in der Schweiz, Deutschland und Österreich.

Wie haben sich die Portale entwickelt?
Die Zielgruppe wächst, Audience und Umsatz auch. Wir werden im Dezember 100’000 Unique Clients erreichen. Wir nehmen unsere User und Werbekunden ernst: Unsere beiden Verkäufer sind 81 und 72 Jahre alt. Jetzt stösst noch ein sehr erfahrener Kollege von Admeira zum Team. Ein junger Mann knapp vor der Pensionierung (lacht). Seit ich 50 bin, werde ich von meinen Kollegen auch endlich für voll genommen.

Was sind Ihre wichtigsten Projekte im nächsten Jahr?
Wir werden die Coop-Zeitung bei der weiteren Digitalisierung ihrer Marke begleiten. Im Auftrag des Ex-Tamedia-CEO Martin Kall produzieren wir das Jahrbuch für Marketing 2018 und für das Vögele Kultur Zentrum ein Bulletin, das den jeweiligen Ausstellungen gewidmet ist. Für die Kundenmagazine von Globus schreiben wir die Texte. Ausserdem planen wir im nächsten Jahr ein Mobilitätsforum zu den Themen Sharing und E-Mobilität, für das wir bereits namhafte Partner gewinnen konnten. Und schliesslich werden wir mit Bike-Days-Eigentümer Erwin Flury ein Velo-Tourismusprojekt in Graubünden realisieren.



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Kommentare

  • Rolf Helfenstein, 21.12.2017 09:42 Uhr
    Viel Glück & Erfolg, Peter. Rock Da House!
  • Robert Weingart, 20.12.2017 20:07 Uhr
    Es sei ihnen viel Glück gewünscht und der Erfolg gegönnt. "Entweder man glaubt an mich – oder eben nicht mehr. Das ist das Recht des Arbeitgebers. Dagegen ist nichts einzuwenden." Eine starke Ansage, das finde ich sehr konsequent. Ein Menscvh mit Rückgrat, chapeaux!
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